CDU kontra SPD Twitter-Schlacht über BND-Affäre

Die BND-Spionageaffäre droht zu einer ernsten Belastung für die Große Koalition zu werden. Auf Twitter liefern sich Spitzenpolitiker von CDU und SPD einen heftigen Schlagabtausch. Dabei brechen alte Konflikte wieder auf.

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Wer wusste wann was in der BND-Affäre? In der Großen Koalition verschärft sich der Ton über die Kooperation des Bundesnachrichtendienstes mit dem US-Geheimdienst NSA. Quelle: dpa

Berlin Die Spionageaffäre um den US-Geheimdienst NSA und den Bundesnachrichtendienst (BND) hat einen heftigen Streit innerhalb der Großen Koalition ausgelöst. Via Twitter liefern sich das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn und SPD-Bundesvize einen Schlagabtausch über die Bewertung der Affäre und die Konsequenzen daraus.

Anlass dürfte Äußerungen aus der SPD in Richtung des Koalitionspartners sein. So hatte sich Parteivize Ralf Stegner am Wochenende im Gespräch mit dem Handelsblatt direkt an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt und sie aufgefordert, vor den NSA-Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen Stellung zu nehmen – „denn sie hat die politische Verantwortung“.

Stegner nahm dabei kein Blatt vor den Mund: „Entweder das Kanzleramt war total ahnungslos, also auf Deutsch gesagt unfähig zur Aufsicht über den BND, oder es unternahm wider besseren Wissens nichts und belog Parlament und deutsche Öffentlichkeit.“ Die Jusos forderten gar den Rücktritt von Innenminister Thomas de Maizière, der als ehemaliger Kanzleramtschef zeitweise für die Arbeit der deutschen Geheimdienste die Verantwortung trug.

Der CDU-Politiker Spahn echauffiert sich nun via Twitter über den gereizten Ton aus der SPD und fragte: „Warum haben wir den Kollegen Oppermann eigentlich vor 1 Jahr so geschont? Damit SPD nun koalitionären Anstand fahren lässt?“

Spahn spielt damit auf die Affäre um die Kinderporno-Vorwürfe gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy an, in deren Verlauf auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann unter Druck geriet. Oppermann hatte mit einer Pressemitteilung zum Fall Edathy Anfang 2014 den Rücktritt des damaligen Bundeslandwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich (CSU) ausgelöst. Diesem wurde zum Verhängnis, dass er in seiner Funktion als Innenminister der SPD-Spitze sein Wissen über Edathy preisgab.

Stegner gibt sich unbeeindruckt und nennt Spahns Andeutung eine „interessante Interpretation“ dessen, was da gerade in Berlin in Sachen BND und NSA an die Öffentlichkeit dringe.


„Immerhin fühlt sich gleich der richtige angesprochen“

„Immerhin fühlt sich gleich der richtige angesprochen“, antwortet Spahn, woraufhin Stegner kontert: „Weniger. Sie lenken von Aufklärung in Sachen BND im Untersuchungsausschuss und politischer Verantwortung für das Kanzleramt ab!“

Spahn nimmt die Vorlage dankbar an: „Bin immer f. Aufklärung. Schröder, Steinmeier, Schily, Uhrlau erklären im UA (Untersuchungsausschuss; d. Red.) noch mal die guten Gründe f. Zusammenarbeit ab 2001.“

Der CDU-Politiker versucht damit die Debatte nun gezielt auf einige Sozialdemokraten zu lenken, die wie Altkanzler Gerhard Schröder, der frühere Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und der ehemalige Innenminister Otto Schily einst selbst die Verantwortung über die Geheimdienste hatten. Zu einer Zeit, als die USA im September 2001 von Al-Qaeda-Terroristen angegriffen wurden. Ernst Uhrlau leitete damals den Bundesnachrichtendienst (BND), der eng mit der CIA zusammenarbeitete.

Stegner geht darauf erst gar nicht ein, sondern kanzelt Spahn oberlehrerhaft ab: „Thema verfehlt: Gute Gründe für Zusammenarbeit mit USA. Bin gegen Antiamerikanismus. Was ist mit Pofalla & Co. deutsches Recht gilt!“

Der CDU-Politiker Pofalla, der heute für die Bahnspitze als „Generalbevollmächtigter für politische und internationale Beziehungen“ tätig ist, steht unter Druck, weil aus seiner Amtszeit als Kanzleramtschef von 2009 bis Ende 2013 eine weitere Meldung des BND zu den NSA-Aktivitäten an das Kanzleramt stammen.


„@jensspahn macht wohl Wahlkampf für AfD?!“

Ebenso wie sein Vorgänger de Maizière veranlasste aber auch Pofalla keine Änderungen. Im Gedächtnis ist er in dem Zusammenhang mit den Enthüllungen um US-Spitzeleien hingegen mit der Aussage aus dem August 2013 geblieben, dass die NSA-Affäre beendet sei.

Stegner meinte dazu gegenüber dem Handelsblatt: „Herr Pofalla hat offenkundig die Unwahrheit gesagt, als er behauptete, der BND habe sich zu 100 Prozent an die Datenschutzbestimmungen gehalten.“ Spätestens mit den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hätte Pofalla „aktiv aufsichtlich tätig werden müssen“. Stattdessen habe er aber die BND-NSA-Affäre für beendet erklärt. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte mit Blick auf Pofalla dem Handelsblatt, es stehe „der schwerwiegende Verdacht" im Raum, das er im Auftrag Merkels im Wahlkampf 2013 die gefährlich werdenden Enthüllungen Snowdens „wahrheitswidrig abmoderierte“.

An diesem Punkt bricht die Debatte ab. Spahn reagiert nicht auf Stegners Anwürfe gegen seinen Parteifreund Pofalla. Stattdessen wendet er sich dem Fraktionschef der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, zu. Gallert hat den Schlagabtausch offenkundig mitgelesen und stößt sich insbesondere an der Bemerkung Spahns zu Oppermann. Die CDU habe Oppermann aus Koalitionsdisziplin im Edathy-Untersuchungsausschuss geschont und erwarte im NSA-Ausschuss dies auch von SPD, schreibt Gallert via Twitter und schiebt spöttelnd hinterher: „@jensspahn macht wohl Wahlkampf für AfD?!“

Spahn lässt das nicht unkommentiert stehen und poltert zurück: „Dass SED-Nachfolger jetzt aufgeregt transparente Aufklärung bei Geheimdiensten fordern, fällt wohl unter Ironie der Geschichte.“

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