Corona-Impfstoff „Dann klappt es – und man rettet die Welt“

Quelle: imago-images, PR

Der Corona-Impfstoffentwickler Biontech hat Mainz als Standort für Biotechnologie weltweit bekannt gemacht. Nun erwartet Uni-Präsident Georg Krausch vermehrt Ausgründungen aus der Universität – das Biontech-Virus des Erfolgs soll dabei nach Kräften helfen. Teil 6 von „Nächster Halt: Aufbruch“, unserer Serie zur Bundestagswahl.

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Dieser Artikel ist Teil unserer Serie zur Bundestagswahl 2021: Wir folgen der längsten IC-Strecke Deutschlands – vom Südwesten bis in den Nordosten. Nächster Halt: Aufbruch – Fahrt durch eine unterschätzte Republik

Georg Krausch ist Physiker und Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

WirtschaftsWoche: Herr Krausch, mit dem Impfstofferfolg von Biontech bekommt auch der Unternehmens- und Forschungsstandort Mainz mehr Aufmerksamkeit, was Sie als Präsident der Universität freuen dürfte. Ziehen Sie jetzt Scharen von Studierenden an, die dem Erfolg von Biontech als Uni-Ausgründung nacheifern wollen?
Georg Krausch: Biontech ist ja keine Corona-Bekämpfungsfirma. Das Unternehmen arbeitet seit seiner Gründung 2008 an innovativen Krebstherapeutika. Schon vor der Pandemie konnte es deshalb in New York erfolgreich an die Börse gehen. Aber die weltweite Aufmerksamkeit für den Standort Mainz ist jetzt dank des Corona-Impfstoffs gekommen – und ich bin sicher, dass das Studierende und auch Wissenschaftler anlocken wird, auch, wenn wir dazu noch keine konkreten Zahlen haben.

Wie sehr motiviert Biontechs Erfolg denn die aktuellen Studierenden, ebenfalls Start-ups zu gründen?
Wir regen unsere Studierenden schon länger an, über Selbständigkeit nachzudenken. Der Erfolg von Biontech hat hier sicher einen motivierenden Einfluss, so dass es in den nächsten Jahren mehr Spin-offs von Studierenden und Forschungsgruppen geben wird. Auch Gruppen anderer Unis zeigen schon Interesse, in Mainz auszugründen. Darüber hinaus wollen sich bereits bestehende Biotech-Firmen in Mainz ansiedeln.

Physiker und Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Georg Krausch. Quelle: Presse

Und Ihre besten Doktoranden schicken Sie gleich auf kurzem Wege zu Biontech, damit der Strom an Fachkräften dort nicht versiegt?
Unter Biotechnologen müssen Sie dafür keine Werbung machen. Die Gründer Uğur Şahin und Özlem Tureci sind beide auch weiterhin Professoren bei uns, halten den Kontakt und kennen noch viele Leute an der Uni. Aber natürlich braucht Biontech auch andere Fachkräfte, da sind wir im Gespräch, um weitere Verbindungen herzustellen. Mainz ist ja von überschaubarer Größe, da ist es relativ leicht, zusammen zu kommen.

Wie sehr befürchten Sie, dass ein größeres Institut wie das Krebsforschungszentrum in Heidelberg oder eine Eliteuni aus dem Ausland Biontech stärker an sich binden, Ihnen womöglich abspenstig machen könnte?
Dass die Gefahr der Abwanderung besteht, liegt auf der Hand. Natürlich würde man Uğur Şahin und Özlem Tureci an vielen Stellen einen roten Teppich ausrollen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie hierbleiben, weil Mainz ein Standort ist, an dem sie ihre Ziele gut und zügig erreichen können. Darum kümmere ich mich als Unipräsident und als Koordinator des Landes für die Entwicklung des Biotechnologie-Standorts Rheinland-Pfalz.

Ein weltweit bekanntes Unternehmen macht allerdings noch kein erfolgreiches Cluster.
Deshalb entwickeln wir derzeit einen Biotechnologie-Campus in Mainz, ein Teil davon wird auch von Biontech genutzt werden. Es gibt aber auch Platz für Neuansiedlungen, um den Kreis der Biotech-Firmen zu erweitern. Das alles muss zügig gehen, denn wenn ein dynamisches Unternehmen nach zusätzlicher Fläche fragt, darf die Antwort nicht zu lange dauern, sonst ist die Firma weg. Auf dem Campus sollen im Übrigen auch Wohnungen, eine Kita und Läden entstehen. Wenn Unternehmen in großem Stil Mitarbeiter einstellen, müssen die auch irgendwo leben.

Das ist klassische Wirtschaftsförderung. Was unternimmt die Universität selbst, um die Verbindung zu ihrer wichtigsten Ausgründung zu halten?
Wir versuchen, die immunologische Forschung auf Spitzenniveau zu halten, die besten Leute zu berufen und weiter zu investieren. Das ist das Wichtigste. Land und Universität investieren seit drei Jahrzehnten in den Bereich Immunologie – allein seit 2008 etwa 10 Millionen Euro in der Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz – und dort hat Biontech-Mitgründer Christoph Huber damals begonnen, nach einer Alternative zur Chemotherapie für die Behandlung von Krebs zu suchen. Darüber hinaus gibt es eine ganz konkrete Verbindung: Bis heute mietet Biontech sein Gebäude von der Universitätsmedizin Mainz …

…der Firmensitz an der mittlerweile Programm gewordenen Adresse: An der Goldgrube 12.
Der Mietvertrag ist Teil des Pakets, mit dem die öffentliche Hand Biontech unterstützt hat. Seit 2011 betreiben die Universität, ihre Medizin und das Land außerdem eine Transfergesellschaft, um Dinge weiterzuentwickeln, die die Möglichkeiten eines Universitätslabors übersteigen. Wenn Forschung an dem Punkt ist, dass klinische Studien nötig werden oder Prototypen produziert werden müssen, ist das zum Beispiel der Fall.

Nächster Halt: Aufbruch

Fahrt durch eine unterschätzte Republik

#btw2021


Von seiner ursprünglichen Geschäftsidee, den Krebsmedikamenten, verkauft Biontech bisher kein Produkt. Wie sehr haben Sie und andere Verantwortliche an der Universität vor dem Impfstofferfolg daran gezweifelt, ob da tatsächlich ein erfolgreiches Unternehmen entsteht?
Natürlich war zu Beginn nicht klar, wie sich das Unternehmen entwickeln wird. Der beste Weg ist: Exzellente Forscherinnen und Forscher rekrutieren und ihnen Vertrauen schenken. Wenn man zu kurzfristig auf Anwendungen schielt, läuft man Gefahr, in der Nähe des Bekannten zu bleiben. Echte Innovation kommt aus freier Grundlagenforschung. Natürlich ist Qualitätssicherung wichtig. Manchmal zeigt sich das Anwendungspotenzial der Forschung aber eben erst Jahrzehnte später. Dann klappt es – und man rettet die Welt.

Mehr zum Thema: Dieser Artikel gehört zu unserer Serie zur Bundestagswahl 2021. Wir folgen der längsten IC-Strecke Deutschlands – vom Südwesten bis in den Nordosten. Nächster Halt: Aufbruch – Fahrt durch eine unterschätzte Republik

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