Civey-Chefin Janina Mütze Die Kanzlerin geht – und doch bleibt die Macht bei den Frauen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Quelle: dpa

16 Jahre lang wurde Deutschland von einer Kanzlerin regiert. Nach der Bundestagswahl 2021 dürfte ein Mann an der Spitze stehen – und dennoch sind es die Frauen, die entscheiden, wie es politisch weitergehen wird in diesem Land. Ein Gastbeitrag.

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Janina Mütze ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von Civey, dem deutschen Vorreiter für digitale Markt- und Meinungsforschung in Echtzeit.

Ich weiß noch nicht, ob ich bereit bin für einen Mann als Kanzlerin“ – der Satz wird halb im Scherz, halb im Ernst regelmäßig in den sozialen Netzwerken gepostet, aber so oder so drückt er aus, wie sehr man sich nach 16 Jahren an eine Frau an der Spitze gewöhnt hat. Die Frage nach einem Mann als „Kanzlerin“ ist allerdings – um es direkt mit Angela Merkels (CDU) Worten zu beantworten – alternativlos. Nach ihrer Kanzlerinnenschaft stellt sich nur noch die Frage, welcher Mann es denn aus der Unionsreihe sein darf. Denn die eindeutigen Umfragegewinner sind mitten in der Coronapandemie die Unionsparteien. Ein Ende dieser Erfolgswelle ist nicht abzusehen.

Als Person sind es vor allem Merkel, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die durch ihre Präsenz in der Krise in der Wählergunst punkten konnten, während das SPD-Personal trotz Verantwortung in der Regierung daran scheitert, Erfolge für sich zu verbuchen. Eine starke Profilierung von Olaf Scholz fehlt. Gerade einmal drei von zehn Deutschen sehen in ihm einen guten Bundeskanzler.

Grüne haben’s im Wahlkampf besonders schwer

Die Civey-Chefin Janina Mütze ist für die Macht der Frauen. Quelle: PR

Ähnlich schwer haben es die Grünen. Aus Sicht der nach wie vor zweitstärksten Partei mag es sinnvoll sein, zum ersten Mal einen Kanzlerkandidaten oder eine -kandidatin zu nominieren. Die Chancen, von Platz zwei auf Platz eins zu kommen, sind allerdings seit Pandemiebeginn stark gesunken. Ein Kanzler Robert Habeck oder eine Kanzlerin Annalena Baerbock sind heute genauso unwahrscheinlich wie ein Kanzler Scholz. Dabei wird der Wahlkampf für die Grünen besonders herausfordernd. Umwelt- und Klimathemen sind mit den Fragen nach Gesundheit und Wirtschaft aus dem Fokus vieler Bundesbürger geraten. Zudem sind die eigenen Anhänger mehrheitlich zufrieden mit dem Krisenmanagement der großen Koalition und unterstützen die bisherigen Schutzmaßnahmen. Das erschwert es, aus der Opposition heraus anzugreifen.

Die Union kann also mit breiter Brust ins Superwahljahr starten. Wenn die Delegierten des CDU-Parteitags in rund einer Woche über den Parteivorsitz entscheiden, tun sie das auch mit Blick auf das Wahlfinale im Bund. Der neue Parteivorsitzende als nächster Kanzler – so der Plan der Kandidaten und ihrer Anhänger. Ob der künftige Kanzler dabei Armin Laschet, Norbert Röttgen oder Friedrich Merz heißt, können die 1001 Delegierten beeinflussen. Ob der Plan der Kanzlerschaft aufgeht, wird allerdings erst im September entschieden. Und dann nicht von Delegierten einer Partei, die zu fast drei Vierteln aus Männern besteht, sondern von Wählern und insbesondere Wählerinnen. Das zu berücksichtigen ist wichtig.

Laschet, Röttgen, Merz: Wer gewinnt weibliche Wähler?

Denn gerade aus Unionssicht kommt es auf die Frauen an. Das bestätigt ein Blick in die Zahlen: Der weibliche Stimmenzuwachs für CDU/CSU ist in der Coronapandemie stärker gestiegen als der der Männer. Es sind insbesondere die Frauen, die das Krisenmanagement der Bundeskanzlerin als sehr gut bewerten. Ob sie jedoch am Ende ihr Kreuz bei der Union machen werden, wenn dies keine Stimme mehr für Angela Merkel ist, hängt am Kandidaten. Das Risiko, die weiblichen Stimmen nicht auszuschöpfen, besteht für alle drei Kandidaten. Mit Ausnahme von Laschet, dessen Zustimmungswerte in der Bevölkerung insgesamt gering ausfallen, profitieren heute Norbert Röttgen und insbesondere Friedrich Merz von männlicher Zustimmung. Sollte der große Monolith Union, der gerade alle Umfragen überstrahlt, für die Konkurrenzparteien an einer Stelle angreifbar sein, ist es hier. Gleichwohl müssten Scholz, Habeck und Baerbock bei Wählerinnen ebenfalls noch Überzeugungsarbeit leisten.

Auch inhaltlich könnten die Unionsparteien Federn lassen. So machen sie aus Wählersicht zwar aktuell vieles richtig und erfahren hohe Kompetenzzuschreibungen in fast allen Gebieten. Nur: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und das macht jeden Krisenmanager ab einem gewissen Punkt angreifbar. Ausruhen darf sich die Union nicht, das haben fallende Zufriedenheitswerte im Herbst gezeigt. Bei hohen Infektionsraten sorgen sich die Menschen vor Ansteckung, sozialer Isolation und fehlenden Freiheiten. Sie spüren deutlich, welche Antworten in der Krise auch zum Zeitpunkt der zweiten oder gar dritten Welle noch nicht gefunden wurden.

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Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl ist jede zweite Wählerin der Meinung, dass der zukünftige Kanzler eine tragende Rolle im Krisenmanagement der Coronapandemie gespielt haben sollte. Ein Nachteil für zwei der drei zur Wahl stehenden CDU-Spitzenkandidaten, die die Tür zum Kanzleramt für andere wie Spahn oder Söder öffnen könnten. Zwar kandidiert Spahn nicht für den CDU-Vorsitz, und Söder behauptet, weiterhin seinen Platz in Bayern zu sehen, doch genießen beide Vertrauen in der Bevölkerung, Söder insbesondere auch bei Wählerinnen.

In einer Zeit, in der die Ära Merkel zu Ende geht und Deutschland in einem permanenten Krisenmodus ist, spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Sich dieses bei den Wählerinnen zu erarbeiten stellt für manch einen Unionskandidaten noch einen langen Weg dar.

Mehr zum Thema: Kanzlerin Merkel biegt auf die Zielgerade ihrer Berufskarriere ein. Klar ist: Wir werden sie vermissen. Aber nicht ihre politische Ambitionslosigkeit.

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