Christian Lindner „Die AfD ist keine Partei, sondern ein Geschäftsmodell“

FDP-Chef Christian Lindner macht sich für einen kraftvollen Liberalismus stark. Quelle: Marc-Steffen Unger

Die große Koalition kommt, die AfD mischt den Bundestag auf, die Weltpolitik ist in Aufruhr - FDP-Chef Christian Lindner will einen kraftvollen Liberalismus dagegen setzen: mit innovativen Vorstößen und klarer Haltung.

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Montagabend in Berlin-Mitte, Tag 1 nach dem Ja der SPD zur großen Koalition. Berlin bekommt endlich eine Bundesregierung und in den USA zettelt US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg an. Mehr als genug politischer Stoff für Christian Lindner, den FDP-Chef. Im exklusiven Gespräch mit WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli und Chefreporterin Elisabeth Niejahr beim WirtschaftsWoche Club zeigt sich der Vorsitzende der Liberalen sortiert, schlagfertig, angriffslustig.

„Opposition ist nicht Mist.“
Auch fast vier Monate nach dem Jamaika-Aus muss sich Lindner diese Frage stellen lassen: Warum Opposition? Warum nicht in der Regierung gestalten - samt Ministerposten? Der Polit-Shootingstar verweist da gern auf die Grünen. Die wollten den Menschen das Leben mit Verboten, Subventionen und Quoten vermeintlich erleichtern. Nichts für die FDP. „Das sind zwei von Grund auf verschiedene Ansätze. Eine von beiden Parteien hätte ihr Gesicht verloren und ihre Versprechen brechen müssen.“ Dem berühmten Satz des einstigen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering - „Opposition ist Mist“  - kann Lindner nichts abgewinnen. Er sehe die Aufgabe seiner Partei nun darin, die Regierung nicht nur zu kontrollieren, sondern innovativere Gegenvorschläge einzubringen. Eine erste Gesetzesinitiative ist schon in Vorbereitung: die Abschaffung des Solidaritätszuschlages.

„Die AfD ist keine Partei, sondern ein Geschäftsmodell.“

Scharfe Kritik geht in Richtung der AfD: Die Partei ermögliche Menschen, die ihre beruflichen Ziele nicht erreicht hätten, eine gut dotierte parlamentarische Laufbahn, so Lindners Urteil. „Ich versuche in den Bundestagsdebatten, dem totnüchtern entgegenzutreten - und meine Redezeit nicht darauf zu verwenden, die AfD-Reden auseinander zu schrauben.“ Man solle der Partei nicht mehr Raum geben, als sie verdiene, warnt Lindner. Je mehr Energie man ihr widme, desto stärker würde sie.

„Opposition ist nicht Mist.“

„Die FDP ist angetreten für das Gegenteil von ´Weiter so´: für Aufbruch und Erneuerung.“
Wer wollte, der könnte dieser Tage Strichlisten führen: Das Wort „Erneuerung“ taucht in vielen Politiker-Statements auf. Und zwar über die Grenzen der FDP hinweg. So viel muss man den Liberalen jedoch lassen: sie waren die Trendsetter. Aber eben diese Erneuerung sei mit einer Kanzlerin, die zwölf Jahre im Amt ist, nicht möglich, sagt Lindner. Daran ändere auch ihre neue „Kronprinzessin“ Annegret Kramp-Karrenbauer nichts. Ihre gesellschaftspolitischen Einstellungen seien „fast anti-modern“. Für eine verfassungsrechtliche Amtszeitbegrenzung spricht er sich trotzdem nicht aus. „Die Amtszeit muss durch die Wähler begrenzt werden - und durch jungen Partei-Nachwuchs, der den Mut hat zu kandidieren.“ Ein nur halbdezenter Hinweis an den Lindner-Freund Jens Spahn von der CDU.

„Wir brauchen dort mehr Europa, wo es einen Mehrwert hat. Differenzierung ist das Schlüsselwort.“
Ja zu mehr Europa, aber nicht überall, das ist die Überzeugung des liberalen Vormanns. Einen Mehrwert bringe die europäische Zusammenarbeit beispielsweise in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ebenso wie bei der Digitalisierung. Mehr Personal für die EU-Grenzschutzeinheit Frontex halte die FDP daher für sinnvoll. In anderen Bereichen, wie beispielsweise der Gesundheitspolitik, sei es richtig, der Europäischen Union die Zuständigkeiten vorzuenthalten. „Von den Vereinigten Staaten von Europa sind wir weit entfernt“, sagt Lindner.

„Was die Außenpolitik anbelangt ist Trump hinter dem Befürchteten zurück geblieben.“
Mit dieser Formulierung sorgte der FDP-Vorsitzende für einen Lacher unter den Zuhörern. Nichtsdestotrotz sei der US-Präsident gefährlich und setze beispielsweise die Wirtschaftsbeziehungen aufs Spiel. Lindner sprach sich für den globalen Austausch aus: „Die Antwort auf Trump müssen CETA und ein Freihandel mit Japan sein.“ Dennoch sei die wachsende Einflussnahme von chinesischen Investoren in Deutschland nur hinnehmbar, wenn diese Möglichkeiten auch für deutsche Investoren in China bestünden. „Unsere gesellschaftliche Freiheit führt zu einem Standortvorteil gegenüber China“, so Lindner. Deutschland bliebe trotz Regulierungen, wie beispielsweise im Datenschutz, wettbewerbsfähig.

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