CSU-Parteitag Das Ziel heißt Geschlossenheit

Beim letzten Parteitag wirkte die CSU unausgeglichen. Ein Jahr später sind die Vorzeichen andere. Das diesjährige Treffen markiert aber nicht den Abschluss einer Krise – sondern den Auftakt für zwei Schicksalsjahre.

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Dem bayerischen Ministerpräsidenten werden Ambitionen auf die Rückkehr in die Bundespolitik nachgesagt. Quelle: dpa

München Horst Seehofer hat wieder gut lachen. „Ich habe überhaupt keine Sorgen – weder politisch noch privat“, sagt der CSU-Chef scherzend in München. Kein Vergleich zu 2015, damals kochte er innerlich wie äußerlich, wegen „seiner Angela“ – beziehungsweise wegen der Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland durch die Politik der offenen Arme von Kanzlerin Merkel (CDU). Die CSU und Seehofer waren über Nacht aus dem Gleichgewicht geraten, wirkten schwach und hilflos. Es folgte auf dem CSU-Parteitag 2015 eine beispiellose CSU-Standpauke an eine schweigende Merkel.

Ein Jahr später sind die Vorzeichen vor dem nächsten CSU-Parteitag in München andere: Seit Wochen ist der bayerische Ministerpräsident um Gelassenheit und Souveränität bemüht. Seehofer und die CSU wollen Stärke demonstrieren nach innen und außen. Denn bei den Wahlen im Bund 2017 und in Bayern 2018 gehe es für die CSU um die Existenz. Der Parteitag markiert also keinen Abschluss einer Krise, sondern den Auftakt für zwei Schicksalsjahre.

Darauf bereitet Seehofer seine Partei seit Monaten vor, das ist der rote Faden seiner Arbeit. Seehofer wird sich der Aufgabe auch auf dem zweitägigen Parteitag widmen – zwei Reden will er halten – am Freitag fokussiert auf das Aktuelle, am Samstag eher auf das Grundsätzliche.

Eine prominente Stammhörerin wird aber fehlen – Merkel hat erstmals in ihrer Kanzlerschaft keine Einladung bekommen. Mit Angst vor unkontrollierbarer Kritik von der CSU-Basis habe die Entscheidung der beiden Parteispitzen nichts zu tun, betont Seehofer: „Die Angst, wie wer reagiert, ist nicht unser Motiv.“

In Teilen der CDU wird das aber doch so gesehen. Es hätte Seehofer selbst geschwächt, wäre Merkel ausgebuht worden. Ein Parteichef, der die Reihen nicht schließen kann, kommt nicht gut an. Viele in der CDU nehmen Seehofer den heftigen Obergrenzen-Streit um die Aufnahme der Flüchtlinge übel. Er habe wider besseres Wissen (das Grundgesetz lässt eine Obergrenze nicht zu) die Einigkeit der Union aufs Spiel gesetzt. Unvergessen auch sein Vorwurf, Merkel führe eine „Herrschaft des Unrechts“. Das sitzt tief, hat Vertrauen zerstört.


Abwiegeln hat egoistische Motive

Obwohl das Trennende in der Union die vergangenen Monate dominierte, Seehofers und Merkels Ziel heißt jetzt Geschlossenheit. Nur so könne ein „Linksrutsch“ durch SPD, Grüne und Linkspartei im Bund verhindert werden. „Wir werden sie hinbekommen“, sagte Seehofer jüngst. Merkels Abwesenheit habe da keinen Einfluss. Kritiker in München meinen aber, dies hätte nicht gleichermaßen für ihre Anwesenheit gegolten.

Seehofer schweigt dazu wie zu allen anderen Personalfragen. Diese kämen erst nach den Inhalten auf den Tisch. Das Abwiegeln hat egoistische Motive: Seehofer hat nämlich auch über seine eigene Zukunft noch nicht entschieden. Will er die von ihm geforderte Doppelspitze in Berlin übernehmen, als Bundesminister und CSU-Chef? Oder gelingt es ihm doch noch Finanzminister Markus Söder oder Innenminister Joachim Herrmann dafür zu begeistern? Dann könnte Seehofer Ministerpräsident bleiben, sogar über 2018 hinaus.

Auch in Merkels Umfeld werden Seehofer Ambitionen auf die Rückkehr in die Bundespolitik nachgesagt. Er wollte schon immer lieber ganz oben mitmischen, heißt es. Und er habe schon immer das eine gesagt und das andere getan. Unberechenbar sei er. Merkel und Seehofer aber an einem Kabinettstisch nach der Bundestagswahl mag sich in der CDU in Berlin kaum wer vorstellen. Das trage zu viel Spaltpotenzial für die Union.

Seehofer wird zwar auch in der CSU nicht von allen geliebt, seine Kritiker lauern schon lange auf einen Fehler. Trotzdem thront er unangefochten seit 2008 über den 144.000 Mitgliedern auf dem Stuhl, den er „nie haben wollte“. Jetzt wartet mit der Erneuerung der CSU die wohl schwerste Aufgabe auf den selbst ernannten Libero.

Er muss die CSU erfolgreich durch die Wahlen führen, muss in Berlin nach Monaten des Polterns wieder die Union verteidigen, in Bayern gar die absolute Mehrheit. Helfen soll dabei auch das neue, alte konservative Profil, welches sich die CSU mit einem Leitantrag zum politischen Islam und einem neuen Grundsatzprogramm verordnen will. Keine Wähler an die AfD verlieren, lautet das Credo.

Nichtsdestotrotz könnte auf dem Parteitag doch der Moment kommen, wo Seehofer sich deutlich zur abwesenden Kanzlerin bekennen muss: Im Antrag L6 aus dem dicken Antragsbuch fordert ein CSU-Mitglied den Boykott Merkels: „Die CSU unterstützt keine weitere Amtszeit von Frau Dr. Angela Merkel als Bundeskanzlerin“, heißt es da. Sollte der Antrag zur Sprache kommen, will Seehofer dagegen reden, will „Worte der Sympathie“ finden“. So hat er es nach Angaben von Teilnehmern im CSU-Vorstand angekündigt. Aber so weit muss es nicht kommen.

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