Der Ökonom Lars Feld lehrt an der Universität Freiburg, leitet das dortige Walter Eucken Institut und war bis Ende Februar Chef der Wirtschaftsweisen. Er ist zudem Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates des CDU-Wirtschaftsrates.
WirtschaftsWoche: Herr Feld, Sie haben die Wahl: Armin Laschet oder Markus Söder?
Lars Feld: Da muss ich Sie enttäuschen: Ich enthalte mich der Stimme.
Schade. Aber wir wollten mit Ihnen ohnehin lieber über Inhalte als über Köpfe sprechen. Also: Ist die Union wirtschaftspolitisch auf der Höhe der Zeit?
In jedem Fall sind CDU und CSU spät dran, es existiert ja im Gegensatz zur Konkurrenz noch kein Wahlprogramm. Aber grundsätzlich gilt, dass die Union in meinen Augen kein wirtschaftspolitisches Defizit hat oder dass programmatische Lücken klaffen würden. Es handelt sich eben um eine Volkspartei mit Flügeln – und da fällt durch die Brille des Ökonomen manches klug und manches weniger sinnvoll aus.
Dann gehen wir doch ein paar Themen durch. Was gefällt Ihnen nicht?
Der industriepolitische Trend. Selbst wenn viele der ersten Ideen des Bundeswirtschaftsministers längst wieder kassiert wurden: es gibt diese neue Tendenz zu Steuerung und Protektionismus. Da ist zum einen der Drang der Politik, vermeintlich zukunftsträchtige Technologien fördern zu wollen – besser wäre es, den Standort in Gänze attraktiver zu gestalten. Und da ist zum anderen das Ansinnen, unerwünschte Investoren mit Verweis auf Sicherheitsbedenken auszuschließen – obwohl gerade ein Exportland wie Deutschland offen für ausländisches Kapital sein sollte.
Sie sind in der Vergangenheit auch mit der konservativen Sozialpolitik härter ins Gericht gegangen.
Ja, bin ich, weil Projekte wie die Mütterrente ganz sicher nicht dabei helfen, die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen. Und gegen Altersarmut helfen sie so gut wie nicht. Auch die Pflegereformen aus dem Hause Spahn werden meines Erachtens zu erheblichen Mehrbelastungen führen.
Wohin sollten CDU und CSU dann Ihrer Meinung nach mehr Ehrgeiz lenken?
Die deutsche Investitionstätigkeit – und zwar die private wie die öffentliche – leidet unter einer bürokratischen Regulierungsdichte, die fast schon einer Strangulation gleichkommt. Obwohl das immer und immer wieder versprochen wird: Bürokratieabbau, Genehmigungsprozesse verschlanken – es passiert viel zu wenig. Und in unions-regierten Ländern läuft es wahrlich nicht besser als in anderen. Da muss mehr Zug rein. Dass ein Unternehmen wie Tesla in Brandenburg nur zwei Jahre für eine Fabrik braucht, gilt ja hierzulande schon als Sensation.
Sie gelten als einer der Vordenker der Schuldenbremse. Sie gehörte zum Markenkern der Union. Schade, dass sie nun politisch tot ist?
Na ja, wie heißt es so schön: Totgesagte leben länger. Die Schuldenbremse muss im Jahr 2022 sicher noch einmal ausgesetzt werden, aber danach kann und sollte der Bund selbstverständlich zu ihr zurückkehren. Und die Union an ihr festhalten.
Aber dann wird es mit Steuersenkungen nichts, oder?
Wenn eine künftige Bundesregierung sich trauen würde, an die Ausgaben ranzugehen, wäre auch das möglich. Ansonsten aber erfordert das Einhalten der Schuldenbremse schon den Verzicht auf Steuersenkungen, das stimmt. Und insofern sollte eine Partei wie die Union meines Erachtens zuerst auf die solide Konsolidierung des Haushalts setzen und zugleich auf das Versprechen, keine Steuern zu erhöhen.
Die Ära Angela Merkel geht bald zu Ende. Sehen Sie in der Union eine Renaissance der Wirtschaftspolitiker heraufziehen?
Da wäre ich vorsichtig. Viele profilierte Wirtschaftspolitiker aus CDU und CSU werden den Bundestag verlassen. Erstmal abwarten, wer nachkommt. Und selbst wenn ein Friedrich Merz es ins Parlament schafft, ist das für sich alleine ja noch keine Renaissance.
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