Datenschutz Facebook-Skandal ist vermutlich „nur ein kleines Puzzlestück“

Bundesdatenschützerin Andrea Voßhoff vermutet: Der Facebook-Skandal war der Anfang. Doch auch die neue EU-Datenschutzverordnung reicht nicht aus.

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Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff. Quelle: dpa

Berlin Angesichts des Datenskandals bei Facebook fürchtet die Bundes-Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff ähnliche Vorfälle auch bei anderen Online-Plattformen. Deshalb hält sie es für richtig, dass der Bundestag das Risiko der Datenverarbeitung im Internet grundlegend aufarbeiten will.

„Der aktuell diskutierte Vorfall hat die Risiken der Datenverarbeitung bei Facebook ans Licht geholt“, sagte Voßhoff. „Diese dürfen jetzt nicht wieder im Dunkeln versinken.“ Denn: „So gravierend die Vorwürfe dabei sein mögen, dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie vermutlich nur ein kleines Puzzlestück des datenschutzrechtlich problematischen Geschäftsmodells von entsprechenden Unternehmen sind.“

Erst vor wenigen Tagen berichtete Bloomberg, dass der Kurznachrichtendienst Twitter Daten an Forscher mit Verbindung zu Cambridge Analytica verkauft habe.

Auch wenn man vermeintlich die Spitze des Eisberges umschifft habe, „lauert unter der Wasseroberfläche nach wie vor die Gefahr“, glaubt Voßhoff. „Um diese in den Griff zu bekommen, muss man sich endlich ein detailliertes Bild der unteren sieben Achtel des Eisbergs verschaffen.“

Im März war bekannt geworden, dass von November 2013 bis Mai 2015 eine App mit Facebook verbunden war, die Daten von 87 Millionen Nutzern weltweit erhoben hat. Darunter waren 2,7 Millionen Europäer und etwa 310.000 Deutsche. Ihre Daten wurden anschließend an das Analyseunternehmen Cambridge Analytica weitergeben. Dort wurden sie offenbar auch zur Profilbildung für politische Zwecke verwendet.

Aus diesem Anlass hat der bundesweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar ein Bußgeldverfahren gegen das weltweit größte Online-Netzwerk eingeleitet. Der Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica wirft ein Schlaglicht auf den Umgang mit Nutzerdaten. Und ist aus Voßhoffs Sicht nur ein Beispiel für die vielen Risiken, denen Nutzer des sozialen Netzwerks ausgesetzt sind.

Das zeige auch das Eingeständnis Facebooks gegenüber der US-Börsenaufsicht, dass im Rahmen der Untersuchung des Skandals um Cambridge Analytica weitere Fälle entdeckt werden könnten, in denen Nutzerdaten missbraucht wurden.

Nicht zuletzt aus diesem Grund fordert die Konferenz der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) soziale Netzwerke dazu auf, ihre Geschäftsmodelle an der neuen Datenschutzgrundverordnung auszurichten. Die Konzerne sollen sich neben der rechtlichen aber auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden. „Dazu gehört auch, angemessene Vorkehrungen gegen Datenmissbrauch zu treffen“, heißt es in der Entschließung, die dem Handelsblatt vorliegt.

Facebook wird in dem Dokument aufgefordert, den „wahren Umfang der Öffnung der Plattform für App-Anbieter“ in den Jahren bis 2015 offenzulegen und belastbare Zahlen der eingestellten Apps sowie der von dem Facebook-Login-System betroffenen Personen zu nennen. Außerdem müssten Betroffene über die Rechtsverletzungen informiert werden.

Künftig müsse Facebook zudem sicherstellen, dass die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) rechtskonform umgesetzt würden. „Die Vorstellung von Facebook zur Einführung der automatischen Gesichtserkennung in Europa lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob das Zustimmungsverfahren mit den gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Einwilligung vereinbar ist“, erklären die Datenschützer. „Wenn Facebook die Nutzenden dazu drängt und es ihnen wesentlich leichter macht, der biometrischen Datenverarbeitung zuzustimmen, als sich ihr zu entziehen, führt dies zu einer unzulässigen Beeinflussung des Nutzers.“

Die Experten geben überdies zu bedenken, dass datenschutzwidriges Verhalten auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht betreffe. „Die Forderung nach einer Entflechtung des Facebook-Konzerns wird in dem Maße zunehmen, wie sich dieser durch die systematische Umgehung des Datenschutzes wettbewerbswidrige Vorteile auf dem Markt digitaler Dienstleistungen zu verschaffen versucht“, heißt es in der Entschließung der Datenschützer.

Aus ihrer Sicht bedarf es daher „europäischer Initiativen, um monopolartige Strukturen im Bereich der sozialen Netzwerke zu begrenzen und Transparenz von Algorithmen herzustellen“.

Auch die Datenschutzbehörden sind mehr denn je gefordert. „Um als Aufsichtsbehörde effektiv Vorfälle wie den aktuellen Facebook-Skandal aufklären zu können, muss die Politik Voraussetzungen für ein starkes Datenschutzrecht mit ebenso starken Aufsichtsbehörden schaffen“, sagte Voßhoff. Mit der DSGVO sei hier ein erster Schritt in die richtige Richtung gegangen worden.

Wichtig sei aber nun, diesen Weg konsequent weiter zu gehen und mit der sogenannten ePrivacy-Verordnung die Rechte der Internetnutzer weiter zu stärken. „Denn wer die Digitalisierung erfolgreich gestalten will, muss auch für einen starken Datenschutz sorgen“, sagte Voßhoff.

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