Das deutsche Straßendilemma Wir fahren auf einem Haufen Schrott

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Ungerechter Bundesverkehrswegeplan

In dem gleichen Bundesverkehrswegeplan, in dem Verkehrsminister Dobrindt für eine Brücke und gegen einen Tunnel in Leverkusen entschieden hat, finden sich auch Projekte aus seinem Wahlkreis: die Ortsumfahrungen von Garmisch und Oberau zum Beispiel. Allein die fast ausschließlich durch Tunnel mögliche Entlastung der 3000-Seelen-Gemeinde Oberau vom Lärm der Bundesstraße lässt sich der Bund mindestens 200 Millionen Euro kosten, die 150 000 Leverkusener dagegen sollen eine der meistbefahrenen Autobahnen des Landes auch weiterhin, auf Stelzen thronend, mitten in der Stadt bewundern dürfen.

Von der formalen Bürgerbeteiligung, die am Ende die Interessen der Bürger ungehört verhallen lässt, ist derweil nur eines geblieben: die Komplexität des Verfahrens. Schon das Ziel, die beiden Brücken in Leverkusen innerhalb von zehn Jahren zu erbauen, gilt als außerordentlich ambitioniert. Und wird nur durch eine Sonderregelung möglich. Extra für den Fall Leverkusen wurde im vergangenen Jahr eine Abkürzung auf dem juristischen Instanzenweg geschaffen. Die Einsprüche gegen das Projekt werden gleich vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt, der erste Schritt vor lokalen Gerichten entfällt. Dieses Kurzverfahren ist offenbar auch anderswo dringend nötig, um die ächzende Infrastruktur über die Zeit zu retten, gerade erst hat das Bundesverkehrsministerium weitere 15 Projekte benannt, für welche die Ausnahme gelten soll. Die Sonderbehandlung wird damit zur Regel und beweist so zugleich, dass die Art und Weise, wie Bauplanung in Deutschland ablaufen soll, schon lange nicht mehr praxistauglich ist. Oder, wie NRW-Minister Groschek schimpft: „In Dänemark können sie mit einem Schnellhefter an Akten eine neue Brücke bauen – in Deutschland brauchen sie ein Billy-Regal.“

Das nächste Dilemma der Politik

Doch während die Politik hier zumindest mal ein Hindernis auf dem beschwerlichen Weg zur sanierten Republik abbaut, schafft sie sich an anderer Stelle ein neues. Im Herbst erst haben Bund und Länder sich auf eine neue Verteilung von Geld und Kompetenzen untereinander geeinigt. Teil des Kompromisses: Ab 2020 ist der Bund alleine für den Bau und Betrieb von Autobahnen verantwortlich. Wie genau diese Autobahnbehörde aussehen wird, ist noch völlig unklar, die negativen Folgen der Übergangszeit sind schon jetzt zu spüren.

Auf einem Parkplatz am Rande des Geländes der Aachener Universität findet in diesen Tagen die Firmenkontaktmesse statt. Was früher eine erste Chance für Studenten war, ihre Bewerbungsmappe abzugeben, ist heute ein gigantischer Wettbewerb der großen Konzerne des Landes um die begehrten Ingenieure. Mehr als 300 Unternehmen bezahlen diesmal viel Geld, um zumindest ein paar der begehrten Studenten in ein Gespräch zu verwickeln. Wer es sich leisten kann, bleibt drei Tage mit seinem Stand in den großen Messezelten und bucht noch den Vortragsraum.

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