Chefin der Jungen Unternehmer Offener Brief an die SPD: Wohlstand statt Wohlfahrt für alle

Sarna Röser (32) ist Bundesvorsitzende des Verbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER, designierte Nachfolgerin eines in dritter Generation geführten Familienunternehmen und Gründerin des Start-Ups Beamcoo, das den Wissensaustausch von Mitarbeitern über Unternehmensgrenzen hinaus ermöglicht. Quelle: DIE JUNGEN UNTERNEHMER / Anne Grossmann Fotografie

Die Chefin der Jungen Unternehmer, Sarna Röser, hat einen offenen Brief an die darbende Sozialdemokratie geschrieben. Ihr Wunsch vor dem heute beginnenden Parteitag: Die Genossen mögen wieder Wohlstand für alle entdecken – statt Wohlfahrt für alle.

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Liebe SPD,

du bist und bleibst wichtig für Deutschland. Mit der Regierung unter Gerhard Schröder sorgtest du um die Jahrtausendwende für marktwirtschaftliche Reformen, die lange überfällig waren. Aus dem kranken Mann wurde die gesunde Frau Europas. Du bewiest damals auch in stürmischen Zeiten Haltung, Biss und Überzeugungskraft.

Leider ist davon im Moment nichts mehr übrig. Seit der Schulz-Zug abfuhr, zerlegst du dich auf unnachahmliche Weise selbst. Nachdem Sigmar Gabriel dein Steuer immerhin sieben Jahre halten konnte, schleudertest du innerhalb von zwei Jahren schon eine Andrea Nahles und einen Martin Schulz aus dem Cockpit, ohne die vielen Interimslösungen mitzuzählen.

Nun schweifte dein hilfesuchender Blick Richtung Basis. Leider war dein Findungsprozess durch deine Unsicherheit dermaßen überdemokratisiert, dass selbst dem letzten Fan bei dieser Castingshow langweilig wurde. Einen Tiefpunkt zeigen die Ergebnisse der Sonntagsumfragen und die Wahlen im Osten: Der einst stolz rotleuchtende Oldtimer schleppt sich mit einstelligen Prozentzahlen über den Standstreifen. Auch das neue Führungs-Duo vermag kaum für Euphorie zu sorgen. So wie Ende der Neunziger die deutsche Wirtschaft herumdümpelte, tust es heute du. Wer wären wir also, wenn wir nicht unsere Hilfe anböten.

Du warst einst Partei der Leistungsträger. Werksarbeiter, Beamte oder Unternehmer, alle wählten dich. Du versprachst denjenigen Wohlstand, die sich reinhängten. Wem dies nicht gelang, botest du das Netz des Sozialstaates. Mittlerweile ist aus dem Wohlstand für alle Wohlfahrt für alle geworden. Du gibst regelmäßig teure Sozialgeschenke auf Kosten der Steuerzahler, also denjenigen, die sich reinhängen. Von der Partei der Mitte entwickeltest du dich zur Partei der Angeheirateten (Zahnarztgattin) mit Hang zur Kleingärtnerei (Gießkanne).

Mit dem Ausufern des Sozialstaates, der mittlerweile schon die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts verschluckt, muss Schluss sein. Die Bürgerinnen und Bürger sind genervt von deinem Umverteilungswahn. So hielt sich die Freude über eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung allgemein in Grenzen. Hilfe für wirklich Bedürftige, Alleinerziehende oder Langzeitarbeitslose geht günstiger und besser. Schon mit wenigen hundert Millionen Euro ließe sich viel erreichen. Statt aber nachhaltig und ressourcenschonend zu bewässern, flutest du unser Steuergeld hinaus. Das einzige, was bleibt, ist die Auszeichnung der „Respektrente“ zum Wort des Jahres.

Die Bürgerinnen und Bürger wollen solche Reformen nicht mehr zahlen und fordern größeren Spielraum für ihre eigenen Pläne. Niedrigere Lohnnebenkosten wären dafür das beste Mittel. Ihr Sparen sollte außerdem unterstützt und geschützt werden. Das hieße private Altersvorsorge zu fördern und Mitarbeiterbeteiligungen zu erhöhen. Olaf Scholz plant aber schon die nächste Breitseite: Mit der Finanztransaktionssteuer klaut er den Klein-Aktionären das Gemüse aus dem Garten und verkauft es ihnen danach teuer zurück.

Die Wähler wollen außerdem, dass endlich mehr und schneller gebaut wird. Statt die Verunsicherung durch Enteignungsdebatten mit einem Mietendeckel zu befeuern, solltest du das Wohnungsangebot durch verstärktes Ausweisen von Bauland und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren erhöhen. Der Vermieter würde es dir genauso danken wie die einkommensschwache Familie und der dir so ungeliebte internationale Investor.

In der Klimafrage brauchen wir große Antworten. Kleinteilige Klimapolitik wie das Plastiktüten-Verbot fühlt sich für die Wähler an wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Besser wäre eine glaubwürdige Gesamtstrategie, die Wirtschaft nicht gegen Klima ausspielt, sondern die Chancen von Technologien nutzt. Als Altpartei weißt du doch: Fortschritt und Marktmechanismen haben uns schon von der Tranlampe zur Energiesparbirne oder von der Dampflok zur Magnetschwebebahn geführt. So soll es weitergehen und nicht zurück in die Steinzeit, wie es manche deiner Wachstums- und Wirtschaftskritiker gerne hätten.

Die Menschen wollen sich ihre Arbeit selbst einteilen und die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung individuell nutzen lernen. Anstatt aber Freiräume zu schaffen, willst du auch hier kollektive Lösungen vorschreiben. Arbeitszeit soll punktgenau erfasst und die Möglichkeit zum Homeoffice Pflicht werden. Wir brauchen aber ein modernes Arbeitsrecht, das Arbeitnehmerschutz und Bedürfnisse digitaler Berufswelt in Einklang bringt.

Du warst außerdem immer von Herzen Europäer. Nun verspielst du das Vertrauen der Deutschen in diese große Idee! Eine Haftungsunion und intransparente Transfermechanismen führen zu großer Enttäuschung, wie in Großbritannien. Du solltest eher dafür eintreten, den Binnenmarkt endlich zu vollenden und ihn vor allem auch restlos auf die Digitalökonomie auszuweiten! Die EU muss sich mit Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Energie beschäftigen, nicht in Verteilungsprojekten und kleinteiligen Fördertöpfen verlieren.

Was auch gar nicht geht, ist deine miefende Klassenkampf-Rhetorik bei Einkommens- und Vermögensthemen. Die Gesellschaft will Zusammenhalt und keine Grabenkämpfe. Gutverdiener sollen weiterhin mehr zahlen als Geringverdiener, ihre Arbeit solltest du aber nicht zunichtemachen. Das wäre kontraproduktiv und würde Arbeitsplätze in Gefahr bringen. Fakt ist auch: Wir haben bereits einen gut ausgebauten Sozialstaat.

Mit dir ist wieder zu rechnen, wenn du dir diese Worte und die deines alten Mitstreiters Kurt Beck zu Herzen nimmst: „Leistung muss sich wieder lohnen!“. Du hast jetzt die Wahl, entweder wirst du wieder Partei der Leistungsträger oder du schließt dich mit der Linkspartei zusammen. Deine neuen Chefpiloten locken dich jedenfalls weit nach links. Wir hoffen, du widerstehst und packst das Comeback! Deutschland braucht dich!

Deine
Sarna Röser

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