CSU vs. CDU Pegida löst Unions-Streit um Einwanderung aus

CDU-Generalsekretär Tauber hat als Reaktion auf Pegida angeregt, neu über das Thema Zuwanderung nachzudenken. Der Wirtschaftsrat der Partei unterstützt seinen Vorstoß für ein Einwanderungsgesetz, die CSU lehnt ihn ab.

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CDU-General Peter Tauber handelt sich mit seinem Einwanderungs-Vorstoß Kritik von der CSU ein. Quelle: AFP

Berlin In der Union ist ein Streit über mögliche neue Regeln zur Zuwanderung ausgebrochen. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer wies den CDU-Vorstoß für ein Einwanderungsgesetz entschieden zurück. Auch der Familienunternehmer-Verband äußerte sich ablehnend.

Hintergrund sind Äußerungen des Generalsekretärs der Christdemokraten Peter Tauber. Der CDU-Politiker regte in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ an, als Reaktion auf die Anti-Islambewegung Pegida über ein neues Deutschlandbild zu diskutieren und in dieser Hinsicht auch das Thema Zuwanderung in den Blick zu nehmen.

Für Tauber greift es zu kurz, wenn hierzulande in der Zuwanderungsfrage vor allem über die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt gesprochen werde. „Die klassischen Einwanderungsländer gehen jedoch noch einen zweiten Schritt und fragen: Wer ist eine Bereicherung für unser Land? Wer bringt sich in unsere Gesellschaft ein?“, sagte er. Wer nach Kanada gehe, werde Kanadier. Er wandere dorthin aus, um sich dort sein künftiges Leben aufzubauen. „Bei uns jedoch wird es nach wie vor so gesehen: Wer nach Deutschland kommt, der kommt, um in Deutschland zu arbeiten.“

Tauber sieht daher Regelungsbedarf. „Wenn wir eine Zuwanderung wollen, die nicht nur arbeitsmarktoptimiert ist, nicht nur temporär, dann müssen wir auch über ein Einwanderungsgesetz reden“, sagte der CDU-General. Darin könne festgelegt werden, welchen Bedarf es an Zuwanderung gebe und was ein Zuwanderer an Fähigkeiten mitbringen solle. Auch der Familiennachzug könne geregelt werden. „Vielleicht ist in Absprache mit der Wirtschaft über Quoten für bestimmte Berufsbilder zu sprechen“, sagte Tauber. „Wir reden ja jetzt schon darüber, ob etwa ein Arzt, der als Flüchtling zu uns kommt, bleiben kann.“

CSU-Chef Seehofer hält Taubers Gedankenspiel in der gesetzlichen Praxis für nicht umsetzbar. „Deutschland hat, im Gegensatz zu vielen Staaten mit einem Einwanderungsgesetz, ein grundgesetzlich geschütztes Grundrecht auf Asyl. Das können wir mit einem Einwanderungsgesetz nicht beiseiteschieben“, sagte Seehofer der „Leipziger Volkszeitung“. Dies sei schon „tausend Mal diskutiert“ worden. Er verstehe nicht, wieso es trotzdem immer wieder hoch käme. „Man kann gesetzlich in Sachen Einwanderung regeln was man will, es wird immer so sein, dass das Asylgrundrecht vorgeht. Und das ist mit Blick auf die deutsche Geschichte auch richtig“, meinte Seehofer.

Auch mit Blick auf die Wirtschaft sieht Seehofer keinen Handlungsbedarf. „Der Hinweis auf den Fachkräftemangel erfordert kein Einwanderungsgesetz.“ Die Wirtschaft könne schon heute bedarfsgenau die Arbeitskräfte anwerben, die man brauche, sagte Seehofer.


Familienunternehmer gegen neues Einwanderungsrecht

Der Präsident des Familienunternehmer-Verbandes, Lutz Goebel, wies Taubers Vorstoß ebenfalls zurück. „Deutschland braucht Einwanderer. Doch statt neue Gesetze zu konstruieren, ist es wichtig, die existierenden Gesetze vernünftig in die Praxis zu überführen“, sagte Goebel dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Immer noch befänden sich zu viele Einwanderer „im Dschungel deutscher Bürokratie statt aktiv im Jobleben durchzustarten“, sagte Goebel weiter. „Der lettische Arzt, der in Berlin Taxi fährt, sollte längst der Vergangenheit angehören, doch noch immer verläuft die berufliche Anerkennung teils schleppend.“ Diese Defizite müssten erst angegangen werden, statt durch neue Gesetze Doppelstrukturen zu schaffen. „Denn vieles von dem, was Tauber fordert, ist teilweise bereits geregelt, zum Beispiel über die „Blue Card““, gab Goebel zu bedenken.

Wichtig für Familienunternehmer sei überdies, dass auch Menschen, die hier in Deutschland Asyl suchen, vom ersten Tag an arbeiten dürften, unterstrich Goebel. „Es macht keinen Sinn, sie vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.“

Unterstützung für Taubers Vorstoß kommt dagegen vom Präsidenten des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk. „Wir sind ein Einwanderungsland und sollten uns offen dazu bekennen. Daraus müssen allerdings auch die Konsequenzen gezogen und klarere Kriterien festgelegt werden, wer wann und woher zu uns kommen kann“, sagte Lauk dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Die Debatte darüber müsse „entideologisiert“ werden, sonst bleibe die Einwanderungspolitik angreifbar. „Klassische Einwanderungsländer wie Kanada haben ein Punktesystem entwickelt, das wir uns zum Vorbild nehmen sollten“, regte Lauk an.

Lauk betonte allerdings auch, dass Deutschland nicht alle Fragen alleine lösen könne und deshalb eine EU-weite Diskussion anstoßen müsse. „Die EU-Kommission muss endlich zur Begrenzung des Missbrauchs von Sozialleistungen innerhalb der Gemeinschaft tragfähige Regelungen auf den Tisch legen“, forderte Lauk.

Experten und die Wirtschaft vermissen schon länger einen Plan für eine systematisch gesteuerte Zuwanderung. Denn die ökonomische Notwendigkeit der Zuwanderung ist weit über Fachkreise hinaus unbestritten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag beispielsweise warnte Anfang des Jahres, dass es hierzulande schon in zwölf Jahren statt heute 42 Millionen Erwerbstätige nur noch rund 30 Millionen gibt. „Deshalb brauchen wir bis 2025 rund 1,5 Millionen zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland“, sagte damals der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben.

Dass die aktuelle Zuwanderungszahl von 400.000 Menschen im vergangenen Jahr auch künftig so hoch bleiben wird, bezweifeln Experten: Denn sobald die Krise in Südeuropa abflaue und es in Osteuropa aufwärts gehe, werde der Strom der Zuwanderer schnell versiegen. Bertelsmann-Stiftung und die Wirtschaft drängen daher auf ein Zuwanderungsgesetz, das auch Ausländer außerhalb der EU anlockt.

Bisher bewegt sich die Zuwanderung qualifizierter Asiaten, Süd- und Nordamerikaner oder Afrikaner trotz verschiedener Angebote auf ausgesprochen niedrigem Niveau. Die Blue Card können Hochqualifizierte aus dem Nicht-EU-Ausland seit Mitte 2012 ab einem Jahresgehalt von 46.000 Euro bekommen. Im ersten Jahr nutzten 7.000 diese Regelung - nur 3.000 allerdings kamen tatsächlich aus dem Ausland, die anderen arbeiteten schon in Deutschland. Den mäßigen Erfolg führen Arbeitsmarktforscher wie der Chef des Instituts zur Zukunft der Arbeit, Klaus Zimmermann, auch auf die abschreckende deutsche Zuwanderungsdebatte zurück.


Punktesystem Österreichs als Vorbild?

Zimmermann wies schon vor fast zwei Jahren auf die Notwendigkeit hin, das Thema Zuwanderung neu zu beleben. „Viele ökonomische, gesellschaftliche, politische Rahmendaten sprechen dafür, dass wir erst am Anfang eines neuen großen Zuwanderungsschubes stehen. Es ist nicht unrealistisch zu erwarten, dass unsere Bevölkerung 2013 bis 2017 um mehr als zwei Millionen Menschen aus dem Ausland wächst“, erklärte Zimmermann damals. Dies sei primär die Folge des Zustroms aus den Krisenstaaten Süd- und Osteuropas.

EU-Bürger, so Zimmermann, machten mittlerweile gut zwei Drittel der Zuwanderer aus. „Dieser Trend wird sich angesichts der Rekordarbeitslosigkeit vor allem bei Jugendlichen in jenen Ländern noch deutlich verstärken.“ Nun sei aber die Politik gefordert, diese Migrationswelle „klug“ zu gestalten, damit Hoffnungen nicht früh enttäuscht würden, fügte der IZA-Direktor hinzu. „So brauchen wir zum Beispiel Servicestellen, die Wanderungswillige bei der beruflichen wie der gesellschaftlichen oder familiären Neuorientierung begleiten.“

Zimmermann rechnet außerdem mit einem dauerhaften Bedarf an Fachkräften. „Deutschland fehlen bis zum Jahr 2030 gegenüber heute sechs Millionen Arbeitskräfte“, schätzt er. „Wenn wir Deutschland demografiefest machen wollen, brauchen wir deshalb auch ein modernes Zuwanderungskonzept für Bürger jenseits der Grenzen der Europäischen Union.“

Österreich demonstriere mit seinem Punktesystem einer „Rot-Weiß-Roten Karte“ seit 2011, wie eine moderne Steuerung von Fachkräften aus Drittstaaten außerhalb der EU aussehen könne. Kriterien seien dort insbesondere Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Alter. Wer eine Mindestanzahl von Punkten erreiche, könne kommen. „Ein solcher Weg ist auch für Deutschland der richtige“, ist Zimmermann überzeugt.


Liberalere Regeln für Ausländer in Deutschland

Immerhin: Damit schon vorhandene Qualifikationen besser genutzt werden können und Deutschland international attraktiver wird, hatte die schwarz-gelbe Koalition die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse verbessert: Nun gibt es einen Rechtsanspruch, dass Anträge auf die Prüfung eines Abschlusses nach spätestens drei Monaten erledigt sein müssen.

Besonders groß ist das ausländische Interesse an Berufen wie Lehrer, Erzieher, Krankenpfleger, Arzt oder Ingenieur. Der Erfolg könnte allerdings viel größer sein, wenn auch die Länder bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse nachziehen würden: Denn sie sind vor allem für Lehrer und Ingenieure zuständig - hier ist der Mangel auf dem Arbeitsmarkt besonders groß.

Auch die Regeln für Ausländer, die in Deutschland ein Studium beenden und anschließend einen Job suchen, sind liberaler geworden. Hier gibt es laut Experten ein besonders großes Potenzial, weil diese Gruppe bereits integriert und hochgebildet ist. Mittlerweile kommt jeder fünfte Neuzuwanderer nach Deutschland, um zu studieren.

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