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China bewundert die Bundesrepublik "Alles funktioniert in Deutschland"

Kaum ein anderes Land ist bei Chinesen so beliebt wie Deutschland. Warum eigentlich? Und: Ändert sich das gerade?

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Deutschland China Quelle: dpa

Anfang Juni fuhr ich mit einer Gruppe von 17 chinesischen Unternehmern durch Deutschland. Elf Tage lang besuchten wir Fabriken, fast alles waren Mittelständler. Wir verbrachten viel Zeit auf der Autobahn, warfen hunderte 50-Cent-Münzen in Sanifair-Automaten, und übernachteten in kleinen Dörfern, in deren Ortsmitte Kirchen mit Zwiebeltürmen standen. Die meisten der Teilnehmer waren zum ersten Mal außerhalb Chinas. Das mit den Sanifair-Automaten verstanden sie nicht.

Am Abend des zweiten Tages kamen wir am Bodensee an. Das Restaurant, in das uns die deutsche Firma eingeladen hatte, lag auf einen Hügel, von dem der Blick über Weinberge auf den "Bo-Den-Hu" fiel. Die Chinesen stiegen aus dem Bus und glotzten ungläubig auf das fette Grün. Dann holten sie zeitgleich ihre Fotoapparate und Smartphones hervor und fotografierten so ziemlich alles im Blickfeld.

Zehn interessante Fakten über China
Täglicher Griff zur ZigaretteUngesunder Rekord: In jeder Sekunde werden 50.000 Zigaretten in China angezündet. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Zahl der Raucher ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Inzwischen zünden sich 66 Prozent der männlichen Chinesen täglich mindestens eine Zigarette an. Bei den Frauen raucht nur jede Zwanzigste täglich. Quelle: rtr
Künstliche TannenbäumeKlar, China ist ein großes Land. Fast jeder fünfte Mensch lebt in dem Riesenreich, China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch in einigen Statistiken liegt das Land überproportional weit vorne. So ist das Riesenreich nicht nur der größte Textilproduzent, sondern auch weltweit führend in der Herstellung von künstlichen Tannenbäumen. 85 Prozent alle unechten Tannenbäume – so National Geographic – stammen aus China. Texte: Tim Rahmann Quelle: dpa
SchweinereichIn China leben nicht nur die meisten Menschen, sondern auch die meisten Schweine. 446,4 Millionen Eber und Säue lebten 2008 im Reich der Mitte, so die UN. Damit leben dort mehr Schweine als in den 43 nächst größten Ländern, gemessen an der Zahl der Tiere, zusammen. Zum Vergleich: In Deutschland werden aktuell rund 26,7 Millionen Schweine gehalten. Quelle: dpa
Geisterstädte im ganzen LandIn China wurde in den letzten Jahren massiv gebaut – auch in ländlichen Gegenden. Doch die Landflucht ließ vielerorts Geisterstädte entstehen. Mehr als 64 Millionen Wohneinheiten stehen im ganzen Land leer. Auch das größte Einkaufszentrum der Welt, … Quelle: dpa
McDonald’s allein auf weiter Flur… die "New South China Mall", hat reichlich Gewerbeflächen zu vermieten. 1500 Geschäfte finden dort Platz, 70.000 Käufer sollten täglich nach Dongguan pilgern. Doch die Realität sieht anders aus: 99 Prozent der Flächen sind unbenutzt, berichtete die britische Zeitung "Daily Mail". Nur ein paar Restaurants befinden sich in dem Gebäude, unter anderem Mc Donald’s. Quelle: AP
Bauboom geht weiterDennoch bauen die Chinesen fleißig weiter. Die Folge: Kein Land verbaut mehr Zement als China. 53 Prozent der weltweiten Nachfrage stammt aus dem Reich der Mitte, so Michael Pettis, China-Experte und Ökonom der Peking-Universität. Quelle: dpa
Barbie ist zu sexyWenn in China gerade nicht gebaut wird, werden in den zahlreichen Fabriken Güter produziert. Neben Textilien vor allem Spielwaren. Rennautos, Barbie-Puppen und Kuscheltiere: Fast 80 Prozent der deutschen Spielwaren stammen aus China. Vor Ort selbst sind Barbie-Puppen übrigens kein Verkaufsschlager. Für die Chinesen ist die kurvige Blondine zu sexy. Dort verkaufen sich vor allem niedliche Puppen. Quelle: AP

Es gibt kaum ein Land, das in China ein besseres Image hat. 67 Prozent haben laut einer Studie des chinesischen Unternehmens Huawei aus dem Jahr 2014 ein positives Bild von Deutschland (nur 51 Prozent von den USA). Es ist voller Klischees: Autos und Maschinen, Effizienz und Ordnung, Bratwurst und Kartoffeln, Schuhmacher ("Shu-Ma-He") und Schweinsteiger ("Shi-Wei-Yin-Shi-Tai-Ge"). Doch wer mit fremden, neuem Blick etwas betrachtet, sieht die großen Linien. Erst später erkennt er die feinen Unterschiede und läuft dabei auch Gefahr, sich in den Differenzierungen zu verlieren.

In den Fabriken fiel den Chinesen der saubere Fußboden auf. "Niemand steht rum", sagte ein Werksleiter aus der Provinz Anhui. "Jeder hat hier etwas zu tun, aber keiner ist gestresst." Sie bewunderten die Roboter und die digitale Durchdringung der Produktion.

Auf den Autobahnen staunten sie über die Disziplin der Fahrer. "Keiner hupt, jeder hält sich an die Regeln." Verkehrsregeln in China gleichen eher losen Handlungsempfehlungen als fixen Regeln.

An vielen Tagen bestand unser Kantinen-Essen aus einem Stück Fleisch und irgendwie weiter verarbeiteten Kartoffeln. Gelb war die vorherrschende Farbe auf dem Teller. Die Chinesen aßen es, wenn auch nicht mit Genuss, so doch immerhin mit Neugierde (und Hunger). An einem freien Nachmittag in München gingen sie drei Stunden einkaufen. Alle kamen mit denselben Produkten zurück: WMF-Messer, Rimowa-Koffer, Birkenstock-Sandalen. "Made in Germany - hen hao!" Sehr gut.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

In Nürnberg auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ließen sich einige von ihnen lachend mit Hitler-Gruß fotografieren. Geschmacklos, sicher. Aber aus der geografischen und historischen Distanz wird "Xi-Te-Le" für sie zu einem bizarren Charakter auf der Bühne der Weltgeschichte, einer tragik-komischen Figur. Tragisch, weil er Millionen von Menschen auf dem Gewissen hat. Komisch, weil er gestikulierte und herumschrie wie vom Teufel besessen. Für die Chinesen waren ohnehin die Japaner die schlimmsten. Über 20 Millionen Zivilisten starben im chinesisch-japanischen Krieg.

Am heutigen Deutschland schätzen die Chinesen den Umgang mit der Vergangenheit. Dass die Deutschen nicht müde werden, sich mit den Gräueln der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und sich und andere immer wieder an die eigene Schuld erinnern. Den Satz "Ihr habt um Entschuldigung gebeten. Das ist gut", hört man immer wieder in China. Und die chinesische Regierung wird nicht müde zu betonen, dass die Japaner genau dies eben nie getan hätten.

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