Datenskandal Grüne fordern Aufklärung und Regulierung bei Facebook

Bundesjustizministerin Katarina Barley trifft sich am Nachmittag mit Facebook-Vertretern. Die Grünen fordern von ihr aufzuklären und zu regulieren.

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Grüne fordern Aufklärung und Regulierung bei Facebook Quelle: AP

Berlin Kaum im Amt ist die neue Bundesjustizministerin Katarina Barley extrem gefordert. Im Skandal um die unerlaubte Nutzung von Millionen Facebook-Nutzern durch die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica trifft die SPD-Politikerin am Nachmittag Facebooks Vize-Europachef Richard Allan und weitere Vertreter des US-Konzerns in Berlin.

Sie sollen „umfassend“ darüber aufklären, ob deutsche Nutzer betroffen seien und was Facebook zu tun gedenke, um so etwas in Zukunft zu verhindern. „Grenzen gegenüber der Marktmacht von solchen Unternehmen dürfen wir nicht akzeptieren“, sagte Barley im Vorfeld des Treffens im ZDF.

Die Opposition überzeugt diese Ankündigung noch nicht. „Es ist absolut unzureichend, wenn die neue Justizministerin jetzt Facebook erneut zu Gesprächsrunden ins Ministerium lädt“, sagte Konstantin von Notz, Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, dem Handelsblatt. Dies habe ihr Vorgänger bereits zu Genüge getan. „Jetzt ist nicht die Zeit für ministerielle Kaffeerunden, sondern die der Aufklärung und Regulierung“, sagte von Notz. „Seit Jahren fordern wir die Bundesregierung auf, endlich für den Grundrechtsschutz der 30 Millionen deutschen Nutzerinnen und Nutzern zu sorgen.“

Doch geschehen sei auf nationaler Ebene so gut wie nichts. Die Bundesregierung müsse endlich umsteuern, so Netzpolitiker von Notz. „Dazu gehört auch, die rechtlich zuständigen Aufsichtsbehörden endlich im Kampf für um die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer zu unterstützen.“

Das Treffen am Montag ist das erste nach Bekanntwerden des Datenschutzskandals beim weltweit größten sozialen Netzwerk rund um die US-Wahl 2017. Bei dieser soll die Datenfirma Cambridge Analytica mit den Profildaten von über 50 Millionen Facebook-Nutzern möglicherweise Donald Trump durch manipulierte Werbung zum Wahlsieg verholfen haben. Das so genannte Micro-Targeting macht es möglich – eine Methode, bei der mit Hilfe von Algorithmen gezielt Werbung ausgespielt werden kann.

Dass solche Prozesse transparenter gemacht werden sollen, forderte Barley bereits vor dem Treffen mit den Vertretern von Facebook. „Es muss klarer erkennbar sein, nach welchen Programmcodes Unternehmen wirklich vorgehen“, so die 49-Jährige gegenüber dem Handelsblatt. Dies gelte vor allem im Hinblick auf „unzulässige Diskriminierung und Betrug“ von Verbrauchern.

Barley hat damit einen wunden Punkt getroffen. Viele Politiker fordern schärfere Branchen-Vorgaben. „Datensammlungen und deren Analyse bilden den Kern zahlreicher Geschäftsmodelle und bieten immer individuellere Einblicke in unser Leben“, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Jens Zimmermann, dem Handelsblatt. „Deshalb ist es zwingend nötig, das Geschäftsgebaren von Unternehmen wie Facebook genau zu beobachten und – wo nötig – die Nutzer zu schützen.“

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, warf Facebook missbräuchliches Verhalten beim Sammeln von Daten vor. „Wir gehen nach derzeitigem Stand davon aus, dass Facebook sich zumindest beim Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquellen außerhalb von Facebook missbräuchlich verhält“, sagte Mundt dem Berliner Tagesspiegel. „Mithilfe von Schnittstellen fließen teilweise auch dann Daten an Facebook, wenn man andere Internetseiten besucht. Dies geschieht sogar schon, wenn man beispielsweise einen Gefällt Mir-Button gar nicht nutzt, aber eine entsprechende Seite aufgerufen hat, in die ein solcher Button eingebettet ist“, kritisierte der Wettbewerbshüter. Den Nutzern sei das nicht bekannt.

Das Bundeskartellamt prüft derzeit in einem laufenden Verfahren, wie stark Facebook ist und ob das Netzwerk seine starke Position gegenüber den Kunden missbraucht. „Nach unserer bisherigen Einschätzung hat Facebook im Bereich der sozialen Netzwerke eine marktbeherrschende Stellung“, sagte Mundt. „Für solch starke Unternehmen gelten bestimmte kartellrechtliche Vorschriften: Sie dürfen ihre Marktmacht gegenüber den Kunden nicht missbräuchlich ausnutzen.“

Facebook hatte sich wenige Tage nach Bekanntwerden des Datenschutzskandals in ganzseitigen Zeitungsanzeigen entschuldigt. Da hieß es, Facebook verdiene es nicht, persönliche Informationen zu führen, wenn es diese nicht schützen könne. Eine App, die von einem Wissenschaftler der Cambridge-Universität entwickelt worden sei, habe vor vier Jahren die Facebook-Daten von Millionen Menschen preisgegeben. „Das war ein Vertrauensbruch, und es tut mir leid, dass wir zu dem Zeitpunkt nicht mehr getan haben“, erklärte Gründer und Chef Mark Zuckerberg in den Anzeigen. Facebook ergreife jetzt Schritte, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiere.

Der Manipulationsskandal kostete den Facebook-Konzern viel Vertrauen seiner Nutzer und seiner Anleger. Der Aktienkurs des Unternehmens fiel zeitweise um bis zu sieben Prozent. Einige prominente bisherige Nutzer riefen unter dem Hashtag #deletefacebook dazu auf, das eigene Profil zu löschen und aus dem Netzwerk auszusteigen. So ließ Elon Musk die Facebookseiten seiner Unternehmen Tesla und SpaceX löschen. Beide Seiten erreichten zusammen vorher rund fünf Millionen Follower.

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