CSU-Ministerin Ilse Aigner im Interview "Davos der Agrarwirtschaft"

Die neue CSU-Ministerin Ilse Aigner befürchtet Exporteinbußen in der Landwirtschaft und will die Verbraucher vor unseriösen Bankberatern schützen.

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Ilse Aigner (CSU), Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Frau Aigner, man konnte kürzlich über Sie lesen, Sie hätten noch nie eine Kuh gemolken. Werden Sie dies auf der bevorstehenden Agrarmesse Grüne Woche nachholen?

Aigner: Stimmt, ich habe noch nie gemolken, aber bei Gelegenheit werde ich es ausprobieren, das wird dann schon klappen. Und natürlich weiß ich, wie ein Stall von innen aussieht! Ich bin schließlich in einer bäuerlichen Region aufgewachsen. Also mal sehen, was mich auf der Grünen Woche erwartet...

Zum Beispiel treffen Sie sich dort in diesem Jahr mit 30 Agrarministern aus aller Welt, um über die Lage der Welternährung zu beraten. Führt die Finanzkrise wieder zu mehr Hunger auf der Erde?

Das könnte sein, weil das Geld überall knapper wird. Solche Krisen zeigen: Es ist umso wichtiger, dass wir uns international stärker abstimmen und die Grüne Woche zu einer Weltagrarkonferenz ausbauen – zu einer Art Davos der Landwirtschaft. So können wir unseren Einfluss sichern – Landwirtschaft ist nach wie vor das konfliktträchtigste Thema bei der Liberalisierung des Welthandels.

Ist auch die deutsche Landwirtschaft von der Krise betroffen?

Ja, die Landwirtschaft ist ein großer Wirtschaftsfaktor, wir werden es sicherlich bei den Exporten spüren. Deutschland hat alleine in 2008 Fleisch, Milch und andere Agrarprodukte für rund 53 Milliarden Euro exportiert, seit 2000 haben unsere Exporte Jahr für Jahr im Schnitt um mehr als sieben Prozent zugenommen. Besonders Milchprodukte, Fleisch und Getreide verkauften sich gut. Allein im ersten Halbjahr 2008 ist die Ausfuhr von Schweinefleisch um 30 Prozent gestiegen.

Nun haben Länder wie Argentinien, Brasilien und Indien gerade ihre Einfuhrzölle auf Schweinefleisch, Geflügel und Sojaöl drastisch erhöht. Werden Sie das bei Ihren internationalen Kollegen ansprechen?

Ja, auf jeden Fall. Denn ich sehe tatsächlich die Gefahr eines neuen Protektionismus durch die Krise. Außerdem ist der Abbau von Schutzzöllen ja auch Thema der Welthandelsorganisation WTO – da laufen die Verhandlungen weiter.

Aus rein ökonomischer Sicht bräuchte Deutschland keine Bauern. Es wäre preiswerter, den täglichen Bedarf an Fleisch, Milch, Gemüse und Getreide auf dem Weltmarkt einzukaufen. Warum päppeln wir die Landwirte dennoch jährlich mit Milliardensubventionen?

Ich möchte nicht, dass wir bei der Ernährung von anderen Ländern abhängig werden. Die jetzige Gas-Krise zeigt ja, wie schnell Konflikte in anderen Ländern auch bei uns ankommen. Außerdem ist es wichtig, dass die Flächen nicht brachliegen, sondern gepflegt werden. Das ist im Interesse aller und muss daher vom Staat finanziert werden. Deshalb stellt die EU ja auch ihre Förderung komplett um. Weg von der Mengenförderung hin zu Ausgleichsleistungen für die Bewirtschaftung der Fläche mit hohem Umweltschutzstandard.

Ihre Feuertaufe im neuen Job haben Sie in den Augen vieler Fachleute bestanden und bei Verhandlungen im November in Brüssel einen Hilfsfonds für deutsche Milchbauern durchgesetzt. Wie genau soll das Geld verteilt werden?

Das Geld fließt erst ab 2010, und ich verhandele derzeit mit den Bundesländern, wie das Programm umgesetzt wird. Unser Ziel ist es, die Bauern für den Wegfall der Milchquote 2013 wenigstens teilweise zu entschädigen, dann nämlich gibt es auch keinerlei Mengenbegrenzung mehr. Schon jetzt ist der Milchpreis ja sehr niedrig, weil zu viel Milch weltweit auf dem Markt ist. Bauern und Verbraucher werden sich in Zukunft leider auf noch stärkere Preisschwankungen einstellen müssen.

Brüsseler Experten haben jetzt berechnet, dass jeder Kuhstallbetreiber im Schnitt gerade einmal einen halben Cent pro Liter Milch zusätzlich bekommt.

Das Geld soll ja nicht mit der Gießkanne verteilt werden, sondern nach drei Kriterien: Es kann eine Prämie für jene Betriebe geben, die keine Alternative zur Grünlandbewirtschaftung haben. Dann eine Weideprämie für Bauern, die ihre Kühe für eine bestimmte Zeit auf der Weide halten, und wer seinen Stall modernisiert, soll auch gefördert werden.

In Brüssel wird außerdem diskutiert, wie der Nährwert von Lebensmitteln auf Verpackungen gekennzeichnet werden soll. Was werden Sie vorschlagen?

Ich plädiere dafür, dass auf jeder Packung die Mengen an Kalorien, Zucker, Fetten und Salz angegeben werden, wie es jetzt schon viele Hersteller freiwillig machen. Außerdem sollte danebenstehen, wie viel Prozent des Tagesbedarfs eines Erwachsenen dies deckt. Wir müssen das europäisch einheitlich verpflichtend regeln, weil ein Produzent nicht für jeden Markt eine andere Verpackung mitliefern kann.

Was halten Sie von dem SPD-Vorschlag einer Ampel, also ungesunde Produkte mit rot, gesunde mit grün zu kennzeichnen?

Von reinen Ampelfarben halte ich nichts. Das sagt zu wenig aus, der mündige Verbraucher will mehr Information.

Die SPD fordert außerdem ein Siegel für gentechnikfreie Lebensmittel. Finden Sie die Idee gut?

Das ist nicht nötig. Wir haben in der großen Koalition durchgesetzt, dass Hersteller auf ihre Produkte „ohne Gentechnik“ schreiben dürfen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. So darf zum Beispiel die Verunreinigung höchstens 0,9 Prozent betragen. Viele Firmen machen das bereits schon, weil sie sich eben einen Wettbewerbsvorteil davon versprechen.

Sie haben nur noch bis zur Wahl im September Zeit, Ihre Vorhaben zu verwirklichen. Wo wollen Sie weitere Schwerpunkte setzen?

Auf alle Fälle werde ich mich um die Rechte der Verbraucher beim Kauf von Finanzprodukten kümmern. Ich lasse gerade von unseren Experten eine Checkliste entwickeln: Worauf soll man beim Kauf etwa von Wertpapieren oder Versicherungen achten? Außerdem sollte die Verjährungsfrist bei solchen Verträgen von drei auf zehn Jahre verlängert werden. Fühlen sich Käufer über den Tisch gezogen und klagen, sollten die Berater künftig beweisen müssen, dass sie umfassend und verantwortungsbewusst informiert haben.

Ist für dieses Thema nicht Finanzminister Peer Steinbrück zuständig?

Stimmt, aber ich bin für 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher zuständig und habe deshalb für den März die Branche zum Spitzengespräch geladen. Und ich werde bei Herrn Steinbrück für ein Gesetz werben.

Steinbrück und die SPD werden an diesem Montag der CSU-Forderung nach Steuersenkungen wohl endlich nachgeben. Empfinden Sie das als Triumph für Ihre Partei?

In solchen Kategorien denke ich nicht. Ich werbe für Ideen, die ich für richtig halte. Und Steuersenkungen sind jetzt ein wichtiges Mittel, der Krise zu begegnen.

Wie wird die CSU nach dem Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern bei der Europa- und Bundestagswahl abschneiden?

Die CSU als wertkonservative Partei hat das Potenzial von „50 plus x“. Unser Ziel ist, dass wir ein besseres Ergebnis bei der Europa- und Bundestagswahl erreichen als bei der Landtagswahl. Wir sind jetzt gut aufgestellt und spüren, dass die neuen Köpfe an der Basis gut ankommen.

Würden Sie sich selbst als wertkonservativ bezeichnen?

Ja. Für mich gilt das christliche Menschenbild, jeder soll den anderen so behandeln, wie er selbst behandelt werden will. Und ich habe den Anspruch, dass jeder erst einmal für sich selbst und sein näheres Umfeld sorgen muss, bevor die Solidargemeinschaft einspringt. Solidarität kann nur der einfordern, der auf der anderen Seite auch Leistung zeigt. Mein Motto lautet: Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden, und niemand soll sagen, mein Lebensentwurf ist der beste.

Wie sieht es mit Ihrem persönlichen Lebensentwurf aus? Wollen Sie auch nach der Bundestagswahl Landwirtschaftsministerin bleiben?

Jetzt warten wir erst einmal die Wahl ab. Auf alle Fälle macht mir das Amt großen Spaß.

Aigner, 44, ist seit Oktober 2008 Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Dem Deutschen Bundestag gehört die CSU-Politikerin und gelernte Radio- und Fernsehtechnikerin seit 1998 an. Vorher war sie seit 1994 Mitglied des bayrischen Landtags.

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