Datenskandal FDP und Grüne werfen Justizministerin Barley Versagen im Umgang mit Facebook vor

Das Justizministerium setzt im Umgang mit Facebook auf Härte. Bei einer Anhörung im Bundestag war davon wenig zu hören. Die Opposition äußert scharfe Kritik.

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„Vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes als Geldbuße werden auch großen Digitalkonzernen richtig wehtun.“ Quelle: dpa

Berlin FDP und Grüne haben Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) Versagen im Umgang mit Facebook vorgeworfen. Anlass ist ein am heutigen Mittwoch im Bundestagsrechtsausschuss vorgetragener Bericht des Ministeriums zu den Gesprächen Barleys mit Vertretern des Internetkonzerns zum Datenskandal um die Beratungsfirma Cambridge Analytica.

„Es ist angesichts der möglichen Folgen solchen Datenmissbrauchs mehr als erschreckend, mit welcher Plan- und Konzeptlosigkeit das Ministerium heute aufgetreten ist“, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, dem Handelsblatt.

„Nicht nur zeugten die Antworten zum größten Teil von Unwissenheit, es wurde zudem offensichtlich, dass die Bundesregierung keine klare Linie gegenüber Facebook gezeigt hat.“ Vielmehr verlasse man sich auf „die reinen Werbebotschaften des Unternehmens, in denen sie die Datenschutzgrundverordnung „ja loben würden“.

Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, äußerte scharfe Kritik: „Das Gespräch von Bundesjustizministerin Barley mit Facebook war offenbar eine reine PR-Geschichte“, sagte Buschmann dem Handelsblatt. „Weder gab es eine rechtliche Würdigung im Vorhinein noch hat das Ministerium im Nachgang einen Zeit-Maßnahmen-Plan darlegen können. Das wird der Sache bei weitem nicht gerecht.“

Justiz-Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl (SPD) hatte zuvor die von Facebook in der Zwischenzeit getroffenen Maßnahmen als einen guten Anfang bezeichnet, die aber noch nicht ausreichen würden. So gebe es zu der angekündigten Transparenz keine detaillierten Angaben, sagte Hagl-Kehl laut dem Protokoll der Ausschusssitzung. Über die von Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf der US-Senatsanhörung gemachten Aussagen hinaus habe die Bundesregierung keine weiteren Erkenntnisse.

Die britische Firma Cambridge Analytica hatte Daten von bis 87 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen, um den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump zu unterstützen. In Deutschland waren die Daten von 65 Nutzern und potentiell die von knapp 310.000 Freunden dieser Nutzer betroffen. Rein kosmetische Änderungen reichten bei Facebook nicht aus, um das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen sagte Hagl-Kehl.

Positiv wertete Rößner den Auftritt der Bundesdatenschutz-Beauftragten Andrea Voßhoff im Rechtsausschuss. Ihr Appell an das Parlament und die Bundesregierung, den Facebook-Skandal endlich dafür zu nutzen, ein umfassendes Datenschutzpaket auf den Weg zu bringen, sei „ein Lichtblick“ gewesen. Das umfasse nicht nur die ab Mai geltende EU-Datenschutzgrundverordnung, sondern auch eine „starke e-privacy-Verordnung“ zum besseren Schutz von Kommunikationsdaten, eine Regulierung von Algorithmen sowie kartell- und verbraucherschutzrechtliche Aspekte.

Voßhoff hatte laut Bundestagsprotokoll zunächst erklärt, dass ihre Behörde keine eigenen Erkenntnisse zum Facebook-Datenskandal mangels Zuständigkeit habe, die in Deutschland bei dem Hamburger Datenschutzbeauftragten liege. Den Datenschutzskandal bezeichnete sie als „Spitze eines Eisbergs“, denn es gebe mehre Apps, die Daten „abernten“ und die so gewonnenen Profile für verschiedene Zwecke benutzen würden. Daraus leite sich eine „alarmierende Fragestellung“ ab, sagte Voßhoff.

Die Menschen würden zunehmend gläserner, was die Möglichkeit eröffne, deren Meinungsbildung zu beeinflussen. Dies betreffe Persönlichkeitsrechte und belege eindrucksvoll die Notwendigkeit des Datenschutzes. Es sei daher unverzichtbar, die zuständige Aufsicht zu stärken. Aktuellen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die oberste Datenschützerin aber nicht.

Die am 25. Mai in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung stelle ein „durchaus ausreichendes Instrumentarium“ zur Verfügung. Auch in Bezug auf Facebook sei dies „durchaus tragfähig“. Ihrer Meinung nach gehört indes eine Grundsatzdebatte über die Folgen der Digitalisierung auf die parlamentarische Tagesordnung.

In Europa tritt in gut einem Monat die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft. Im Kern geht es darum, dass Personen nun der Verarbeitung ihrer Daten zustimmen müssen. Facebook beginnt in dieser Woche mit der Umsetzung der neuen Vorgaben. Nach und nach will das Unternehmen bei seinen europäischen Nutzern - 370 Millionen im Monat - nun die Erlaubnis für verschiedene Vorgehensweisen einholen, mit denen Daten genutzt werden.

Barley mahnte indes bei einer Veranstaltung am Dienstagabend in Berlin, in der Regulierungsdebatte den Fokus nicht nur auf Facebook zu lenken. „Bei Google und Amazon stellen sich ähnliche Fragen“, sagte die Ministerin. Von der Datenschutzgrundverordnung sprach die SPD-Politikerin in diesem Zusammenhang als einem „universellen Maßstab für weltweites Handeln“, auf den man stolz sein könne. Barley äußerte sich beim Kongress „Ethik und Digitalisierung“ der Wegweiser GmbH im Berliner Humboldt-Careé.

In diesem Sinne verspricht sich Barley auch eine entsprechende Wirkung auf Facebook. Die von Cambridge Analytica betriebene politische Manipulation mit persönlichen Facebook-Nutzerdaten sei eine „gefährliche Situation“, sagte sie. „Am Ende muss man die Leute, den Konzern an den Hammelbeinen greifen, da wo es wehtut.“ Und das seien die in der Datenschutzgrundverordnung vorgesehenen Bußgelder.

Die EU kann vom 25. Mai an bei gravierenden Verstößen bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens als Bußgeld verhängen. Das wären bei Facebook, das 2017 über 40,6 Milliarden Dollar umsetzte, rund 1,6 Milliarden Dollar. Angesichts dieser Summe werde sich das Unternehmen gut überlegen, ob es die geltenden Regeln einhalte, so Barley.

Mit Spannung erwartet wird eine gemeinsame Sitzung des Rechtsausschusses und des Ausschusses Digitale Agenda am Freitag, bei der die Abgeordneten den Facebook-Vizepräsidenten Joel Kaplan befragen werden. Dabei geht es laut Tagesordnung um den Missbrauch von Benutzerdaten der Facebook-Kunden und weiterer Internet-Nutzer.

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