Corona-Hilfen Zwei-Milliarden-Hilfspaket für Start-ups zeigt Mängel in der Umsetzung

Zwei Milliarden Euro ist das Hilfspaket der Regierung für junge Digitalunternehmen und kleine Mittelständler schwer. Doch die Mittel fließen nur langsam ab. Quelle: dpa

Mit zwei Milliarden Euro will die Regierung Start-ups in der Coronakrise unterstützen – doch die Hilfsgelder fließen nur langsam ab. Hinzu kommt ein erhebliches regionales Gefälle, bei dem Berlin und Bayern profitieren.

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Die schlechten Nachrichten kamen via Zoom: 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entlassen, rund ein Sechstel der Belegschaft, das wurde der GetyourGuide-Belegschaft vor wenigen Wochen im Online-Meeting mitgeteilt. Wie das Berliner Reise-Start-up kämpfen derzeit viele junge Techfirmen mit den Folgen der Coronakrise: Fast jedes zweite Start-up sieht sich existenziell bedroht, zeigte eine Bitkom-Studie bereits Anfang Juni – eine Lage, die sich jetzt im zweiten Lockdown verschärfen dürfte.

Doch wie viele Start-ups seit dem Beginn der Krise Ende Februar tatsächlich Insolvenz anmelden mussten, ist der Regierung bisher nicht bekannt. Wie aber will sie dann wissen, welche Hilfen für die junge Tech-Branche gebraucht werden – und ob die bisherigen Rettungsmaßen überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten?

Zwei Milliarden Euro ist das Hilfspaket der Regierung für junge Digitalunternehmen und kleine Mittelständler schwer. Doch die Mittel fließen nur langsam ab, wie die Antwort des Wirtschaftsministeriums (BMWi) auf eine kleine Anfrage von Danyal Bayaz, dem Start-up-Beauftragten der Grünen im Bundestag, zeigt. Bayaz ist alarmiert: „Angesichts der anhaltenden Krise darf uns hier kein weiteres Innovationspotenzial wegbrechen“, warnt er.

Das Hilfspaket besteht aus zwei Säulen: Die erste Säule richtet sich an Wagniskapitalfonds als Kapitalgeber der Unternehmen. Sie sollen über die sogenannte Corona-Matching-Fazilität die öffentlichen Mittel mit eigenen Investitionen aufstocken. Die Mittel werden über die KfW bereitgestellt, wo sich laut BMWi fünf Mitarbeiter um die Anfragen kümmern. Für die Auszahlung der Gelder aus der zweiten Säule sind die Länder zuständig.

Aus der ersten Säule wurden bis Mitte Oktober nach Angaben von Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, 79 Anträge gestellt. Davon wurden zwar 39 Anträge mit einem Volumen von 855 Millionen Euro genehmigt – final unterzeichnet worden sind bisher jedoch nur 17 Verträge über ein Volumen von 618 Millionen Euro für insgesamt 255 Start-ups.

Ausgezahlt worden sind sogar bisher nur 50 Millionen Euro. Offensichtlich gibt es also bei den Hilfsanträgen einerseits eine recht geringe Erfolgschance von rund 21 Prozent. Und andererseits in der finalen Phase offenbar Probleme beim Vertragsabschluss. Schließlich wird von den genehmigten Anträgen nur die Hälfte von den Fondmanagerinnen und -managern unterzeichnet. Zu viel Bürokratie, statt gezielte Bazooka-Salven für die Start-ups?

Gestellt werden die Anträge nach Angaben von Nußbaum vor allem zur Finanzierung mittelgroßer Start-ups: 207 der 255 Firmen haben mehr als zehn Mitarbeiter, 58 Start-ups beschäftigen mehr als 50 Mitarbeiter, wobei es zur Höhe ihres bislang aufgenommenen Kapitals keine Informationen gibt, da dies bei der Antragstellung nicht erhoben wird. Keine Aussage gibt es aus diesen Gründen auch darüber, wie viele der Start-ups von Frauen gegründet wurden – obwohl dies angesichts der geringen Gründungsquote unter Frauen eine wichtige Information für künftige Maßnahmen sein könnte.



Bemerkenswert sind bei den Hilfsmaßnahmen weiter zwei Verteilungsgefälle: Einerseits nach Branchen, andererseits nach Regionen. So stammt die Mehrheit der Start-ups, die unterstützt von dem Hilfspaket finanziert werden sollen, mit 64 Prozent aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT). 18 Prozent kommen aus dem Bereich Industry-Tech, 13 Prozent aus den Life-Sciences, die Kategorie „Sonstige“ macht 5 Prozent aus. Keine Angabe werden gemacht zum Bereich Clean Tech oder nachhaltige Mobilität.

Auffällig ist zudem die regionale Verteilung: Die Mehrheit der Start-ups, für die Anträge unterzeichnet wurden, stammt aus Berlin (89), gefolgt von Bayern (63). In Nordrhein-Westfalen werden dagegen nur 24 Start-ups gefördert, in Baden-Württemberg sind es lediglich 18, obwohl es dort laut Start-up-Monitor 2020 jeweils ähnlich viele Gründungen gibt, in Bayern sogar etwas weniger. Schlusslicht bei den Anträgen ist Sachsen-Anhalt mit nur einem Start-up, für das nur ein Förderantrag gestellt wurde. Davor liegen Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit jeweils zwei Start-ups.

„Die regionale Schieflage deutet auf keine angemessene Verteilung in der Fläche“, kritisiert Bayaz. Die Bundesregierung solle deshalb das Gespräch vor Ort suchen und die Bedenken aus der Community ernst nehmen, mahnt er, denn: „Noch immer kommen zu wenig Hilfen bei Start-ups an“.


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Während das Zwei-Milliarden-Hilfspaket offensichtlich Mängel in der Umsetzung aufweist, arbeitet die Regierung weiter am Zehn-Milliarden-Zukunftsfonds, mit dem mehr Anreize für Wagniskapital in Deutschland gesetzt werden sollen. Doch auch dieses Vorhaben droht zu verwässern, wie die Wirtschaftswoche bereits berichtete.

Bayaz mahnt deshalb Tempo an. „Die Bundesregierung muss jetzt auch beim Thema Zukunftsfonds endlich liefern“, sagte er: „Wir sollten mehr Kapital mobilisieren, um in strategisch wichtige Themen wie Nachhaltigkeit, Gesundheitswirtschaft oder künstliche Intelligenz zu investieren.“

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