China- und Rohstoffstrategie der Bundesregierung Operation Absicherung beginnt

Helm auf: Bundeswirtschaftsminister Habeck mit neuer Rohstoffstrategie. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wenn es um geoökonomische Interessen geht, wird die Bundesregierung die Unternehmen nicht mehr einfach machen lassen – das zeigen die jüngsten internen Strategiepapiere. Die Politisierung der Weltwirtschaft schreitet voran. Ein Thema auch für den Industriegipfel am Dienstag.

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Anfang Dezember reist Robert Habeck nach Afrika. Namibia und Südafrika stehen auf dem Plan. Es dürfte um Wasserstoff gehen, überhaupt um Energie und die Pflege (neu-)entdeckter Partner, aber sicherlich auch um Rohstoffe. Gerade Südafrika ist mit großen Platin-, Palladium- oder Chromvorkommen zuletzt sehr ins Blickfeld der deutschen Politik gerückt.

Dass der unerschütterlich wirkende Standort Deutschland in Wahrheit sehr verwundbar ist und sein Wohlstand auf fragilen Pfeilern ruht, gehört schließlich zu den schmerzhaftesten Erkenntnissen dieses Jahres. Seit die Gasversorgung durch Russland buchstäblich zerbombt wurde, wächst die Sensibilität für Abhängigkeiten gewaltig, gerade im Bereich Rohstoffe und Energieträger. Aber nicht nur: Das viele Lieferketten betreffende  Klumpenrisiko China beispielsweise wurde noch nie so intensiv debattiert wie in den vergangenen Monaten – in der Hauptstadt wie in den Chefetagen.

All das dürfte Thema sein, wenn der Wirtschaftsminister am heutigen Dienstag nach Berlin zur großen Industriekonferenz einlädt, auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm wird kommen. Eine geopolitisierte Weltwirtschaft, scharfer Subventions-Wettbewerb vom transatlantischen Partner USA, dazu die Neubewertung des Verhältnisses zu Peking: In der globalisierten Welt ist gerade so ziemlich alles aus den Fugen.

Es ist nicht nur Gas: Die Regierung ist zunehmend alarmiert angesichts zahlreicher Abhängigkeiten. Eine neue Rohstoffstrategie soll das nun ändern.
von Max Haerder

Wie umgehen damit? Nun, so langsam zeigen sich erste Konturen der Lehren, die die Bundesregierung aus den Lagen ziehen will. Seit etwas mehr als einer Woche kursiert in Berlin bereits der 61 Seiten lange Entwurf der Chinastrategie aus dem Auswärtigen Amt („Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“). Darin wird gleich auf Seite 8 explizit von Moskau auf Peking geschlossen: „Einseitige Abhängigkeiten (...) können Handlungsmöglichkeiten einschränken und Ansatzpunkte sein für politischen Druck. Die Abhängigkeit vom russischen Gas haben wir mit einem hohen Preis bezahlt; ein solches Risiko dürfen wir nicht noch einmal eingehen.“

Deutlicher geht es kaum. Resilienz, Souveränität und Autonomie sind die Schlagworte der Stunde. Die Operation Absicherung hat begonnen – und die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP ist dabei offenbar gewillt, das wirtschaftliche Risikomanagement politisch deutlich stärker zu steuern als das in der Vergangenheit der Fall war. Die Ampel wird zwar kaum direkt in unternehmerische Entscheidungen eingreifen, aber durch Anreize und Vorgaben ihre Lenkungsmacht ausspielen. Auch das bedeutet Zeitenwende.

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Was mehr Politisierung konkret bedeutet, wird im Eckpunktepapier zur Rohstoffversorgung aus dem Hause Robert Habeck deutlich. Viel schlanker als die Chinastrategie, gerade mal sieben Seiten, ist das interne Papier dennoch bemerkenswert klar. Die Bundesregierung werde, heißt es gleich zu Beginn, „in Zukunft eine aktivere Rolle in Bezug auf die Sicherung einer nachhaltigen und langfristigen Rohstoffversorgung einnehmen“. Offen ist von „sich verändernden geopolitischen Lagen“ die Rede.

Dass das Papier im grünen Wirtschaftsministerium entstanden ist, merkt man sofort. Zentrale Säulen der neuen deutschen Rohstoffstrategie werden auch höhere Anstrengungen bei Effizienz, Forschung und Recycling sein, umweltfreundlichere Abbaumethoden, überhaupt ein Fokus auf soziale und ökologische Standards.



Der Kern allerdings lautet auch hier: weniger Abhängigkeit wagen. Ziel müsse es sein, dass „die Unternehmen die Lieferketten kritischer und strategischer Rohstoffe mittel- und langfristig diversifizieren“. Im Klartext: Die Zeiten, in denen Lithium für Autobatterien, Silicium für Chips oder Seltene Erden für Windräder fast ausschließlich in China gefördert und veredelt werden, müssen bald vorbei sein. Der Chef der Deutschen Rohstoffagentur Peter Buchholz, nennt das den nötigen „strategischen Blick auf Rohstoffe“. „Politik und Wirtschaft müssen die Geopolitik stärker in ihre Kalkulation aufnehmen“, fordert er.

Künftig soll es nach dem Willen des Wirtschaftsministeriums in Abstimmung mit der Agentur Stresstests bei besonders anfälligen Lieferketten geben. Das Ministeriumspapier spricht auch von, Achtung, „Lieferkettendiversifizierungspflichten“, die schrittweise eingeführt werden sollen. Zunächst dürfte es dabei wohl aber eher um die Pflicht der Unternehmen zur Risikoanalyse handeln.

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Darüber hinaus will der Bund Lagerhaltung steuerlich erleichtern und einen öffentlich-privaten Fonds aufsetzen, um Rohstoffprojekte entlang von Gewinnung über Verarbeitung und Wiederverwertung künftig selbst mit Geld ausstatten zu können. Letzter Punkt der Strategie: internationale Zusammenarbeit fördern. Bisher war vor allem Habecks Staatssekretärin Franziska Brantner als Rohstoffdiplomatin in der halben Welt unterwegs gewesen. In wenigen Tagen kann der Minister dann in Afrika selbst weitermachen.

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