CSU-Parteitag Die andere Krönung: Hochamt für Markus Söder

CSU-Parteitag: Markus Söder lässt sich zum Spitzenkandidaten wählen. Quelle: REUTERS

Im Schatten der britischen Monarchie findet auch in Bayern eine Thronbesteigung statt: Markus Söder hat sich von den Delegierten zum Spitzenkandidaten wählen lassen – einstimmig.

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Eigentlich ist es eine reine Formsache, nein sogar eine Selbstverständlichkeit, dass der bayerische Ministerpräsident auch Spitzenkandidat seiner CSU für die Landtagswahl am 8. Oktober wird. Aber jemand wie Markus Söder macht aus einer einfachen Abstimmung eben gerne eine regelrechte Krönungsmesse – wenn auch nicht in einem so ehrwürdigen Rahmen wie zeitgleich König Charles in der Westminister Abbey in London.

Söder hat die CSU-Delegierten für den heutigen Samstag in die nüchternen Messehallen seiner Heimatstadt Nürnberg eingeladen. Neben der Wahl, die mit einem Zustimmungswert in Höhe früherer DDR-Resultate endet, steht die Vorbereitung des Wahlkampfs im Freistaat und die Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms auf der Tagesordnung des Parteitags. Per Handzeichen und ohne förmliche Auszählung stimmten die Delegierten ohne Enthaltungen oder Gegenstimmen für Söder. „Äh, ja, ich bedanke mich wirklich sehr bei euch“, sagte er. Das Wahlergebnis sei ein tolles Signal nach draußen.

Dass die CSU aufgrund des neuen Bundestagswahlrechts 2025 den Einzug in das Berliner Parlament verpassen und als bayerische Regionalpartei enden könnte, wird zwar in den Hintergrundgesprächen durchaus als Horrorvision durchdekliniert. Wer aber das neue Grundsatzprogramm der selbsternannten „Staatspartei“ liest, kann davon keine Spur entdecken. Viel mehr Raum als im vorherigen Programm von 2016 nimmt darin jetzt die Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Bereich Bundeswehr und Rüstung ein – Themen, die in Landesparteien mangels originärer Zuständigkeit entweder fehlen oder nur ein Schattendasein fristen. Der CSU jedoch war ein eigenes internationales Profil wegen ihres überregionalen Anspruchs immer wichtig – und alles deutet darauf hin, dass das bayerische Sendungsbewusstsein gegenüber dem Rest der Republik eher gewachsen als geschrumpft ist.

CSU nimmt Cancel Culture und Wokeness ins Visier

Unter dem Titel „Für ein neues Miteinander“ wird versucht, die Ausnahmesituation während der Jahre der Pandemie politisch zu verarbeiten. Dass Söder und seine Regierung mit ihrem mal lässigen, meistens aber rigorosen Kurs bürgerliche Freiheiten übertrieben stark einschränkten, wird eingestanden und schimmert zwischen den Zeilen des Programmtexts durch. Ein weiterer roter Faden in diesem Kapitel betrifft Resilienz und Widerstandskraft – im Bereich Freiheit und Demokratie, aber auch bei der Wirtschaft, den Lieferketten und der internationalen Arbeitsteilung. Man ist vorsichtiger oder einfach formuliert: aus Schaden klug geworden.

Natürlich geht bei der CSU nichts ohne einen politischen Reibungspunk. Richteten sich früher viele Spitzen gegen die EU und die Bürokratie der Brüsseler Kommission, so nimmt die CSU jetzt die „Identitätspolitik, Cancel Culture und Wokeness“ ins Visier. Diese gesellschaftlichen Phänomene dürften „keine kulturelle Hegemonie erlangen“, denn sie begründeten keine neue Freiheit, „sondern sind antiliberale Ideologien“.



„Mein Platz ist in Bayern“

Im Zentrum aller Überlegungen steht jedoch die Landtagswahl Anfang Oktober – zeitgleich mit der in Hessen. Seit Monaten schon tourt Söder von morgens bis abends kreuz und quer durch sein Bundesland – kaum ein Termin von gewisser Relevanz, den der Ministerpräsident nicht selbst wahrnimmt. Nach dem schwachen Abschneiden bei der Wahl 2018 mit 37,2 Prozent und einem Verlust von mehr als zehn Prozentpunkten will Söder jetzt mit einem Ergebnis von 40 Prozent plus x seinen Anspruch untermauern, die einzig verbliebene Volkspartei Europas zu führen, die noch in die Nähe absoluter Mehrheiten kommen kann.

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In den Umfragen liegen de Christsozialen stabil bei 40 Prozent – klar vor den zweitplatzierten Grünen mit rund 15 Prozent. Alles deutet darauf hin, dass Söder mit den Freien Wählern weiter koalieren und regieren will – die Grünen hält er deutlich auf Abstand. Dass er mit einem Ergebnis von über 40 Prozent auch wieder Spekulationen um eine erneute Kanzlerkandidatur befeuert, ist ganz in seinem Sinne – strahlt sein Image doch so über den Freistaat hinaus. Natürlich ließ er erst kürzlich in einer Fernsehsendung wieder wissen, dass seine Lebensaufgabe in Bayern liege und er als Kanzlerkandidat nicht zur Verfügung stehe. Aber diese Formulierungen hat er auch vor der letzten Bundestagswahl gebraucht – das Ergebnis ist bekannt.

Brüchiger Frieden

Die führenden Köpfe in der CDU geben denn auch nicht viel auf Söders Beteuerungen. Wenn sich 2024 eine Situation ergibt, in der Söder als erfolgversprechendster Kandidat erscheine, werde die Debatte wieder losgehen, lautet die allgemeine Einschätzung. Unterschiedlich ist jedoch die Haltung der großen Schwesterpartei zur CSU. Ein kleinerer Teil setzt ganz pragmatisch auf denjenigen, der die meisten Wählerstimmen verspricht, andere wiederum lehnen Söder als Person und Verantwortungsträger im Bund strikt ab.

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