
Das Bruttoinlandsprodukt werde im kommenden Jahr um 1,9 und 2017 um 1,8 Prozent zulegen, teilte die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) am Montag mit. Dieses Jahr soll es dagegen lediglich zu einem Plus von 1,5 Prozent reichen. "Das Wirtschaftswachstum wird 2016 voraussichtlich steigen, da ein robuster Arbeitsmarkt, tiefe Zinsen und niedrige Ölpreise den privaten Verbrauch fördern", erklärte die OECD.
Auch steigende Staatsausgaben für die Integration von Flüchtlingen kurbeln demnach die Konjunktur an. "Das wird deutliche Kosten verursachen" sagte OECD-Experte Christian Kastrop. Allein die Bundesregierung will für kommendes Jahr acht Milliarden Euro für die Bewältigung der Flüchtlingskrise lockermachen. "Das ist ein zusätzlicher Nachfrageimpuls für die deutsche Wirtschaft", sagte Kastrop.
Deutschland könnte auch langfristig von der starken Zuwanderung profitieren. "Das ist ein Gewinn", sagte Kastrop. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Flüchtlinge möglichst rasch einen Job erhalten. Notwendig seien vor allem eine rasche Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse und eine gute Bildung für die Kinder von Asylbewerbern. Eine Abschaffung des Mindestlohns, um so mehr Jobs für Asylbewerber zu schaffen, hält die OECD allerdings für falsch. "Man sollte nicht Eckpfeiler des Sozialsystems aushebeln", sagte Kastrop. "Das bringt Unsicherheit in den Arbeitsmarkt."
Schwächere Konjunktur in Europa und der Welt
Das Wirtschaftswachstum im Euroraum wird nun für 2015 auf 1,5 Prozent und für 2016 auf 1,8 Prozent geschätzt, was einer Reduzierung von 0,1 Prozentpunkten in jedem Jahr entspricht.
In wirtschaftlicher Hinsicht stellt die europäische Flüchtlingskrise einen dringend benötigten möglichen Schub dar, sagte die OECD. Sie schätzt, dass der Zustrom von Flüchtlingen das Wachstum 2016 und 2017 um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte erhöhen könnte aufgrund der zusätzlichen Staatsausgaben.
Die Asylbewerber stellen keine nicht zu bewältigende wirtschaftliche Belastung dar, erklärte die OECD. Wenn die Flüchtlinge, die bleiben, rasch in die europäische Gesellschaft integriert werden, dürften sie ein Gewinn für die Aufnahmeländer sein, schrieb sie weiter.
Die US-Expansion sieht die OECD auf Kurs, sie prognostiziert für dieses Jahr ein Wachstum von 2,4 Prozent und für 2016 von 2,5 Prozent. Die Organisation gab auch eine erste Indikation für 2017 und erwartet eine weltweite Steigerungsrate von 3,6 Prozent, wobei sie das Wachstum im Euroraum auf 1,9 Prozent veranschlagt und in den USA 2,4 Prozent erwartet.
Ihre weltweiten Konjunkturprognosen hat die OECD hingegen zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten gesenkt. Hintergrund: Das schwächere Wachstum in den Schwellenländer-Märkten greift auf Länder wie Deutschland und Japan über.
Das weltweite Bruttoinlandsprodukt werde 2015 um 2,9 Prozent wachsen und 2016 um 3,3 Prozent, heißt es im Ausblick für die Weltwirtschaft. Im September war sie noch von einem Wachstum von drei Prozent beziehungsweise 3,6 Prozent ausgegangen.
“Die Aussichten für das Weltwirtschaftswachstum haben sich dieses Jahr eingetrübt", schreibt die in Paris ansässige Organisation. "Die Aussichten für die aufstrebenden Volkswirtschaften sind derzeit eine große globale Unsicherheitsquelle."
Russland und Brasilien befinden sich in einer Rezession und China dürfte die schwächste Expansion seit mehr als zwei Jahrzehnten verzeichnen, so dass sich die Volkswirtschaften, die in den vergangenen Jahren das weltweite Wachstum angekurbelt haben, nun abschwächen. Das bekommen die Volkswirtschaften der Industrieländer in Form einer geringeren Nachfrage nach Rohstoffen und Fertigprodukten zu spüren.