Vorläufiges Endergebnis: SPD vor der Union Die wichtigsten Zahlen und Informationen zur Wahl im Überblick

Olaf Scholz lässt sich am Wahlabend bei der SPD im Willy-Brandt-Haus von seiner Partei feiern. Quelle: imago images/Emmanuele Contini

Deutschland hat gewählt. Das vorläufige Ergebnis der Bundestagswahl 2021 steht fest. Nach 16 Jahren Angela Merkel steht das Land vor einem einschneidenden Wechsel. Die wichtigsten Informationen im Überblick.

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Die SPD hat die Bundestagswahl knapp gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis wurden die Sozialdemokraten mit Olaf Scholz am Sonntag stärkste Partei. Die CDU/CSU stürzte nach 16 Jahren Regierung von Kanzlerin Angela Merkel mit Armin Laschet auf ein Rekordtief. Trotzdem reklamierte am Wahlabend nicht nur Scholz, sondern auch Laschet den Auftrag zur Regierungsbildung für sich. Beide streben eine Koalition mit Grünen und FDP an. Die wollen jetzt erst einmal untereinander reden.

Nach dem vorläufigen Ergebnis verbessert sich die SPD auf 25,7 Prozent (2017: 20,5). Sie schafft damit einen steilen Aufschwung, noch im Frühsommer hatte sie in Umfragen mit rund 15 Prozent auf Platz drei gelegen. Die Union dagegen erlebt ein historisches Debakel, sie kommt nur noch auf 24,1 Prozent (32,9). Die Grünen erzielen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, bleiben mit 14,8 Prozent (8,9) aber hinter den Erwartungen zurück. Die FDP verbessert sich auf 11,5 Prozent (10,7).

Die AfD, bisher auf Platz drei, kommt nur noch auf 10,3 Prozent (12,6). In Thüringen und Sachsen wird sie aber stärkste Partei. In beiden Ländern steht die AfD im Visier des Landesverfassungsschutzes, in Thüringen wird sie als „gesichert extremistisch“ eingestuft und seit dem Frühjahr beobachtet. Die Linke rutscht auf 4,9 Prozent ab (9,2). Da sie aber drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigt, kann sie trotzdem wieder entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einziehen. Das legt die Grundmandatsklausel fest.

Prozentuale Stimmenverteilung

SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz bekräftigte am Wahlabend und auch am Tag danach seinen Anspruch auf die Nachfolge der 16 Jahren amtierenden Angela Merkel (CDU), die sich nicht wieder zur Wahl gestellt hatte. Die Wähler hätten die SPD klar gestärkt. „Sie haben entschieden, dass die Sozialdemokratische Partei bei allen Balken nach oben geht – und das ist ein großer Erfolg“, sagte er. Die Wähler hätten die SPD wegen ihrer Themen gewählt, wollten Gerechtigkeit und Klimaschutz. „Und auch weil sie wollen, dass der nächste Kanzler dieser Republik Olaf Scholz heißt.“

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet will sich trotz der Verluste die Möglichkeit einer unionsgeführten Bundesregierung offen halten. „Wir werden alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden“, sagt er am Wahlabend und sprach von „Zukunftskoalition“. Damit deutete er ein Bündnis mit FDP und Grünen an. Das Wahlergebnis stelle aber eine große Herausforderung dar. „Deshalb bedarf es jetzt einer großen Kraftanstrengung aller Demokratinnen und Demokraten“, sagt er. „Wir müssen Deutschland zusammenhalten.“

Am Montag nach der Wahl betonte der CDU-Chef seinen Wunsch, Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP zu führen, erneut, sagte aber auch: „Keine Partei kann aus diesem Ergebnis einen klaren Regierungsauftrag ableiten“, sagt Laschet nach dem Gremiensitzungen seiner Partei. Dies gelte auch für die Union, die aber bereit sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Man strebe Gespräche „auf Augenhöhe“ an.

„Ein Machtwechsel liegt in der Luft“, kommentierte der Wahlforscher Karl-Rudolf Korte die ersten Prognosen kurz nach 18 Uhr. „Der Sondierungsmeister wird die nächste Regierung stellen.“ Das sei historisch. In der Hand hätten es nun zudem vor allem FDP und Grüne. „Sie müssen sich entscheiden, ob sie sich der Union oder der SPD näher fühlen“, sagte Korte im ZDF.

Koalitionsoptionen

Es zeichnet sich nun ein Machtkampf um die Regierungsbildung ab: Sowohl SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz als auch sein Konkurrent Armin Laschet für die Union beanspruchen das Kanzleramt für sich. Die Grünen und die FDP – die beide zulegten – finden sich nun in der Rolle als Königsmacher wieder: Beide zusammen können sowohl unter der Führung der SPD als auch der CDU/CSU eine Koalition schmieden.


Unsere Grafik zeigt Ihnen anhand der aktuellen Zahlen, welche Koalitionen rechnerisch möglich wären:

Max Haerder, Cordula Tutt und Sophie Crocoll haben sich an den WiWo-Check gemacht und analysiert, was die Koalitionsoptionen wirtschaftspolitisch bedeuten würden. So dürfte bei Jamaika (Union, Grüne, FDP) steuerpolitisch die erste Amtshandlung eine zügige Abschaffung des Solidaritätszuschlages sein. Die Ampel (SPD, Grüne, FDP) könnte heißen: Soli weg, keine Vermögensteuer, dafür Investitionen rauf für Klima und Bildung, Schuldenbremse später. Außerdem dürfte diese Koalition den Abschied von der verkorksten Riester-Rente bedeuten.


Die vollständige Analyse zu den Koalitionsoptionen lesen Sie hier: Was die Koalitionsoptionen wirtschaftspolitisch bedeuten

Wer es noch genauer wissen möchte, für den lohnt sich womöglich ein ökonomisch versierter Blick auf die Wahlprogramme. Für die WirtschaftsWoche haben vor der Wahl fünf Topökonominnen und -ökonomen die Programme durchleuchtet. Welche Partei verfügt über das wirtschaftspolitisch ambitionierteste Konzept und die klügsten Vorstöße für Deutschland? Die Analyse lesen Sie hier.

Unter den Spitzenkandidaten gewann Scholz zuletzt das Beliebtheitsrennen

Im Fokus standen vor allem in den letzten Tagen und Wochen des Wahlkampfes die drei Kanzlerkandidaten: Armin Laschet (CDU/CSU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne). Wen davon sich die Deutschen am ehesten in der Nachfolge der Angela Merkel wünschten, zeigen die jüngsten Umfragen deutlich:

Für CDU-Mann Laschet will noch immer Bundeskanzler werden. Das macht er weiterhin deutlich, er will Modernisierer sein. Doch in den letzten Wochen vor der Wahl präsentierte sich der Kanzlerkandidat der Zukunft wenig zugewandt. Wo bleibt der Mut für den „Wind of Change“, von dem er im TV-Triell fabulierte? Fragte WiWo-Chefreporter Daniel Goffart vor wenigen Wochen deshalb. Was Armin Laschet von Elon Musk lernen muss, den er neulich bei Tesla in Berlin traf, hat Goffart aufgeschrieben. Mehr dazu lesen Sie hier.

SPD-Kandidat Olaf Scholz ging schon mit einem guten Polster für seine Partei und einem deutlichen Vorsprung auf der Beliebtheitsskala der Kanzlerkandidaten in den Wahltag. Klar ist: Er will die Kanzlerschaft für sich und die SPD beanspruchen. Doch wer ist der Mann eigentlich? Dieser Frage ist auch der Leiter des WiWo-Hauptstadtbüros in Berlin, Max Haerder, nachgegangen. Dafür hat er unter anderem einen tieferen Blick auf eine Begegnung und ein Interview mit Olaf Scholz von vor fünf Jahren geworfen. Seine Annäherung an den SPD-Kanzlerkandidaten lesen Sie hier: Olaf Scholz, liberaler Kaufmanns-Bürgermeister oder doch linker Steuermann?

Die Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock wurde im Frühjahr von Rekord-Umfragewerten für ihre Partei getragen. Im Laufe des Sommers fielen die Prognosen für die Grünen und damit auch die Chancen auf eine grüne Kanzlerinnenschaft. Im Wahlkampf stolperte Baerbock über persönliche Patzer und konnte in den TV-Triells, den Umfragen zufolge, zwar mit Sympathie punkten, aber nicht mit Seriosität. Dabei konnte sie sogar in der Wirtschaft mit dem ein oder anderen Klimakonzept für eine grün-geführte Bundesregierung durchaus punkten. Ein Beispiel: Baerbocks grüner Industriepakt. Dem Vorschlag konnte sogar die Stahlindustrie einiges abgewinnen – unter Bedingungen. (Mehr dazu lesen Sie hier.) Ob die Grünen mitregieren werden, wird sich in den nächsten Tagen oder Wochen zeigen.

WiWo-Entscheiderpanel zeigt: Deutschlands Führungskräfte wollen Lindner

Bei Deutschlands Führungskräften konnte zuletzt übrigens weder Laschet, noch Scholz, noch Baerbock so richtig punkten. Deutsche Führungskräfte setzten nämlich laut dem letzten WirtschaftsWoche-Entscheiderpanel vor der Bundestagswahl vor allem auf eine Beteiligung der FDP. Sie wollen laut der Umfrage Christian Lindner an verantwortlicher Stelle in der kommenden Regierung sehen. Im Entscheiderpanel von dieser Woche rangierte der FDP-Chef vor der Kanzlerkandidatenkonkurrenz von Union und SPD und Grünen. Erstmals. Für das repräsentative Stimmungsbild befragt das Meinungsforschungsinstitut Civey regelmäßig 1500 Führungskräfte aus Wirtschaft und öffentlichem Dienst sowie Selbstständige mit mehr als zehn Mitarbeitern.

1. Niemand, 2. Lindner Das letzte WirtschaftsWoche-Entscheiderpanel vor der Bundestagswahl offenbart eine tiefe Sehnsucht deutscher Führungskräfte nach politischen Alternativen. Die Kanzlerkandidaten und -kandidatin überzeugen nicht (mehr). Am ehesten ruhen die Hoffnungen noch auf FDP-Chef Christian Lindner.
Angaben in Prozent; Frage: „Wen würden Sie bei einer Direktwahl zur Kanzlerin oder zum Kanzler wählen?“; Zielgruppe: Entscheider (volljährige Bundesbürger); Befragungszeiträume 2021: 20./21. April, 19. bis 21. Juli und 8. bis 12. September; * Zahlen gerundet; statistische Fehler: 4,2 bis 4,5 Prozent; Grafik: Gerd Weber; Quelle: Civey WiWo Entscheiderpanel



Mit Material von dpa und Reuters

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