Datteln 4 Der „größte Schwarzbau Deutschlands“ geht ans Netz

Datteln 4 wird wohl offiziell ans Netz gehen – nach 13 Jahren Wartezeit und rund 1,5 Milliarden Euro Kosten. Quelle: dpa

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet drückt sein Kohleprojekt durch – zur Freude des Stromkonzerns Uniper, der doppelt profitieren könnte. Und zum Ärger von Umweltverbänden und „Fridays for Future“.

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Bund und Länder haben sich auf einen Fahrplan zum Kohleausstieg geeinigt. Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 wird offiziell ans Netz gehen – nach 13 Jahren Wartezeit und rund 1,5 Milliarden Euro Kosten. Am Morgen nach dem Kohlegipfel bekräftige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dass Datteln 4 in Betrieb genommen werde: „Es läuft ja schon an,“ so Laschet.

Das Kraftwerk Datteln am Dortmund-Ems-Kanal wurde schon in den Sechzigerjahren Jahren in Betrieb genommen, damals noch mit drei Kraftwerksblöcken. Die ab 1964 gebauten Blöcke 1 bis 3 mit einer Leistung von insgesamt 300 Megawatt hatten ihre maximale Laufzeit nach rund 40 Jahren erreicht und sind seit 2014 stillgelegt. Schon 2006 stellte E.on, heute Uniper, den Antrag auf Genehmigung eines neuen Kraftwerksblocks, Datteln 4 genannt. Durch den Neubau mit einer elektrischen Leistung von mehr als 1000 Megawatt wollte der Düsseldorfer Energiekonzern die bisherigen Standortkapazitäten in Datteln verdreifachen.

Ein Jahr später begann der Bau von Datteln 4, die Inbetriebnahme wurde auf 2011 terminiert. Doch beides verzögerte sich immer wieder. Auf der einen Seite wurde wiederholt der Bebauungsplan durch Gerichte für unwirksam erklärt. Andererseits kam es zu Protesten aus der Gesellschaft. Umweltverbände wie der BUND reichten schon 2007 und 2008 Klagen gegen die Planfeststellung sowie die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ein. Im Juni 2012 hob das Oberverwaltungsgericht Münster daraufhin den Genehmigungsbescheid auf. Ende Juni 2013 bestätigte sogar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Anlage nicht rechtmäßig gewesen war. E.on störte das allerdings nicht: Der Kraftwerksbau wurde vorangetrieben, was Datteln 4 zwischenzeitlich den Spitznamen „größter Schwarzbau Deutschlands“ einbrachte. Der Weiterbau wurde durch die intensiven Bemühungen der Stadt Datteln, der Landespolitik und des Regionalverbandes Ruhr (RVR) befeuert. Selbst die rot-grüne Regierung unter Hannelore Kraft (SPD) sprach sich 2012 für eine Inbetriebnahme aus.

Erst mit dem Kompromiss zum Kohleausstieg vor ziemlich genau einem Jahr schienen die Tage für das Kraftwerk endgültig gezählt. Darin einigten sich die Kohleländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen unter anderem darauf, Kraftwerke, die noch nicht in Betrieb gegangen seien, nicht ans Netz zu schicken. Mit den Betreibern sollten dafür Lösungen gefunden werden. Dieser offenbar speziell für Datteln formulierte Passus, dem einzigen in Bau befindlichen deutschen Kohlekraftwerk, scheint nun jedoch nicht mehr zu gelten. Uniper möchte das Kraftwerk im kommenden Sommer in den vollen Betrieb nehmen und erhält dafür erneut Rückendeckung von NRW-Ministerpräsident Laschet. Schon im Herbst polterte CDU-Politiker, beim Widerstand gegen Datteln 4 handele es sich um einen „Kampf zwischen Symbolik und Vernunft“. Wem Klimaschutz wichtig sei, der solle das Kraftwerk ans Netz gehen lassen und ältere, mehr CO2 ausstoßende Kraftwerke abschalten. „Für mich ist der Hauptmaßstab: Wie reduzieren wir CO2?“, erklärte Laschet im November. Wenn das dadurch gelingen sollte, dass „das modernste Kohlekraftwerk der Welt dafür ans Netz gehen würde, würde ich dem Bund nicht raten, Milliarden dafür zu bezahlen, dass es nicht ans Netz geht“, sagte Laschet.

Ähnlich argumentiert auch Uniper und ließ verlauten, man könne sich vorstellen, für Datteln die fünf anderen Kohlekraftwerke des Konzerns abzuschalten oder auf Gas umzurüsten. Dies ist ein Vorschlag, der bei Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff gar nicht gut ankam. Er pocht darauf, dass das Uniper-Braunkohlekraftwerk Schkopau weiter betrieben und erst 2035 abgeschaltet wird. Ein früheres Aus für das Kraftwerk habe negative Folgen für die Region. Gleich doppelt könnte Uniper von dem komplizierten Verrechnungsgeschäft zwischen Ost und West profitieren. Denn einerseits betreibt Uniper das Werk in Schkopau und erhielte eine Stilllegungsprämie. Zum anderen brächte Uniper Datteln 4 ans Netz – mit der aus Sachsen-Anhalt übertragenen Restlaufzeit. „Nicht mehr vermittelbar für den Steuerzahler“, nannte Haseloff das unmittelbar vor dem Kohlegipfel am Mittwochabend.

Fakt ist, Datteln 4 ist schon testweise am Netz. Auf der Internetseite www.smard.de, die die Bundesnetzagentur betreibt, ließ sich nachvollziehen, dass das Kraftwerk vor Weihnachten zweimal kurz mit dem Netz verbunden war: am 19. Dezember zwischen 13 und 17 Uhr und ein weiteres Mal am 20. Dezember zwischen 10 und 15 Uhr. Die maximale Leistung, die dabei erreicht wurde, lag bei 229 Megawatt – etwa einem Fünftel der Leistungskapazität der Anlage. „Das ist so, als würde man beim Auto den Motor anmachen und einmal kurz aufs Gas treten“, erklärt ein Branchen-Kenner.

Seit Anfang Januar bietet Uniper an der Strombörse EEX 500 Megawatt Kohlestrom aus dem neuen Kraftwerk an. Im Februar soll es dann noch einmal abgeschaltet werden und nach einem weiteren Probebetrieb im Frühjahr im Sommer in den regulären Betrieb übergehen. Dagegen regt sich Widerstand. Der BUND kritisiert den Plan, Datteln in Betrieb zu nehmen. Es seien noch verschiedene Klagen anhängig, eine rechtskräftige Genehmigung gebe es nicht. Die Uniper-Idee, alte Kraftwerke abzuschalten oder umzurüsten, sei eine „Trickserei“. Dieser Vorschlag entspräche einer deutlichen Ausweitung der Energieerzeugung aus fossilen Quellen und damit sogar einer deutlichen Erhöhung der CO2-Emissionen, argumentierte der BUND. „Das wäre das Gegenteil des Kohleausstiegskompromisses und einer Energiewende“, so Thomas Krämerkämper, Landesvorsitzender des Umweltverbands. „Aufgrund alter Abnahmeverträge mit RWE und der Bahn sei mit einer hohen Auslastung des Kraftwerks zu rechnen, obwohl diese Kunden den Strom gar nicht mehr wollten“, so Krämerkämper. Um Unipers „umweltzerstörerische Strategie“ zu stoppen, bräuchte es „massiven Druck von außen“. Der wird nicht lange auf sich warten lassen: „Fridays for Future“ hat in Dortmund das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 zum Schwerpunktthema ihrer Demos und Proteste erklärt.

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