Corona-Hilfen Das neue Kreditprogramm für den Mittelstand

Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister, und Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister und Vizekanzler, bei einer Pressekonferenz zu Unterstützungsmaßnahmen für den Mittelstand. Quelle: dpa

Die Bundesregierung will mit einem erneuerten Programm eine Pleitewelle speziell im Mittelstand verhindern. Der viel diskutierte Knackpunkt: Die neuen Hilfen beinhalten Kredite mit 100-prozentiger Staatshaftung.

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Die Bundesregierung hat Erleichterungen für den Mittelstand bestätigt, damit kleinere Firmen in der Coronakrise schneller an dringend benötigte Hilfskredite kommen. Banken müssten künftig nicht mehr prüfen, ob die Unternehmen als Kreditnehmer eine wirtschaftliche Perspektive hätten, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Montag in Berlin. Der Staat übernehme das Ausfallrisiko bei Krediten in Höhe von bis zu 800.000 Euro komplett. Es sei aber mit Kriterien aus der Vergangenheit sichergestellt, dass die Unternehmen eigentlich gesund seien. Der SPD-Politiker rechnet deswegen nicht mit übermäßig vielen Ausfällen. Zahlreiche Mittelständler dürften die Darlehen in Anspruch nehmen, so Scholz.

Banken sind damit bei Mittelständlern zeitlich begrenzt bei Darlehen aus der Haftung raus. Kleinere Unternehmen sollen drei Monatsumsätze aus dem Jahr 2019 als Hilfskredit bekommen. Bei Firmen mit elf bis 49 Mitarbeitern liegt die Obergrenze bei 500.000 Euro, bei über 50 Beschäftigten sind es 800.000 Euro. Die Laufzeit der Darlehen ist auf zehn Jahre angelegt, wovon zwei Jahre tilgungsfrei sein können. Die Unternehmen dürfen bis Ende 2019 nicht in Schwierigkeiten gewesen sein, um diese Hilfe mit kompletter Staatshaftung zu bekommen. Im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre müssen Gewinne nachgewiesen werden. Dafür werden für die Kredite dann aber keine Sicherheiten mehr benötigt und auch die Risikoprüfung entfällt.

Die KfW trägt beim Sonderkreditprogramm bisher bis zu 90 Prozent des Kreditrisikos. Aus der Wirtschaft waren wiederholt Klagen laut geworden, Kreditprüfungen der Hausbanken seien zu aufwendig und Kredite würden nicht vergeben, weil Firmen in der derzeitigen Krise nicht kreditwürdig seien.

Die Hausbanken hafteten bislang schon nur mit 10 bis 20 Prozent der Kreditsumme, falls ein Unternehmen in die Pleite rutscht. Das Hauptrisiko trägt die Förderbank KfW, stellvertretend für den Bund. Sie vergibt offiziell den Corona-Hilfskredit der Bundesregierung.

Allerdings vergibt die KfW die Kredite nicht selbst. Kunden müssen einen ganz gewöhnlichen Kreditantrag bei ihrer Hausbank stellen. Diese prüft dann, ob ein Unternehmen berechtigt ist, ein Darlehen zu erhalten. Damit das Geld schnell fließen kann, prüft in erster Linie die Hausbank. Die KfW verzichtet teilweise nämlich darauf, die Anträge selbst noch mal zu prüfen.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte vergangene Woche im Interview mit der WirtschaftsWoche, dass das bisherige Modell mit einer staatlichen Haftungsquote zwischen 70 und 90 Prozent für viele Unternehmen ausreichend war. „Für einen Großteil der Betriebe genügt solch eine Quote, um die Risiken für die Banken zu minimieren“, sagte Fratzscher. „Aber: Bei manchen müsste der Staat vollkommen dahinterstehen. Wir brauchen also ein flexibleres System für die Kreditgarantien.“

Die EU-Kommission hatte bereits am Freitagabend grünes Licht für eine komplette Staatshaftung bei Krediten bis 800.000 Euro gegeben. Dadurch können Darlehen schneller ausgezahlt werden, weil die Prüfung der Bonität wegfällt. Kritiker warnen allerdings, dass sich so eine Welle von Problemkrediten aufbauen könnte, für die am Ende der Steuerzahler geradestehen muss. Vor allem weil es wahrscheinlich ist, dass trotz der großzügig wirkenden Kredithilfen längst nicht alle Unternehmen überleben werden – denn viele brauchen eben mehr als 800.000 Euro.

Auch Fratzscher warnte im Gespräch mit der WirtschaftsWoche davor, dass ausgerechnet der entscheidende Vorteil, dass die Banken keine so akribische Prüfung durchführen müssten und das Geld schneller bei den Unternehmen ankäme, zum Nachteil werden. „Wenn die Banken keine Haftung mehr übernehmen müssten, würden sie weniger darauf achten, ob die Unternehmen die Krise überstehen und die Kredite begleichen können“, so der DIW-Präsident. Mit einer flächendeckenden hundertprozentigen Staatshaftung würden somit die Mechanismen der Banken komplett aushebeln. „Damit könnten Missbrauch und Mitnahmeeffekten Tür und Tor geöffnet werden.“ Im schlimmsten Fall drohe ein erheblicher gesamtwirtschaftlicher Schaden.

Mit Material von dpa und Reuters

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