Dämmstoffe, Atommüll, Carsharing Hendricks tischt Wirtschaft neue Regeln auf

Kurz vor Jahresende hat Umweltministerin Barbara Hendricks mehrere Vorhaben durch das Kabinett gebracht. Manche freuen sogar die Wirtschaft – wie die Entlastung bei der Dämmstoff-Entsorgung. Doch es gibt noch Baustellen.

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Die Ministerin hat vor der Weihnachtspause noch schnell vier Gesetzentwürfe durchs Kabinett gebracht. Quelle: dpa

Berlin So beherrschend das Thema Terror in Berlin weiterhin ist – das Bundeskabinett arbeitete auch am Mittwoch der Vorweihnachtswoche wichtige Themen ab. Vor allem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) befand sich im Jahresendspurt. Die Mitteilungen aus ihrem Hause kamen im Minutentakt. Vor allem bei der Dämmstoff-Entsorgung und dem neuen Verpackungsgesetz gab es Durchbrüche. Außerdem legte die SPD-Ministerin einen Gesetzentwurf zur Endlager-Suche für Atommüll vor und, zusammen mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), einen Gesetzentwurf zum Thema Carsharing.

Dämmstoffe: Aufschub für die HBCD-Entsorgung

Abgeräumt im Kabinett wurde das Problem HBCD – Abkürzung für eine Chemikalie mit dem sperrigen Namen Hexabromcyclododecan. HBCD soll die Entflammbarkeit entzündlicher Materialien reduzieren und steckt vor allem in Dämmplatten zur Isolierung von Hausfassaden, Kellern, Dächern oder Bodenplatten von Gebäuden. Weil HBCD seit Oktober als gefährlicher Abfall gilt, ist die Entsorgung schwierig und teuer geworden – viele Bauherren blieben auf ihrem Müll sitzen. Jetzt stimmte das Kabinett dem Bundesratsbeschluss für ein einjähriges Moratorium bei der Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmplatten zu. Damit können gebrauchte Dämmstoffe aus Polystyrol, die das Flammschutzmittel enthalten, weiterhin zusammen mit normalen Bauabfall entsorgt werden.

Die Wirtschaft begrüßte die Regelung, warnte aber davor, das Thema aus den Augen zu verlieren, um nicht in einem Jahr erneut vor demselben Problem zu stehen. Ansonsten drohe ein erneuter Entsorgungsnotstand im Dämmstoffbereich, warnte Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Hendricks kündigte an, das Bundesumweltministerium werde die Länder bereits im Januar zu einem Gespräch einladen, in dem chemikalien-, immissionsschutz- und abfallrechtliche Fragestellungen diskutiert werden sollten.

Verpackungsgesetz: Weniger Abfall

Beschlossen im Kabinett wurde der Entwurf des Verpackungsgesetzes. Damit sollen Verpackungsabfälle effektiver vermieden und recycelt werden können. Der Entwurf ist indes umstritten. Die Regierung verpasse die Chance, die Mülltrennung durch eine einheitliche Wertstofftonne grundlegend zu vereinfachen, kritisierte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Statt einer umfassenden Neuregelung präsentiere die Umweltministerin einen politischen Kompromiss. Bereits im Sommer habe sie einer verbraucherfreundlichen Wertstofftonne eine Absage erteilt, führte das IW weiter aus.

Verbraucher dürften also weiterhin nur Verpackungen in die Gelbe Tonne werfen. Abfall aus wertvollen Rohstoffen, der nicht als Verpackung gilt, würde nach wie vor zum großen Teil verbrannt. Laut Umweltbundesamt gehen der Kreislaufwirtschaft dadurch jedes Jahr rund fünf Kilogramm pro Einwohner an Wertstoffen verloren. Mit dem aktuellen Entwurf, so das IW, „verzichtet Deutschland somit auf mehr als 400.00 Tonnen an wiederverwertbarem Müll für die Industrie“. Freuen dürften darüber nur die Kommunen, die sich den Abfall in der Restmülltonne wie gehabt von den Haushalten bezahlen ließen.

Der Entwurf erweise der Umwelt einen Bärendienst, kritisierte Peter Meiwald, Grünen-Sprecher für Umweltpolitik. „Es ignoriert das Kreislaufwirtschaftsgesetz, da es keine Anreize für Müllvermeidung setzt und auch noch die Mehrwegquote streicht.“ Der Gesetzentwurf wird jetzt dem Bundesrat zur Stellungnahme und danach dem Bundestag zugeleitet.

Endlager-Suche: Atommüll-Frage soll endlich gelöst werden

Ebenfalls verständigt hat sich das Bundeskabinett auf einen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes. In einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren solle bis 2031 in Deutschland ein Endlagerstandort gefunden werden. Das Standortauswahlgesetz legt dafür Entscheidungsgrundlagen, fachliche Kriterien und Anforderungen fest. „Mit diesem Gesetzentwurf ziehen wir endgültig einen Schlussstrich unter die alte Methode Endlager“, sagte Hendricks.

Die politisch willkürliche Festlegung eines Standorts „war ein historischer Fehler, den wir hiermit korrigieren“. Auf Basis des Gesetzes lasse sich die Jahrtausendaufgabe Endlagersuche mit breiter Legitimation lösen. Bei der Suche wird das gesamte Bundesgebiet betrachtet, ohne bestimmte Regionen zu bevorzugen und ohne bestimmte Regionen von vornherein auszuschließen. Geplant sind Fach- und Regionalkonferenzen, um die Akzeptanz des Auswahlverfahrens zu erhöhen.

Carsharing: Neue Anreize

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Kommunen zusätzliche Anreize wie reduzierte Parkgebühren und spezielle Stellflächen für Carsharing-Fahrzeuge schaffen können. Damit soll Carsharing für Autofahrer attraktiver werden. Die konkrete Entscheidung liegt im Ermessen der jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörde, teilte das Umweltministerium mit. Die Vorrechte sollen sowohl für stationsgebundene Fahrzeuge gelten als auch für Wagen, die an beliebigen Stellen einer Stadt abgeholt und abgestellt werden können.

Das Gesetz soll – so das Ministerium – noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Der Bundesverband Carsharing (bvs) begrüßte die Regelungen, forderte aber die „baldige Bekanntgabe der Verordnungstexte“ ein, mit denen das Gesetz umgesetzt werden soll. Nach Verbandsangaben ersetzt derzeit ein Carsharing-Fahrzeug in innenstadtnahen Wohngebieten bis zu 20 private Pkw.

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