Ist Friedrich Merz ein guter Politiker? Tja, komplizierte Frage. Einerseits ist es ziemlich lange her, dass er – wie leider oft so unschön-gebrechlich formuliert wird – Politik aktiv gestaltet hat. Andererseits: Dass ein CDU/CSU-Fraktionschef im Machtgeflecht der Hauptstadt sehr einflussreich ist, das würde nicht nur Ralph Brinkhaus unterschreiben. Merz hat das Amt bekanntlich innegehabt. Das war nun wirklich nicht nichts.
Also, ist Friedrich Merz ein guter Politiker? Nun, man muss begeistern, Loyalität erzeugen, Hoffnung schenken, Sehnsüchten Nahrung bieten können – kurzum, Fähigkeiten besitzen, etwas auszulösen in Menschen, um sie dereinst in Wähler zu verwandeln. Und so gesehen ist Friedrich Merz ein überaus talentierter Politiker.
Mehr noch: Wahrscheinlich ist der Anwalt aus dem Sauerland die schillerndste Projektionsfläche der deutschen Politgegenwart (von einem vom AfD-Fresser zum Bienenschützer gewandelten Herrn in Bayern mal angesehen). Das muss man erstmal schaffen: Machtkämpfe verlieren, dem Bundestag den Rücken kehren, in die Wirtschaft gehen, Geld verdienen, ab und an mal einen scharfen, mit einer Spur reformatorischer Besserwisserei abgemischten Einspruch von der Seitenlinie fabrizieren und trotzdem (oder deswegen?) über Jahre hinweg das heißeste Comeback-Gerücht der CDU bleiben.
Jahrelang ging das so. Bis jetzt. Denn interessanterweise hat auch die Niederlage vor zwei Jahren gegen Annegret Kramp-Karrenbauer im Rennen um den Parteivorsitz dem Merz-Nimbus nicht geschadet. Er machte einfach weiter in seiner Paraderolle als „Friedrich Merz“. Als Hoffnung an der Seitenlinie, als Mann, der nichts muss, aber alles könnte. Der unangefochtene König von Man-sollte-endlich-mal-istan.
Ob es jemals schöner werden kann? Der CDU-Parteitag, der das Rennen zwischen Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet entscheidet, hat eine Dialektik inne, die sich je nach persönlicher Sympathie fein oder fürchterlich anfühlen kann. Wer zu Merz hält und ihn schätzt, kommt ja an folgender Konstellation nicht vorbei: Verschaffen seine Unterstützer ihm heute das Amt, das er offenbar mit jeder Faser will, holen sie ihn endgültig von der Wolke der ewigen Verheißung hinunter auf den bisweilen schmutzigen Boden der politischen Realität. Es wäre vorbei mit „Ich würde“ oder „Man sollte“. Dann hieße es: „Wir müssen“.
Kompromisse schließen zum Beispiel. Mit den Grünen über Verbrennerverbote verhandeln. Verteilungskonflikte nicht nur beschreiben, sondern lösen. Erklären, warum der Mindestlohn doch steigt, die Rente ab 63 natürlich nicht abgeschafft wird. Dafür werben, dass es derzeit schon ein großer Erfolg ist, Steuern nicht zu erhöhen.
Anders gesagt: Wer den Kandidaten Merz wählt, wählt die Projektionsfläche „Friedrich Merz“ ein für alle Mal ab. Seine Fans sollten sich ernsthaft überlegen, ob sie ihrem Helden den Abstieg von Thron antun wollen.
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