Cosco-Einstieg in Hamburg „Wir müssen für China ein Stoppschild aufstellen“

Das Bundeskabinett hat einen begrenzten Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in die Betreibergesellschaft eines Container-Terminals im Hamburger Hafen erlaubt. Quelle: imago images

Der Kanzler sprach das nächste Basta, das Kabinett stimmt nun zu: Mit 24,9 Prozent kann sich Cosco im Hamburger Hafen beteiligen. Eine gute Lösung? FDP-Vizechef Johannes Vogel über Naivität, neue Strategien und Krach in der Koalition.

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WirtschaftsWoche: Herr Vogel, die Bundesregierung hat sich geeinigt, der chinesische Staatskonzern Cosco soll sich nur mit 24,9 Prozent statt 35 Prozent am Terminal Tollerort im Hamburger Hafen beteiligen. Sechs Fachministerien hatten protestiert, der Verfassungsschutz warnt vor Naivität gegenüber China. Ist der Kanzler also naiv, wenn er den Einstieg per Machtwort durchsetzt?
Johannes Vogel: Wenn so eine große Zahl an Ministerien vor dem Einstieg warnt, und zwar über alle drei Parteifarben hinweg, dann sollten wir das sehr ernst nehmen. Nach den Erfahrungen mit Russland müssen wir doch beweisen, dass wir lernfähig sind. Dass es jetzt nicht zu einer Sperrminorität kommt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es geht aber jetzt nicht nur darum, mit Blick auf Hamburg die richtige Entscheidung zu treffen, sondern wir brauchen für unsere gesamte kritische Infrastruktur einen China-Stresstest. 

Welche Punkte wollen Sie in einem solchen China-Stresstest überprüfen?
Wo gibt es schon jetzt zu große Abhängigkeiten? Wo könnte künftig zu großer Einfluss von chinesischer Seite genommen werden? Das sind Fragen, die wir deutlich strategischer als bisher angehen müssen. Wir befinden uns in einem neuen Systemwettbewerb mit China und man muss sich klar machen, dass chinesische Unternehmen durch die Kommunistische Partei kontrolliert werden, wie und wann es ihr passt. 

Das heißt?
Ich bin und bleibe deshalb sehr kritisch bei jedem Einfluss des chinesischen Regimes auf kritische Infrastruktur, das gilt zum Beispiel auch für die Hardware unseres Mobilfunknetzes. Zumal China im Gegenzug niemals eine relevante Beteiligung deutscher oder europäischer Unternehmen etwa an Häfen zulassen würde.

Johannes Vogel (FDP) Quelle: dpa

Zur Person

Ein Veto gegen die Investition in Hamburg wäre allerdings ein Novum in Europa, wo Cosco bereits an vielen Häfen beteiligt ist, von Rotterdam und Antwerpen über Valencia bis hin nach Piräus. Sind also auch die europäischen Partner zu naiv gewesen?
Die Natur des chinesischen Regimes hat sich unter Xi in den letzten Jahren fundamental verändert, davor dürfen wir nicht die Augen verschließen. Europa spalten zu wollen, gehört zum klassischen chinesischen, zunehmend gefährlicheren Playbook. Wie das funktioniert, zeigt das Hamburger Beispiel jetzt ganz konkret.

Inwiefern?
Hier wird versprochen, bei einer Beteiligung noch mehr Container liefern zu wollen – und bei einem Nein dann eben zu einem anderen Hafen zu schippern. Was wird als Nächstes mit dieser Drohung verlangt? Europa darf sich nicht erpressen lassen und statt klein beizugeben, muss Deutschland hier mit einer Führungsrolle in Europa vorangehen.

Was heißt das über ein Veto in Hamburg hinaus?
Deutschland sollte die aktuelle Debatte zum Anlass nehmen, um eine gemeinsame europäische Hafenstrategie anzustoßen, damit die großen Häfen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo ein Stoppschild für China aufgestellt werden muss. Wir müssen endlich verstehen, dass China ein Systemwettbewerber ganz neuer Art ist, dem wir deshalb mit neuen Strategien begegnen müssen.

Will jetzt etwa ausgerechnet die FDP zum Decoupling aufrufen? 
Nein, das sicher nicht. Die EU-Kommission hat es doch zutreffend formuliert: China ist gleichzeitig Partner bei globalen Fragen wie dem Klimawandel und systemischer Rivale. Gegen wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen, die nicht sicherheitsrelevant sind, spricht auch nichts. Aber wir dürfen nicht abhängig sein vom chinesischen Markt. Die Lösung ist aber nicht, die Globalisierung rückabwickeln zu wollen, sondern im Gegenteil, gerade jetzt mehr Freihandel mit den marktwirtschaftlichen Demokratien. Ich nenne das beyond-China-Strategie. Denn wir müssen verstehen, dass wir es im Fall von China mit einem System zu tun haben, das in fundamentalen Fragen anders tickt als wir. Da darf es keine Naivität und keine Schwäche geben.

Der chinesische Staatskonzern Cosco will Anteile an einem Terminal im Hamburger Hafen kaufen. Die Investition wird zur geopolitischen Gretchenfrage: Wie halten wir’s mit China?
von Sonja Álvarez, Jacqueline Goebel, Artur Lebedew, Silke Wettach

Die USA gehen bereits deutlich entschlossener vor, wie sie aktuell mit den Embargos gegen Chinas Chipindustrie zeigt, oder?
Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht nur als Europäer, sondern auch mit unseren transatlantischen Partnern und den marktwirtschaftlichen Demokratien im Pazifikraum wie Japan, Südkorea und Australien zu einer gemeinsamen Chinastrategie abstimmen. Wir sollten den Wake-up-Call, den es spätestens nach dem Agieren von Wladimir Putin gibt, nutzen und den Strategieprozess mit Hochdruck nachholen.  

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Ob der Wake-up-Call im Kanzleramt ankommt, ist allerdings fraglich. Olaf Scholz will am 3. November nach China reisen und hat die Genehmigung für Cosco offensichtlich als Mitbringsel im Gepäck?
Ich setzte darauf, dass die Regierung bis dahin eine Antwort findet, die der Zeitenwende gerecht wird.

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