Datenskandal Bundesregierung erwägt strenge Facebook-Regulierung

Die Bundesregierung macht ernst: Wegen des Missbrauchs von Facebook-Nutzerdaten für politische Zwecke prüft sie nun gesetzgeberische Maßnahmen.

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Berlin Die Ansage war scharf. „Es ist an der Zeit für eine deutliche Reaktion der europäischen Staaten. Für Soziale Netzwerke braucht es klare Regeln“, sagte Bundesjustizminister Katarina Barley (SPD) kürzlich angesichts des Skandals um den Missbrauch der Daten von Millionen Facebook-Nutzern.

Die Ministerin plädierte damals noch dafür, dass „klare Anforderungen“ an die Betreiber Sozialer Netzwerke auf europäischer Ebene gesetzlich festgeschrieben werden sollten. Doch darauf will die Bundesregierung nun offenbar nicht mehr warten.

Sie erwägt nun selbst eine strenge gesetzliche Regulierung, wie aus einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner hervorgeht.

„Sofern persönliche Daten von Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern ohne wirksame Einwilligung der Betroffenen und damit unter Verstoß gegen das geltende Datenschutzrecht weitergegeben wurden, um sie etwa für politische Zwecke zu verwenden, ist dieser Vorgang nicht hinnehmbar und muss Konsequenzen haben“, erklärte Mayer in dem Dokument, das dem Handelsblatt vorliegt.

Da demokratische Prozesse aber nicht alleine mithilfe des Datenschutzrechts gesichert werden könnten, wie Mayer in dem Schreiben betont, kommen zusätzliche gesetzgeberische Maßnahmen in Betracht. „Die Bundesregierung wird deshalb über das Datenschutzrecht und über das in 2017 verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz hinaus genau prüfen, ob zur Sicherung demokratischer Prozesse noch weitere Maßnahmen erforderlich sind, etwa im Rahmen der Regulierung von Plattformen“, erklärte der CSU-Politiker. In diese Prüfung werde miteinbezogen, was der EU-Gesetzgeber Initiativen plane.

Anlass für die härtere Gangart ist der Vorwurf an die britische Firma Cambridge Analytica, Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen und damit Wahlkampfhilfe für den US-Präsidenten Donald Trump geleistet zu haben. In Deutschland waren die Daten von 65 Nutzern und potenziell von mehr als 300.000 Freunden dieser Nutzer betroffen.

Angesichts der zunehmenden politischen Manipulation auch von Staaten wie Russland und zunehmenden Hackerangriffen auf politische Institutionen und Unternehmen wächst zusätzlich der Druck, ein gesetzliches Regelwerk auf den Weg zu bringen und spürbare Sanktionen einzuführen.

Jüngst hatte sich auch der Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, Helge Braun (CDU), in die Debatte eingeschaltet. „Wir müssen schnell gesellschaftlich ausgleichende Regelungen für die Nutzung von Daten für die Wissenschaft sowie staatliche und private Dienstleistungen finden“, sagte Braun dem Handelsblatt.
Braun, der im Auftrag von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Digitalpolitik koordiniert, kündigte angesichts des Datenskandals an, bald schon eine Daten-Ethikkommission einzusetzen. Sie solle „deshalb innerhalb eines Jahres für die Bundesregierung eine Grundlage für ein modernes Datenrecht erarbeiten. Dazu gehören alle Bereiche der Datenpolitik, auch der Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen“.

Nach Informationen des Handelsblatts soll die Konstituierung der Kommission „zu den ersten Dingen gehören“, die der Kanzleramtschef als Koordinator der Digitalpolitik auf den Weg bringen wird. So verlautete es aus der Regierungszentrale. Für die Steuerung des Politikfeldes, für das viele Ministerien zuständig sind, wird Braun 26 neue Stellen im Kanzleramt besetzen können.

Die Grünen-Politikerin Rößner hält einen Handlungsbedarf für überfällig. Seit Jahren werde in verschiedenen Kreisen über die Regulierung von sogenannten Intermediären wie Google, Facebook und Twitter gesprochen. Doch die Bund-Länder-Kommission zur Medienregulierung habe in der vergangenen Legislaturperiode keinerlei Vorschläge gemacht, wie beispielsweise Algorithmen kontrolliert und Missbrauch verhindert werden könne, sagte Rößner dem Handelsblatt.

„Völlig außen vor bleibt auch die Frage, wie mit Markt- und Meinungsmacht von Internetkonzernen umzugehen ist und die Gefahr des Missbrauchs durch diese Stellung abgewendet werden kann, oder inwieweit Intermediäre wie Facebook unter medienrechtliche Regulierungen fallen müssen.“
Von der Bundesregierung forderte Rößner daher, endlich ihrer „Schutzpflicht“ gegenüber den Bürgern gerecht zu werden. „Unternehmen alleine nur mit erhobenem Zeigefinger zum Gespräch zu bitten, ist eindeutig zu wenig“, fügte die Grünen-Politikerin mit Blick auf die Gespräche einzelner Facebook-Manager mit dem Bundesjustizministerium hinzu.
Ein hartes Vorgehen gegen Facebook hatte auch schon Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) gefordert. „Facebook muss weltweit einheitlich streng reguliert werden“, sagte Kauder kürzlich der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „In Europa sollten wir hier Vorreiter sein.“

Kauder zeigte sich empört darüber, dass Facebook Millionen von Nutzern weltweit an der Nase herumgeführt habe. Die missbräuchliche Nutzung der Daten durch Cambrigde Analytica sei Facebook lange bekannt gewesen, ohne dass etwas unternommen worden sei – „und das, obwohl damit die Präsidentschaftswahl in den USA beeinflusst wurde“. „Was für ein gröberes Vergehen kann es in einer Demokratie geben? Das ist doch unfassbar“, sagte Kauder.
Hinzu komme, dass Facebook auch nichts gegen die russischen Troll-Fabriken unternommen habe, die in verschiedenen Ländern Wahlen beeinflusst hätten. Facebook habe somit „der Demokratie auf der ganzen Welt schweren Schaden zugefügt“, betonte Kauder. Und er fügte hinzu: „Mit einem einfachen Sorry ist es nicht getan.“

Der Ansicht ist auch der bundesweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, der gegen Facebook wegen des Vorwurfs des Datenmissbrauchs ermittelt. Gegen den US-Konzern sei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden, teilte der Sprecher der Behörde, Martin Schemm, kürzlich mit. Zunächst sei das soziale Netzwerk schriftlich zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Dann beginne eine Anhörung.
Caspar verlange Aufklärung über den automatisierten Abruf von Nutzer-Daten über Apps, sagte der Sprecher. Dem Unternehmen droht ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro. Hintergrund sind Zugriffsmöglichkeiten, die App-Entwickler auf Daten Dritter hatten.

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