Chefaufseherinnen Norwegen: Frauenquote in Aufsichtsräten

Norwegen hat eine Frauenquote in Aufsichtsräten eingeführt. Allen Unternehmen, die sie verfehlen, drohen ab Januar drakonische Strafen.

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Wenn Karita Bekkemellem über Männer spricht, dann stößt sie die Ellbogen fest auf die Tischplatte und zerrt mit beiden Händen an einer imaginären Krawatte. Manchmal müsse man „die Jungs in der Wirtschaft einfach am Schlips packen“, sagt Norwegens Gleichstellungsministerin dabei – und ihnen beibringen, was das Beste für sie sei. Und was das Beste für die norwegische Wirtschaftswelt sein soll, das hat die sozialdemokratische Regierung in einem Gesetz festgeschrieben: Männer müssen einen Teil ihrer Macht künftig an Frauen abgeben. Im staatlichen Auftrag gewissermaßen, was manchem Herrn nun tatsächlich die Luft abschnürt. Als erstes Land der Welt hat Norwegen eine Frauenquote für Aufsichtsräte eingeführt. Seit Anfang 2006 müssen alle staatlichen Unternehmen mindestens 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsmandate mit Frauen besetzen. Von Januar an wird diese Regel auch auf die Privatwirtschaft ausgeweitet. Börsennotierten Aktiengesellschaften, die dann an der 40-Prozent-Quote scheitern, drohen drakonische Strafen: Das Gesetz sieht schlimmstenfalls gar eine Zwangsauflösung der Unternehmen vor. Inzwischen sind in Norwegen viele Wirtschaftsbosse in Panik verfallen. Jedes dritte private Unternehmen hat noch immer nicht genügend Frauen in sein oberstes Gremium bugsiert. Bis das Gesetz in Kraft tritt, bleiben aber nur noch zwei Monate. Anders als in Deutschland, wo Aufsichtsräte den Vorstand kontrollieren, verfügt Norwegen über eine einstufige Unternehmensverfassung: Aufsichtsrat und Vorstand sind im „Board“ zusammengefasst, lenken das Unternehmen und verfügen über großen Einfluss. Auch deshalb ist die Quote selbst im Gleichstellungs-Wunderland Norwegen umstritten. Ministerin Bekkemellem erzählt, dass sie noch nie in ihrer Karriere so oft von Männern beschimpft und unter Druck gesetzt worden sei. Auf der einen Seite stichelt etwa die feministische Frauenzeitschrift „Fett“, bislang würden „Quotenmänner von ihren Bruderschaften in die Aufsichtsräte gehievt“. Weil die weibliche Hälfte der Bevölkerung konsequent benachteiligt würde, sei die Quote unbedingt nötig. Auf der anderen Seite maulen Firmenpatriarchen, es gebe überhaupt nicht genügend qualifizierte Frauen, und man fühle sich beinahe genötigt, die eigene Gattin nebst Schwiegertochter an der Unternehmensspitze zu platzieren. So sind die Arbeitgeberverbände längst dazu übergegangen, weibliche Führungskräfte in Seminaren für Aufsichtsratsposten fit zu machen. Zwei Millionen Euro jährlich lassen Wirtschaft und Regierung sich die Kurse kosten, an denen bereits 500 Frauen teilgenommen haben. „Unsere Mitglieder halten zwar nichts von der Quote, aber sie reagieren auf das Gesetz“, sagt Nina Solli, Gleichstellungsmanagerin beim Hauptverband der Norwegischen Wirtschaft (NHO), der 17.000 Unternehmen vertritt.

Allerdings räumt Solli ein, dass die Quote schon einiges bewegt habe. Noch 2005 habe der Frauenanteil in norwegischen Aufsichtsräten bei durchschnittlich 18,9 Prozent gelegen. Für Oktober 2007 hat der NHO einen Anteil von 34,1 Prozent errechnet. Die Frauen würden sich daranmachen, eigene Netzwerke zu bilden. „Und sie trauen sich endlich etwas zu“, sagt Solli. Damit jedoch kann das vermeintlich starke Geschlecht nur schwer umgehen. Bei der Ombudsfrau für Gleichstellung, die Diskriminierung von Geschlechts wegen bekämpfen soll, sind Dutzende von Beschwerden eingegangen – geschrieben von Männern, die sich aus ihren Spitzenjobs verdrängt fühlen. „Die Männer sind verunsichert“, sagt Ombudsfrau Beate Gangas. Andere Länder indes schauen neugierig nach Norwegen. Und zumindest die Grünen würden die Quote gern nach Deutschland importieren. Nach einer Statistik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) besetzen Frauen hierzulande nur 7,5 Prozent der Aufsichtsratsmandate in den 200 größten Unternehmen. Unter den 192 Vorstandsmitgliedern in DAX-30-Unternehmen findet sich keine einzige Frau. Auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat Mitte Oktober bei einem Frauen-Dinner in Berlin gefordert, die Frauenquote in Aufsichtsräten zu steigern. Sie setzt dabei jedoch auf „freiwillige Selbstverpflichtungen“ der Wirtschaft, nicht auf Zwang. Von staatlich verordneten Unternehmensauflösungen ganz zu schweigen. In Norwegen allerdings streiten die Regierungsmitglieder selbst darüber, ob sie im Januar tatsächlich Privateigentum auflösen sollen, falls Unternehmen die Quote verfehlen. Wirtschaftsminister Dag Terje Andersen beruhigt versöhnlich, dass es „erst mal nur Abmahnungen“ geben werde. Doch Gleichstellungsministerin Bekkemellem droht, die Regierung werde alle Instrumente nutzen, die das Gesetz zur Verfügung stelle. „Ich kann darin keinen Skandal erkennen“, sagt sie.

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