CSU-Reaktion auf Anschlag Grenzen dicht, Bundeswehr ins Inland

Die CSU übt sich nach dem Terror von Berlin in den erwartbaren Reflexen. Parteichef Seehofer positioniert sich gegen Zuwanderung, fordert Inlandseinsätze der Bundeswehr – und er stellt sich ein weiteres Mal gegen Merkel.

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Der bayerische Ministerpräsident übt sich nach dem Anschlag von Berlin in Populismus. Quelle: dpa

Berlin Eigentlich muss Horst Seehofer jetzt nichts sagen, er könnte schweigen. Zu Beginn einer Kabinettssitzung ist es üblich, dass Kameraleute ein paar Aufnahmen machen dürfen – aber nicht, dass der bayerische Ministerpräsident etwas Offizielles in die Mikrofone sagt. Jetzt aber, nur 14 Stunden nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, will der CSU-Chef etwas loswerden. Er glaubt zu wissen, auf welche Botschaft die Menschen draußen warten. Und so sagt er, neben den ehrlichen Trauer- und Beileidsbekundungen, auch diesen zentralen Satz: „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren.“ Er meint: die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Satz wird in den darauffolgenden Stunden viel Beachtung finden – im politischen Berlin, in sozialen Netzwerken. Eine verbreitete Vermutung, ein Vorwurf nicht nur von der Opposition: Die CSU wolle aus dem furchtbaren Anschlag politisches Kapital schlagen. Seehofer aber wehrt sich: „Ich mache das nicht, um billig auf diesem Ticket Punkte zu sammeln“, sagt er der „Süddeutschen Zeitung“.

Und die CSU legt nach. Nach dem Anschlag hat sie ihre Forderung nach erweiterten Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren bekräftigt. Die Bundeswehr müsse dort ihren Anteil an der Sicherheit für die Bürger übernehmen können, wo sie von ihrer Ausrüstung und Ausbildung her am besten dafür geeignet sei, sagte Florian Hahn, Außen- und Sicherheitsexperte der CSU, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). Die Bundeswehr könne vielfach unterstützend für die Polizei tätig werden. Dies habe auch etwas mit ihrer speziellen Ausrüstung zu tun.

Die SPD, die Opposition sowie auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind jedoch der Ansicht, dass die Regelungen für die Bundeswehr im Inneren ausreichend seien. Verfassungsrechtlich ist ein vorbeugender Einsatz der Bundeswehr ausgeschlossen und ansonsten nur in außerordentlichen Lagen im Zusammenhang mit Katastrophen oder auch mit einer Verkettung verschiedener Terrorlagen denkbar.

Fakt ist: Die CSU nimmt nach dem Anschlag mit voller Kraft Merkels Flüchtlingspolitik ins Visier. Auch dann noch, als es bereits Zweifel gibt, ob der festgenommene Flüchtling wirklich der Täter war - tatsächlich kommt der Mann wenige Stunden später frei.


Arbeitsgruppe gegen Flüchtlinge

Vor einer Sondersitzung des Kabinetts am Nachmittag verlangt Innenminister Joachim Herrmann: „Wir müssen das ganze System nochmals daraufhin überprüfen, wie es sein kann, dass noch immer Leute im Land sind, bei denen nicht geklärt ist, woher sie kommen, wie alt sie sind. Da sind offenkundig Defizite im Verfahren.“ Und Finanzminister Markus Söder fordert: „Der Staat muss seine Handlungshoheit zurückbekommen und nicht nur die Kontrolle über seine Grenzen, sondern auch über die Straßen und Plätze des Landes.“ Während Söder dies sagt, herrscht auf den Straßen und Plätzen Münchens keineswegs Angst und Schockstarre. Auf den vielen Weihnachtsmärkten ist von staatlichem Kontrollverlust keine Spur.

Ein zeitweiliger „Kontrollverlust“ an den Grenzen seit September 2015 wird später auch in der offiziellen Kabinettsmitteilung beklagt. Eine spezielle Arbeitsgruppe solle nun Vorschläge vorlegen, „um die Sicherheitslage zu verbessern und die Zuwanderung zu begrenzen“, heißt es dort – zu einem Zeitpunkt, wo völlig unklar ist, wer der oder die Täter sind. Und wie soll eine Obergrenze für neu eintreffende Flüchtlinge helfen, Anschläge künftig zu verhindern?

Dann gibt es auch noch eine Schaltkonferenz des CSU-Präsidiums - in der der Druck auf die CDU erhöht wird: Kurzerhand wird ein für Anfang Februar geplantes Spitzentreffen mit der CDU in München unter Vorbehalt gestellt. Es müssten vorher entscheidende Fragen in der Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik geklärt werden, sonst mache das Treffen keinen Sinn - das war laut Teilnehmern Konsens.

Während CSU-Fans auf Twitter loben, Seehofer sei der Einzige, der ausspreche, was die Bevölkerung denke, ist die Kritik vonseiten der Opposition und Zeitungskommentatoren enorm. Tenor: Der CSU-Vorsitzende versuche, die AfD zu übertrumpfen. „Seehofer missbraucht das Attentat von Berlin“, schimpft die „SZ“.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will dagegen zunächst nichts zu Seehofer & Co. sagen. Er denke jetzt an die Opfer, sagt er nur und betont: „Heute ist nicht der Tag, über Konsequenzen zu sprechen.“

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