




Niemals zuvor reiste Chinas Polit-Prominenz derart zahlreich nach Deutschland: Premierminister Li Keqiang nimmt 14 Minister mit auf den Staatsbesuch, der ihn am Freitag nach Berlin und am Samstag nach Hamburg führt. Im Tross der Oberen reisen zudem 110 Delegierte mit.
Insofern ließe es sich schwerlich behaupten, dass es für Chinas Elite nichts zu berichten gäbe. Doch offenbar hat Peking die hohen Herren zum Stillschweigen verdonnert: In Berlin ist am Rande der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen erst unklar, ob die Pressebegegnung klappen wird. Als sie dann stattfindet, funktioniert Li's Übersetzung nicht. Der Rest der Delegation wird weithin abgeschirmt. Das einzige Fernsehinterview, dass Li Keqiang dem NDR geben wollte, erfuhr die WirtschaftsWoche, wurde „aus terminlichen Gründen“ kurzfristig abgesagt.
Es liegt auf der Hand, dass sich Chinas Elite inmitten der überkritischen und Demokratie-vernarrten deutschen Öffentlichkeit nicht ganz wohl fühlt. Es könnten ja Fragen zum Desaster in Hongkong aufkommen, wo immer noch einige Hundert Demonstranten ausharren und gegen die zentralistisch-autoritäre Politik Pekings in der halbwegs liberalen Sonderwirtschaftszone protestieren. Allenfalls Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der am Samstag kurz auf Li Keqiang trifft, wird wohl die Chance zu einem Statement dazu bekommen.
China verbittet sich in den bilateralen Beziehungen jeden Kommentar zu „inneren Angelegenheiten“. Entsprechend vorsichtig werden die deutschen Politiker formulieren.
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Überhaupt fühlen sich die Chinesen weitaus wohler im Kreise der Wirtschaft. Darum besucht die Delegation am Samstag auch die China-Konferenz der Handelskammer Hamburg, die bereits am Freitag beginnt.
Eitel Sonnenschein herrscht freilich auch in Hamburg nicht. Die Chinesin Mingming Liu, die den deutschen Anlagenbauer Voith in Asien vertritt, erhält einen unsanften Rüffel vom Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer auf eine pikante Position: Verlage müssten besser gemanagt werden, damit sich in deutschen Medien das China-Bild verbessere. Nur einer von vielen Momenten, in denen die kulturellen Verständnisprobleme zwischen beiden Nationen offenbar werden.
Vor allem aber trüben sich die wirtschaftlichen Aussichten in China ein. „Es geht mit Chinas Wirtschaft langsam bergab, es geht mit der Weltwirtschaft bergab“, warnt Stefan Sack von der EU-Handelskammer in China (EUCCC).
Tiefgreifende Reformen habe Peking versprochen, aber in vielen Bereichen sehe er keine Bewegung. Die versprochene Privatisierung scheine zur Teilprivatisierung zu werden. Die Innovationspolitik sei „sehr nationalistisch“ und Forschung vollziehe sich auf Befehl von oben.
Selbst die vor einem Jahr als liberalisierte Oase eröffnete Sonderwirtschaftszone in Pudong nahe Shanghai unterscheide sich wenig von anderen Gewerbegebieten im Land. Eine Öffnung sei aber nötig: „Der Reformkurs sollte kein Spaziergang sein, sondern ein Springt werden“, so Sack.
China-Experte Sebastian Heinemann bremst ebenfalls die Erwartungen. Das Reformprogramm von Staatspräsident Xi Jingping sei eine „extrem ambitionierte Agenda“, sagt der Direktor des Forschungsinstituts Merics. Es rechne mit sieben Jahren, die die Implementierung des Reformprogramms brauche. Denn das habe es in sich.
China will weg vom Wirtschaftsmodell, das auf Investitionen und Exportwachstum basiert. Künftig sollen Wachstum und Wohlstand aus dem Zuwachs beim Binnenkonsum generiert werden. Doch dafür muss erst die eigene Produktion angekurbelt werden.
Das sei das schwierigste, was man in puncto Wirtschaftsreformen anpacken könne. Jetzt sei ein „softer Niedergang“ zu beobachten, so Heilmann mit Blick auf die etwas schwächeren Wachstumsprognosen. „Und es ist offensichtlich, dass das einigen Kopfschmerzen bereitet.“