Corporate Social Responsibility Nachhaltiges Wirtschaften in der Kritik

Die Bundesregierung möchte die Unternehmen zu noch mehr nachhaltigem Wirtschaften ermuntern. Denen schwant Schlimmes.

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Ministerin von der Leyen: Quelle: dpa

Nur die wenigsten Minister können den Begriff richtig aussprechen. Bei „Corporate Social Responsibility“ geraten die meisten spätestens beim dritten Wort ins Stocken und flüchten sich in die Abkürzung CSR. Gleichwohl hat sich derzeit fast das ganze Bundeskabinett der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen verschrieben, so die deutsche Übersetzung des angelsächsischen Zungenbrechers.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel appelliert an das „betriebliche Eigeninteresse“ beim Klimaschutz, Justizministerin Brigitte Zypries verspricht einen „echten Wettbewerbsvorteil“ durch Stiften, und Arbeitsminister Olaf Scholz freut sich über „Gewinn für alle“ mittels sozialem Engagement. So weit, so gut. Dennoch fühlen sich die angesprochenen Unternehmen nicht unbedingt glücklich über die plötzliche Zuwendung der Politik. „Eine „nationale Strategie mit politischen Vorgaben“, warnt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, halte er „für äußerst problematisch. Das Letzte, was die Wirtschaft braucht, wären neue bürokratische Auflagen bei CSR.“

Genau dies schwant der Wirtschaft bei Scholz, dessen Ministerium gerade eine nationale CSR-Strategie vorbereitet. Zum Scholz’schen Werkzeugkasten zählen ein CSR-Beirat und CSR-Multi-Stakeholderforum samt CSR-Internetplattform und CSR-Label – was Wirtschaftsvertreter an Folterinstrumente denken lässt. Und dass das Arbeitsministerium unter gesellschaftlicher Verantwortung der Unternehmen vor allem noch mehr Sozialnormen versteht, zeigt dessen CSR-Slogan „Gute Arbeit“, der genau so lautet wie eine Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Vollends verärgert die Wirtschaft das Gerücht, beim fünfköpfigen CSR-Beirat werde der einzige für die Wirtschaft reservierte Platz womöglich mit einem Gewerkschaftsmann besetzt, nämlich dem Arbeitsdirektor bei Arcelor-Mittal in Eisenhüttenstadt, Rainer Barcikowski.

Dass die Gerüchteküche brodelt, muss sich Arbeitsminister Scholz selbst zuschreiben. Sein Haus hält die Wirtschaftsverbände auf Distanz und holt sich stattdessen bei Gewerkschaftern wie Verdi-Funktionär Uwe Wötzel Rat. Auch das Verhältnis zum Bundeswirtschaftsministerium ist bestenfalls unterkühlt zu nennen. Im Haus von Michael Glos rüstet der für Grundsatzfragen zuständige Referatsleiter Berend Diekmann zum Abwehrkampf. „Kein Forum! Kein Kodex! Keine Reglementierung!“ lauten die Schlachtrufe im Wirtschaftsministerium, das sich in diesen Tagen durch die Mindestlohnpolitik von Scholz ohnehin gedemütigt fühlt.

Überflüssig wie ein Kropf

Allerdings habe das Wirtschaftsministerium „zu lange beim Thema CSR geschlafen“, kritisiert der FDP-Wirtschaftspolitiker Reiner Brüderle. Dieser hatte eine Parlamentarische Anfrage zur „Nationalen CSR-Strategie der Bundesregierung“ gestellt. Die Antwort der Bundesregierung, von Arbeits-Staatsekretär Kajo Wasserhövel formuliert, lässt bei Brüderle den Verdacht keimen, die CSR-Initiative sei nicht mehr als eine „aktionistische Verschwendung von Steuergeldern, überflüssig wie ein Kropf“.

Tatsächlich räumt Wasserhövel ein, dass das gesellschaftliche Engagement der Wirtschaft „außerordentlich hoch ist“. Deutsche Unternehmen seien international „häufig gute Beispiele für die hohe Qualität bei der Übernahme von Verantwortung“. Wozu aber dann dem bislang freiwilligen CSR-Engagement noch eine politische Krone aufsetzen, fragt man sich bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Während Scholz noch an seinem Meisterstück für eine CSR-Gesamtstrategie werkelt, arbeiten andere Minister längst mit der Wirtschaft vertrauensvoll zusammen. Zum Beispiel Familienministerin Ursula von der Leyen, die gemeinsam mit dem DIHK das Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie“ betreibt. Dort haben sich bislang 1700 Unternehmen verpflichtet, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, und tauschen ihre Erfahrungen darüber aus. Dazu brauche die Wirtschaft aber, so Braun mit Blick auf Scholz, „keine Label der Bundesregierung“.

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