CDU-Vorsitz Merz will kein „Anti-Merkel“ sein

Aussichtsreichste Kandidaten für den CDU-Vorsitz sind neben Merz CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn. Quelle: dpa

Seine erste große Bewerbungsrede für den CDU-Vorsitz hält Friedrich Merz in einer Schützenhalle im Sauerland. Er macht klar: Die CDU soll in der Mitte bleiben.

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Friedrich Merz will wieder zurück in die Politik, und zwar gleich nach ganz weit oben. Vor rund neun Jahren kehrte der Ex-Unionsfraktionschef der Politik den Rücken. Nun will der gemachte Anwalt, der erfolgreich in die Wirtschaft wechselte und sogar ein Flugzeug besitzt, aus dem Stand CDU-Bundesvorsitzender werden. Der erhoffte Weg an die Spitze führt den 62-Jährigen aber erst einmal zurück zu seinen Wurzeln in der sauerländischen Provinz in eine Schützenhalle.

Nicht im großen Berlin, sondern in der Halle der St. Sebastianus Schützenbruderschaft im Arnsberger Stadtteil Oeventrop hält Merz am Samstag seine erste öffentliche Bewerbungsrede. Es ist Kreisparteitag der Hochsauerland-CDU. Als Gastredner will er sich der Basis als Nachfolger von Parteichefin Angela Merkel empfehlen. Die Fachwerkhalle ist drinnen etwas muffig, Fahnen und ein Holzadler, an der Stirnseite der Halle prangt in brauner Frakturschrift das traditionelle Schützenmotto „Glaube, Sitte, Heimat“. Das Bier kostet 1,50, Frikadellenbrötchen 2,50. Für den in Brilon geborenen Merz wird es ein Heimspiel. Für die Hochsauerland-CDU zog Merz einst 1994 als Direktkandidat in den Bundestag.

Für die Delegierten ist Merz hier immer noch „der Friedrich“. Einige sind mit ihm befreundet, er hat für Eltern von Freunden schon Trauerreden gehalten und auch Geburtstagsreden. Im Sauerland ist man konservativ und bescheiden. Das weiß auch Merz. Unauffällig wandert er im dunkelblauen Jackett schon vor Beginn des Parteitags durch die Tischreihen, schüttelt Hände, klopft auf Schultern, gibt Begrüßungsküsschen.

Bürgernah und in der Mitte das ist wohl das Signal, das Merz aussenden will. Dass er seit rund zehn Jahren nicht mehr in der Politik ist, aber jetzt gleich nach dem Parteivorsitz greift, finden hier alle in Ordnung. „Er ist das Beste, was unserer Partei und dem Land passieren kann“, sagt Hermann Beilenhoff.
Der Sauerländer neigt nicht zu großen Emotionen. So wird Merz von den rund 500 Delegierten auch nicht überschwänglich als eine Art „Heilsbringer“ der CDU empfangen, sondern mit ordentlichem Applaus begrüßt. Nach der 45-minütigen Rede erheben sich die Delegierten sogar, applaudieren noch mal kräftig drei Minuten lang und setzen sich dann wieder.

Es ist eine Art „Merz der Mitte“, der sich in Oeventrop nicht nur der Basis, sondern auch vor den zahlreichen Fernsehkameras präsentiert. Er sei doch „kein Anti-Merkel“, versichert er. Er wolle keine „Abrechnung“ mit der Kanzlerin, die ihn einst um den Unionsfraktionsvorsitz brachte. „Alles dummes Zeug“. Im Gegenteil, er würde als neuer CDU-Parteichef „fair, anständig und loyal“ mit Merkel umgehen. Seine schärfste Konkurrentin, Annegret Kramp-Karrenbauer, möchte er im Fall seines Sieges in der obersten CDU-Spitze halten.

Wer der oder die neue CDU-Vorsitzende wird, gilt auch als potenzieller Kanzlerkandidat. Merz referiert in der Schützenhalle staatsmännisch über die Zukunft der EU, des Euro und die Gefahr des Brexit. Redet über die Schwierigkeit für Frauen, Job und Familie zu vereinbaren und fordert zugleich die Durchsetzung des Rechtsstaates gegen kriminelle Mitglieder von Familienclans.
Merz und Kramp-Karrenbauer werden die besseren Chancen bei der Wahl am 7. Dezember vorausgesagt. Der 38-jährige Gesundheitsminister Jens Spahn gilt als weniger aussichtsreich. Er holte sich weniger medienwirksam am späten Freitagabend die Rückendeckung in seiner münsterländischen Heimat.

Spahns Tag war komplett durchgetaktet: Erst Verabschiedung des Pflegepakets im Bundestag, dann Vorstellung aller drei Kandidaten bei der Frauen-Union, abends ins Flugzeug und über die Autobahnen Richtung Münsterland. Natürlich nominierte auch der Kreisverband Borken Spahn einstimmig. Am schönsten sei es doch in der Heimat, sagte Spahn. Die stellvertretende Kreisvorsitzende Martina Schrage weist darauf hin, dass Spahn, der seit 13 Jahren die CDU Borken führt, sich als Politiker vom Stadtrat bis zum Bundestag alles selbst erarbeitet habe ein Seitenhieb auf Merz, der seit Jahren kein Parteiamt mehr innehat und den Stürmen der Union nicht direkt ausgesetzt war.

In der Oeventroper Schützenhalle singen die wenigen noch verbliebenen Delegierten nach vier Stunden Parteitag zum Abschluss die Nationalhymne. Merz ist auch noch da. Aber er singt nicht mit, weil er im Nebenzimmer bei Hintergrundgesprächen mit Journalisten sitzt. Fast so wie früher.

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