Datenskandal Bundestag will Facebook-Geschäftsführerin Sandberg vorladen

Immer noch unklar ist, ob deutsche Nutzer von Datenmissbrauch betroffen sind. Jetzt soll die US-Konzernführung Auskunft geben.

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Bundestag will Facebook-Geschäftsführerin Sandberg vorladen Quelle: Reuters

Berlin Nach der Befragung deutscher Facebook-Vertreter im Bundestag verlangen die Parlamentarier nun auch von der US-Führung des Internetkonzerns Auskunft über die Datenaffäre. „Die Facebook-Vertreter meinten, es könnte noch viele weitere Fälle geben, in denen wie im Fall von Cambridge Analytica über eine Quiz-App Informationen über die Nutzer und deren Freunde massenhaft abgeflossen sind. Genau konnten sie das aber nicht sagen“, sagte der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek dem Handelsblatt nach dem Treffen mit den Facebook-Abgesandten in Berlin. Im Detail seien sie „viele Antworten“ schuldig geblieben.

„Wir werden deshalb die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg nach Ostern in den Ausschuss einladen“, sagte Jarzombek weiter. „Wir wollen wissen, ob auch deutsche Nutzer von Datenmissbrauch betroffen sind.“ Außerdem solle Sandberg darüber aufklären, wie viele Apps es auf der Facebook-Seite gebe, um damit Datenbestände zu generieren. „Vor allem wollen wir wissen, ob zu der Quiz-App vergleichbare Apps auf Deutsch eingesetzt werden, um mit den daraus gewonnen Daten Wahlen zu beeinflussen.“

Die Frage, ob und wie viele der mehr als 30 Millionen Facebook-Nutzer in Deutschland betroffen gewesen sein könnten, wird am Montag auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) ranghohen Vertretern von Facebook Europe stellen.

Politiker von SPD und Grünen befürchten weitere Fälle von Datenmissbrauch bei Facebook. Im Digitalausschuss hätten die deutschen Vertreter des US-Konzerns gesagt, dass nun alle weiteren Apps mit Zugang zu Nutzerdaten untersuchen würden. „Daraus kann man nur den Schluss ziehen, dass sie nicht ausschließen können, dass es weitere Fälle geben kann“, sagte der Digitalexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, dem Handelsblatt. Bei der Befragung im Ausschuss sei deutlich geworden, dass Facebook das Ausmaß der Probleme selbst nicht einschätzen könne. „Umso mehr befremden mich Aussagen, dass das Unternehmen keine Rechtsbrüche begangen haben will.“

Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek hält es nach der heutigen Befragung für „extrem unwahrscheinlich“, dass Cambridge Analytica der einzige Fall bei Facebook von massenhaftem Missbrauch von Nutzerdaten sein soll.

„Facebook hat offensichtlich über viele Jahre auf eine wirksame Kontrolle verzichtet und fühlt sich auch weiterhin an geltendes Recht nicht gebunden“, sagte Janecek dem Handelsblatt. Janecek verlangte Konsequenzen. „Die wirksame Regulierung großer Internetplattformen auch in steuerlicher Hinsicht muss endlich ins Zentrum der politischen Debatte“, sagte er. „Technologie ist für die Menschen da, nicht umgekehrt.“

Am vergangenen Wochenende war bekannt geworden, dass die britische Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica sich unerlaubt Zugang zu einigen Daten von mehr als 50 Millionen Profilen von Facebook-Nutzern verschafft hat. Mit dem Datenbestand soll auch gezielt der Wahlkampf von US-Präsident Trump unterstützt worden sein. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte sich nach tagelangem Schweigen entschuldigt und weitere Änderungen beim Zugang zu den Nutzerdaten angekündigt.

Bundesjustizministerin Barley erhob schwere Vorwürfe gegen das Facebook. Vorstandschef Mark Zuckerberg habe selbst eingestanden, dass der Fehler im System liege. Es sei somit „kein Datenleck“ gewesen, sagte Barley dem Handelsblatt. „Facebook hat die Türen zu seinem System selbst geöffnet“, fügte die Ministerin hinzu und betonte: „Es ist das Geschäftsmodell von Facebook, seine Nutzer bis ins Kleinste auszuforschen und jeden Klick zu analysieren, um Werbeumsätze zu maximieren.“

Auch für die Grünen-Politikerin Tabea Rößner Problem liegt das Problem im Geschäftsmodell von Facebook, das auf der Ökonomisierung von Daten beruhe. „Diese Schlampigkeit von Facebook beim Datenschutz macht mich fassungslos, die Bundesregierung muss jetzt auf eine umfassende Aufklärung drängen“, sagte Rößner dem Handelsblatt. Zugleich widersprach sie der Behauptung von Facebook, dass die Verwertung von Daten und Kontakten von Freunden ohne das Wissen der Nutzer ausgeschlossen werden könne.

Solange es keine datenschutzrechtlichen Einstellungen („Privacy by Default“; Grundeinstellungen für den Schutz der Privatsphäre) gebe, seien solche Beteuerungen nichts wert. „Dass ein Nutzer einen versteckten Opt-Out-Knopf nicht gefunden und geklickt hat, kann nicht als informierte Einwilligung gelten – erst recht nicht für die Nutzung der Daten von Freunden“, sagte Rößner.

Es sei „wichtig und geboten, dass die Nutzer sich überlegen, wem geben Sie Informationen preis, wie und in welcher Weise willigen sie in was ein“, sagte die Datenschutzbeauftragte des Bundes, Andrea Voßhoff. Ähnlich formulierte es die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär (CSU), der „Passauer Neuen Presse“: „Dazu gilt auf Facebook das Gleiche wie im Internet: Alles hat seinen Preis. Angebliche Kostenlos-Angebote bezahlen Sie mit der harten Währung Ihrer persönlichen Daten.“

Für kommenden Montag hat Barley Spitzenvertreter von Facebook Europe zum Gespräch geladen. Erwartet wird unter anderem der europäische Politik-Verantwortliche Richard Allan.

Im Interview mit dem Handelsblatt kündigte Barley erste Konsequenzen an. Sie nahm dabei Bezug auf das sogenannte Micro-Targeting – eine Methode, bei der mit Hilfe von Algorithmen gezielt Werbung ausgespielt werden kann. Auf diese Weise soll „Cambridge Analytica“ mit Facebook-Nutzerdaten womöglich Trump zum Sieg bei der US-Präsidentenwahl verholfen haben. Die Methode, Daten zu analysieren und Profile zu erstellen, um etwa gezielt Werbung zu verschicken, ist auch im Online-Marketing verbreitet.

Auf die Frage, ob sie beim Einsatz von Algorithmen einen Regelungsbedarf sehe, antwortete Barley: „Ja, wir wollen Algorithmen transparenter machen. Es muss klarer erkennbar sein, nach welchen Programmcodes Unternehmen wirklich vorgehen.“ Vor allem im Hinblick auf „unzulässige Diskriminierung und Betrug“ von Verbrauchern.

Die Ministerin wies überdies darauf hin, dass auch die Europäische Union künftig für Fälle von Datenmissbrauch gewappnet sein werde. „Europa hat eine Antwort auf Datenskandale, wie wir sie gerade erleben“, sagte die SPD-Politikerin. Die EU-Datenschutz-Grundverordnung bringe ab Mai europaweit hohe Standards. „Vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes als Geldbuße können auch großen Digitalkonzernen richtig wehtun.“ Nötig seien daher „starke Datenschutzaufsichtsbehörden, die dieses Recht durchsetzen“.

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