Corona Wie die Ampel 80 Prozent Impfquote schaffen kann (oder auch nicht…)

Quelle: dpa

Die neue Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz setzt sich ehrgeizige Ziele zur Bekämpfung der Pandemie. Eines davon hat sie erreicht, ein zweites dagegen gerissen. Kann die Koalition nun die neue Schwelle packen?

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Immerhin: Die Schlange ist kurz. Sie ist sogar ziemlich kurz verglichen mit den Zuständen, die sich teilweise in den Wochen vor Weihnachten abspielten, als Menschen vor Impfzentren zum Teil mehrere hunderte Meter lang aufgereiht bei Regen und Wind im Freien auf ihre Termine warten mussten.

Es ist Montag, 27. Dezember, vor dem Impfzentrum Berlin im ICC, diesem verwaschen grauen Raumschiff von Kongresshalle, das im Westen der Hauptstadt zwischen Autobahnkreuz, Funkturm und Messe niemals abheben wird.

Die wenigen, die dort am ersten Tag nach Weihnachten anstehen, müssen also nicht lange warten, was angesichts der zerrenden Winterkälte nur gut ist. Für Kinder gibt es sogar einen separaten Eingang. Allein: Der geringe Andrang belegt, was die offiziellen Zahlen bereits nahelegten. An Heiligabend wurden nur 74.000 Spritzen gesetzt, am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag zusammen gerade einmal weitere 100.000. Kein Vergleich zu den Tagen zuvor, als es allein von Montag bis Donnerstag fast vier Millionen Spritzen ihren Weg in Oberarme fanden.



Die deutsche Impfkampagne gerät zwischen den Jahren eben doch ins Stocken – trotz aller Versprechen und Ansagen von Olaf Scholz bis Karl Lauterbach. Den neuen Kanzler und sein Gesundheitsminister (beide SPD) eint, dass sie klare und ehrgeizige Ziele setzen und verkünden – auch auf die Gefahr hin, diese zu reißen. 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten lautete das erste Ampel-Versprechen, und das wurde erfüllt. Eine (Erst-)Impfquote von 80 Prozent bis 7. Januar lautete die zweite Marke, sie hingegen wird nicht zu schaffen sein. Zum Stand 27. Dezember liegt sie bei ziemlich genau 74 Prozent. Weit weg also.

Nicht schlecht, und nicht richtig gut

Alles zusammen genommen offenbart sich ein zwiespältiges Bild der deutschen Coronabekämpfung: Die Kurve der Booster-Impfungen zieht seit einigen Wochen mit geradezu pandemischer Dynamik nach oben, die der Erstimmunisierungen kann allerdings kaum eine Kurve genannt werden. Die Überzeugten sind nur noch überzeugter – die Skeptiker und Faulen, die Ängstlichen und der harte Kern der Leugner hingegen bleiben bisher meist, was sie schon waren. (Was die Verhaltensökonomin Tarja Zingg über Impfskeptiker und die Chancen, sie doch noch umzustimmen, denkt, erfahren Sie hier.)

Schon gibt es jedoch einen neuen Fluchtpunkt für die Pandemiebewältigung: statt bis Anfang Januar soll die 80-Prozent-Schwelle nun bis Ende des Monats erreicht sein, gibt die Bundesregierung vor. Ist die Marke im zweiten Anlauf leichter zu erreichen?

Das Robert Koch Institut zählt nach den jüngsten verfügbaren Zahlen bislang 61,4 Millionen Deutsche, die mindestens einmal geimpft sind. Erreicht oder übertroffen wurde die 80er-Schwelle bislang erst im Saarland (genau 80 Prozent) und in Bremen (mehr als 86), am weitesten entfernt ist Sachsen (63). Nach Altersgruppen sind unter den 18- bis 59-Jährigen 77,3 Prozent erstgeimpft, unter den 12- bis 17-Jährigen 59,2 Prozent. Bei ihnen durfte die Kampagne allerdings auch erst deutlich später beginnen. Das Ziel längst erreicht hat die Generation Ü60 mit 88,2 Prozent.

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Um angesichts dieser Ausgangslage die gesamtdeutsche Quote von den derzeit 74 auf 80 Prozent zu schrauben, müssten weitere etwas mehr als fünf Millionen Bürgerinnen und Bürger in den kommenden rund fünf Wochen von einem Piks überzeugt werden. Anders gerechnet: Bis zum 31. Januar wären von heute an im Schnitt jeden Tag rund 150.000 Erstimpfungen nötig.

Klingt zunächst nicht viel, wenn man bedenkt, dass im Dezember die alten Rekordwerte aus dem Sommer mit teilweise mehr als 1,6 Millionen Impfungen täglich noch einmal übertroffen wurden. Ein genauer Blick in die Statistik offenbart allerdings auch: die Zahl von 150.000 Erstimpfungen wurde bisher an keinem einzigen Dezembertag erreicht – und zwar nicht mal annähernd. Meist lag sie im mittleren, mal hohen fünfstelligen Bereich, nur an wenigen Tagen war sie knapp sechsstellig.

Wenn die Zahl der Erstimmunisierungen also nicht selbst einen Booster erfährt, wird die Ampel unter den neuen Kanzler Scholz bald schon das zweite zentrale Corona-Ziel kassieren müssen.

Mehr zum Thema: Das Ampel-Spitzengespräch: Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing und SPD-Chef Lars Klingbeil über Impfpflicht und Planungsturbo, das Vorbild Biontech und den Standort Deutschland.

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