Die Debatte um eine Impfplicht in Deutschland spitzt sich zu – ohne dass eine Lösung oder auch nur ein Zeitplan für eine solche näher rückt. Bundesjustizminister Marco Buschmann fordert eine rasche Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht. „Der Bundestag sollte schnell entscheiden, ob eine Impfpflicht eingeführt wird. Und wenn ja, für wen“, sagte Buschmann der „Bild am Sonntag“. Die Abgeordneten müssten sich aber auch die Zeit für eine sorgfältige Abwägung dieser schwierigen Frage nehmen.
Politikerinnen und Politiker von SPD und Grünen dagegen dämpften Erwartungen auf eine schnelle Lösung. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Berliner „Tagesspiegel“: „Die Beratungen im Bundestag sollten wir im ersten Quartal zum Abschluss bringen.“ Das sei ein anspruchsvoller Zeitplan. Mit Blick auf mögliche Verzögerungen betonte Wiese, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfristig, sondern sei „perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter“.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, betonte: „Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff.“ In den Fraktionen müsse zunächst diskutiert werden, welche Vorstellungen es gebe. „Und dann können wir Ende Januar die öffentliche Debatte im Bundestag darüber führen“, sagte Haßelmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Über eine Impfpflicht soll der Bundestag ohne Fraktionsvorgaben abstimmen. Eine schnelle Entscheidung wird es aber voraussichtlich nicht geben. Im Gespräch ist zunächst eine „Orientierungsdebatte“ im Januar. Die SPD strebt den Abschluss eines Gesetzgebungsprozesses „im ersten Quartal“ an, also bis Ende März. Die dann folgende nächste reguläre Sitzung des Bundesrates stünde am 8. April an.
Der Deutsche Städtetag unterstützt Pläne zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und setzt auf eine rasche Entscheidung. „Um die Pandemie hinter uns zu lassen, müssen wir ganz überwiegend geimpft sein, das schaffen wir vermutlich nur mit einer allgemeinen Impfpflicht“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe den Funke-Zeitungen. Er mahnte: „Die notwendige Debatte dazu muss der Bundestag zügig führen und entscheiden. Dann würden wir besser gerüstet in die fünfte Welle gehen.“
Union erwartet mehr Druck vom Kanzler
Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, in der Frage aktiver zu werden. „Der Bundeskanzler kann jetzt nicht mit verschränkten Armen warten, ob es Vorschläge aus dem Parlament gibt oder nicht. Da wird wertvolle Zeit vertrödelt. Das ist das Gegenteil von Führung, das ist Arbeitsverweigerung!“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“.
Eine Mehrheit der Bürger spricht sich einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa zufolge für eine allgemeine Impfpflicht aus. In der Umfrage für die „Bild am Sonntag“ befürworteten 61 Prozent eine solche Impfpflicht, 32 Prozent sind dagegen, 7 Prozent machten keine Angabe.
Der Deutsche Kinderschutzbund appelliert derweil an Eltern, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Eine schwere Erkrankung der Eltern wäre für ihre Kinder viel schlimmer, als dass die Eltern sie nicht ins Kino begleiten können“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auf die eigene Gesundheit achten, das sei für Menschen mit Kindern auch im Interesse des Nachwuchses.
Die Frage einer allgemeinen Impfpflicht war auch Thema der Bund-Länder-Beratungen am Freitag. „Alle 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich dazu bekannt, dass sie für eine allgemeine Impfpflicht sind“, hatte Kanzler Scholz im Anschluss gesagt. Die Runde hatte auch neue Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beschlossen - unter anderem eine flächendeckende 2G-plus-Regelung in der Gastronomie und geänderte Quarantänebestimmungen.
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