CDU-Parteitag Merkels Gipfel der Harmonie

Auf dem CDU-Parteitag verabschiedet und begrüßt die Kanzlerin Minister – und kündigt an, das Wirtschaftsministerium zu einer wichtigen Schaltstelle zu machen.

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CDU-Parteitag: Angela Merkels Gipfel der Harmonie Quelle: Reuters

Berlin Nach ihrer 90-minütigen Rede schreitet Angela Merkel vom Pult einmal quer über die Bühne. Am Ende des Podiums bleibt die Kanzlerin stehen, beugt sich zu Jens Spahn runter, tuschelt kurz mit ihm, lächelt und geht wieder. Währenddessen applaudieren die Delegierten auf dem CDU-Parteitag in Berlin noch.

Vor gut einem Jahr, beim letzten Parteitag in Essen, gab es eine ähnliche Szene. Doch damals wurde nicht gelächelt, Merkel war Spahn angegangen, weil er ihr bei einer Abstimmung zum Doppelpass eine Niederlage zugefügt hatte.

Das ist nun vergessen. Am Wochenende hatte Merkel das Präsidium und den Vorstand ihrer Partei informiert, dass Spahn in einer neuen Bundesregierung Gesundheitsminister werden soll. Damit holt sie einen ihrer größten Kritiker ins Kabinett, der sowohl bei den Konservativen wie den Jungen in der Partei als Hoffnungsträger für die Zeit nach Merkel gilt. Doch von dieser Zeit redet niemand an diesem Montag in Berlin.

Mit ihrem Personaltableau hat Merkel die Grundlage für eine harmonische Stimmung auf dem Parteitag gelegt. Ohne Spahn und den Druck der Kritiker hätte es das Treffen, auf dem über den Koalitionsvertrag von Union und SPD abgestimmt werden soll, gar nicht gegeben. Sie hatten darauf gedrängt, nun zeigen auch sie sich größtenteils zufrieden. Merkel hat nicht nur den Kritiker Spahn in die Regierung, sondern auch darüber hinaus neue Gesichter.

Die Bundestagsabgeordnete Anja Karliczek soll Forschungs- und Bildungsministerin werden, Helge Braun wird Kanzleramtschef. Und natürlich ist da noch die in der Partei allseits beliebte Annegret Kramp-Karrenbauer, die auf dem Parteitag zur neuen Generalsekretärin gewählt werden soll.

Dieser personellen Erneuerung sind einige von Merkels engsten Vertrauten zum Opfer gefallen. Für den bisherigen Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Innenminister Thomas de Maiziere wird kein Platz mehr sein. Die Delegierten verabschieden die Minister mit viel Applaus. Das CDU-Präsidium steht ebenfalls auf, klatscht im Rhythmus mit. Auch Jens Spahn, der einst Gröhe aus dem Präsidium drängte und sich nun seinen Posten als Gesundheitsminister gesichert hat.

Erst nach gut einer Minute Applaus kann sich Gröhe ein Lächeln abringen, er steht auf und bedankt sich. Am Sonntag, als Merkel das Präsidium über die Personalentscheidungen informierte, war Gröhes Geburtstag. „Das war mal ein Geburtstagsgeschenk“, heißt es im CDU-Präsidium.

Doch von Groll soll nichts zu sehen sein auf der Bühne. Auf dem Parteitag herrscht Jubelstimmung. Merkel dankt Gröhe. „Du hast mit großer Energie unser Gesundheitssystem verbessert“, sagt die Kanzlerin. Und zu de Maizière: „Unsere CDU hat Dir viel zu verdanken.“ Er habe dem Land gedient. Dann widmet sich die CDU-Chefin wieder dem Koalitionsvertrag. Dank, Applaus, Dank – so schnell enden Ministerkarrieren.


Kanzleramt und Wirtschaftsministerium als Kraftzentrum der CDU

Merkel ist längst bei den künftigen Ministern. Sie geht die Ressorts durch, welche sich die CDU sichern konnte. Dass in dieser Liste das Bundesfinanzministerium fehlt, hatte in der Partei für großen Unmut gesorgt. Merkel habe zu viele Zugeständnisse gemacht, um sich ihr Kanzleramt zu sichern, so die Kritik.

Natürlich sei der Verlust „schmerzhaft“, sagt Merkel auf dem Parteitag. Aber dafür habe man sich immerhin das Wirtschaftsministerium gesichert, nach mehr als fünf Jahrzehnten geht es wieder an die CDU. Und Merkels Allzweckwaffe Peter Altmaier soll es leiten.

Die Kanzlerin weckt Erinnerungen an Ludwig Erhard, den großen Wirtschaftsminister der CDU und Vater des Wirtschaftswunders. Aber kann das Wirtschaftsministerium, über das in Berlin als „Ministerium für Messeeröffnungen“ gewitzelt wird, den Verlust des mächtigen Finanzministeriums, des Nebenkanzleramts aufwiegen? Merkel äußerte „Befremden“ über diese Kritik. Wenn die Amtsinhaber in den vergangenen Jahrzehnten Chancen nicht genutzt hätten, sei es an der CDU, dies zu ändern, sagte sie.

„Es liegt an uns, daraus etwas zu machen“, betonte Merkel. Das Wirtschaftsressort könne wichtige Impulse bei Handel, Digitalisierung und Energie setzen. Ja, selbst Europa-Zuständigkeit spricht man in der CDU nun dem Wirtschaftsministerium zu. Mit dem Ministerium habe die CDU die „große Chance“, die soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert zu erneuern, sagte Merkel.

Im Saal führen ihre Getreuen aus, was damit gemeint ist: Die CDU will mit Kanzleramt und Wirtschaftsministerium eine Achse bilden und so ein Kraftzentrum in der Regierung gegen die SPD-Ressorts Finanzministerium sowie Arbeits- und Sozialministerium sein.

So deutlich wird das auf der Bühne noch nicht ausgesprochen. Zunächst muss ja auch die SPD dem Koalitionsvertrag zustimmen, damit es wirklich zu einer Großen Koalition kommt. Und so klingen die inhaltlichen Punkte, die Merkel macht, nicht unbedingt nach Ludwig Erhard in Reinform.

Die CDU-Chefin zählt die Milliarden auf, die man für Pflege, für Arbeitsmarktpolitik, Rente und Familien ausgeben will. Doch Kritik regt sich daran kaum mehr. Werner Bahlsen, Präsident des CDU-Wirtschaftsrat und Keksfabrikant, moniert, dass der Koalitionsvertrag „zuvorderst auf Umverteilung setzt“ und kein „Konzept für die Zukunft des Landes“ sei. Doch solche Stimmen sind heute in der Minderheit. „Die Union hat einen klaren Regierungsauftrag“, sagte Merkel. Sie will ihn erfüllen. Und ihre Partei wird mitziehen.

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