CSU-Vorstoß zum Kruzifix „Herr Söder, Ihr Populismus wird durchschaut“

Bayerns Ministerpräsident Söder erntet für seinen Kruzifix-Erlass viel Kritik – selbst von den Kirchen. Doch die CSU prescht weiter vor.

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Auf Initiative Söders hat das bayerische Kabinett beschlossen, dass in allen Behördengebäuden unter der Verwaltung des Freistaats im Eingang ein Kreuz angebracht werden soll. Quelle: dpa

Berlin Das muss man auch erst einmal hinbekommen: Gerade einmal sechs Wochen im Amt, hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder weite Teile der Bundesrepublik gegen sich aufgebracht. Für seinen eigentümlichen Kruzifix-Vorstoß erntet der CSU-Politiker Kritik, Spott und Häme.

Auf Initiative Söders hatte das bayerische Kabinett am vergangenen Dienstag beschlossen, dass in allen Behördengebäuden unter der Verwaltung des Freistaats im Eingang ein Kreuz angebracht werden soll. Für ihn sei das Kreuz „in erster Linie ein religiöses Symbol“, es gehöre „aber auch zu den Grundfesten des Staates“, sagte Söder in der ARD. Es habe eine „identitätsstiftende, prägende Wirkung für unsere Gesellschaft“.

Allerdings mag niemand so recht, Söders Kruzifix-Definition teilen oder eine ausgewogene Diskussion mit ihm darüber führen. Im Gegenteil: Sein Kreuzzug gerät zum Bumerang. Deutlichen Widerspruch erntet der Katholik Söder ausgerechnet von der Katholischen Kirche.

Kardinal Reinhard Marx warf Söder vor, mit seinem Kreuz-Erlass für „Spaltung und Unruhe“ gesorgt zu haben. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz attestierte dem CSU-Politiker gar komplette Ahnungslosigkeit, was die Bedeutung des Kruzifixes anlangt.

Wer es nur als kulturelles Symbol sehe, habe es nicht verstanden, sagte Marx der „Süddeutschen Zeitung“. Es stehe dem Staat nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute, so der Erzbischof von München und Freising. Mit seiner Kritik an Söder spricht Marx Vielen aus der Seele. „Herr Söder, Ihr Populismus wird durchschaut“, schreibt etwa die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis auf Twitter.

Ihr Fraktionskollege Karl Lauterbach zollte dem Kardinal Dank und Respekt für dessen Zurechtweisung Söders. „Kardinal Marx will dass der Religionsfrieden erhalten bleibt und keine Spaltung der Religionen für billigen Wahlkampf von Söder entsteht“, erklärte Lauterbach auf Twitter. „Das zeigt wie positiv sich Kirche von der Vereinnahmung durch die Union emanzipiert hat.“

Das sieht der Grünen-Politiker Volker Beck genauso. „Krachender kann ein Kulturkampf für das christliche Abendland nicht scheitern“, so Beck auf Twitter. Zumindest gegen die Kirchen „kann die alterschristlichste bayerische Obrigkeit ihn wohl nicht führen“.

Hinzu kommt, dass auch eine Mehrheit der Deutschen nicht mit Söders Kreuz-Vorstoß mitgehen möchte. In einer Umfrage sprachen sich fast zwei Drittel der Bürger (64 Prozent) dagegen aus, dass in jeder staatlichen Behörde in Deutschland ein christliches Kreuz aufgehängt wird.

Auch unter Katholiken und Protestanten ist die Ablehnung groß, wie die repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die „Bild am Sonntag“ ergab. Bei Katholiken sind es 48 Prozent, bei Protestanten sogar 62 Prozent.

Nur die CSU scheint die Stimmungslage wohl anders einzuschätzen. Jedenfalls mag sie die Kritik nicht akzeptieren. Söder selbst reagierte zwar leise, bedauerte den Streit. Zum Gegenangriff blies dafür umso mehr CSU-Generalsekretär Markus Blume. Er machte die Kritiker kurzerhand zur „unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern“.

Mit solchen Rundumschlägen dürften sich die CSU gerade bei Kirchenvertretern und Kirchenanhängern keine Freunde machen. Zumal der bekennende Christ Söder den Kirchen früher immer wieder vorhielt, sie sollten sich nicht in politische Themen einmischen.

Doch wer Söders Bereitschaft für zugespitzte Vorstöße verstehen will, muss wissen: Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt und Söder hat wiederholt erklärt, dass für ihn am Ende nur ein großes Ziel zählt – die Verteidigung der absoluten Mehrheit der CSU im Landtag. Trotz der 38-Prozent-Pleite bei der Bundestagswahl im September, trotz AfD und letztlich auch trotz Angela Merkels einstiger Flüchtlingspolitik.

Doch ob Söders Rechnung wirklich aufgeht, mit seiner Kreuz-Initiative in Bayern gegen die AfD Boden gut zu machen, ist ungewiss. Zwar konnte die CSU zuletzt in der Wählergunst etwa zulegen. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass er den Rechtspopulisten damit sogar eher in die Hände spielt.

Die AfD steht schon länger mit der Kirche auf Kriegsfuß, was die Vize-Fraktionschefin Beatrix von Storch auf Twitter einmal mehr demonstrierte, als sie mit Blick auf Marx schrieb: „Warum die Islamisierung Raum hat? Weil das Christentum kapituliert u das Feld räumt. An der Spitze: Kardinal Marx. Auf dem Tempelberg legt er das Kreuz ab. Und auch in öffentlichen Gebäuden will er es nicht.“

Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion läuft die Diskussion sowieso in eine völlig falsche Richtung: „Kreuze in alle Behörden?“, fragte sie auf Twitter. Und schob die Antwort gleich hinterher: „Wir hätten da eine bessere Idee, @Markus_Soeder @CSU: kostenfreies, öffentliches WLAN in allen Behörden! DIE Debatte würde unser Land mal voranbringen.“

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