Dauerhafter Unternehmenserfolg „Müssen leider Leute einstellen, die Formulare ausfüllen“

Wie bleibt ein Unternehmen dauerhaft jung und erfolgreich? Warsteiner-Inhaberin Catharina Cramer, Henkel-CEO Carsten Knobel und Stihl-Chef Bertram Kandziora über Familienunternehmen, den Standort Deutschland – und ihre Erwartungen an die neue Regierung.

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1753 wurde die Warsteiner-Brauerei gegründet. Catharina Cramer, 43 Jahre, ist seit dem Tod ihres Vaters Albert Cramer vor neun Jahren Inhaberin der Warsteiner Gruppe mit einem Umsatz von rund 400 Millionen Euro. Die Brauerei-Gruppe, zu der neben Warsteiner auch Marken wie König Ludwig, Herforder und Paderborner gehören, ist heute in der neunten Generation inhabergeführt. So viel Tradition, spielt das eigentlich bei den Pilstrinkern überhaupt noch eine Rolle? Cramer glaubt schon. Tradition, Wurzeln und auch die Herkunft spielen ein ganz wichtige Rolle, ist die Unternehmerin überzeugt. Aber man müsse die Marke  über die Jahrhunderte und Jahrzehnte jung halten und immer wieder neu erfinden. „Nicht radikal, sondern langsam und behutsam“, sagt Cramer. Wichtig sei dabei auch die Emotion, die in einer Marke steckt und die sie vermittelt. „Eigentlich sind wir ja nicht mehr in der Bier-, sondern in der Entertainment-Branche tätig.“ Überall wo Bier getrunken wird, kommen Menschen zusammen, bei Festivals, bei Events, in Kneipen oder bei Sportveranstaltungen – „und da sind wir dabei.“

Deutlich jünger als Warsteiner ist Persil, eines der Paradeprodukte des Düsseldorfer Henkel-Konzerns, den Carsten Knobel, 52 Jahre, seit Januar 2020 als Vorsitzender des Vorstands führt. Henkel produziert neben Wasch- und Reinigungsmitteln wie Pril und Persil sowie Kosmetik unter Marken wie Schwarzkopf auch Klebstoffe. Bei Industrieklebern ist Henkel nach einigen Übernahmen Weltmarktführer. Knobel betont die Bedeutung des Markenkerns bei Persil, der stets beibehalten werden müsse. „Dazu kommt dann allerdings die Bereitschaft für den Wandel“. So sei Persil irgendwann phosphatfrei geworden, dann flüssig, später in Megaperls und heute in Discs oder Einmalverpackungen. „Man muss den Konsumenten bei dieser Entwicklung einbeziehen“, sagt Knobel. Doch trotz aller Veränderungen könne sich der Verbraucher stets auf den Markenkern verlassen. Daher gelte heute wie vor rund 115 Jahren: „Persil, da weiß man, was man hat.“

Die Form eines Familienunternehmens kann vor allem in Krisen hilfreich sein. Bei Henkel biete die Familie als Ankerinvestor einen Rückhalt sowie Planungs- und Entscheidungssicherheit. In Verbindung mit der zusätzlichen Börsennotierung sei das eine gute Kombination, „das beste aus beiden Welten“, sagt Knobel. 

Für Investmentbanken ist Henkel mit seinen drei sehr autarken Sparten Klebstoff, Kosmetik sowie Wasch- und Reinigungsmittel ein lohnenswertes Ziel, weil die Einzelteile möglicherweise mehr Wert sein könnten, als der Konzern als Ganzes. Bisher prallten diese Offerten aber stets an der Inhaberfamilie Henkel ab. Der Erfolg des Unternehmens sei eben die Ausgeglichenheit des Portfolios, das nicht nur aus drei unterschiedlichen Sparten bestehe, sondern auch jeweils zur Hälfte aus Produkten für Verbraucher und Industriekunden, sagt Knobel. Damit sei Henkel stets sehr gut gefahren und durch alle Krisen gekommen, so Knobel. „Und auch die Aktionäre können sich mit ganz wenigen Ausnahmen seit Jahrzehnten über eine steigende Dividende freuen." 

Warsteiner-Inhaberin Cramer sieht das ähnlich. Zwar seien Familienunternehmen nicht pauschal im Vorteil gegenüber anderen Unternehmen, aber man stecke das Geld halt in die eigene Firma, müsse nicht irgendwelche Dividenden an irgendjemanden auszahlen. „Dadurch entstehen große Liquiditätspuffer, die wiederum zu mehr Stabilität führen.“ Die sei für Familienunternehmen wichtiger als kurzfristige Profite.

Gleich alt wie die WirtschaftsWoche ist das Unternehmen Stihl. Bertram Kandziora, 65 Jahre,  ist seit 2002 Vorstand Produktion und Materialwirtschaft und seit 2005 Vorstandsvorsitzender bei Stihl in Waiblingen, einem Hersteller von motorbetriebenen Geräten für die Forstwirtschaft, Garten- und Landschaftspflege und die Bauwirtschaft. Das Unternehmen wurde 1926 gegründet und ist bis heute in Familienhand. Für Kandziora ist nicht allein die Form des Familienunternehmen der entscheidende Vorteil, sondern die Frage „welche Familie steckt dahinter“. Nicht jedes Familienunternehmen habe automatisch durch die Familie Vorteile. Dafür gebe es genug negative Beispiele von streitenden Familienstämmen oder wenn sie den Fokus nicht auf das Kerngeschäft legen und nur darauf schauen, wie sie das meiste Geld aus dem Unternehmen ziehen können. Wenn die Familie aber passe, und bei Stihl passe sie bestens, dann könne das Unternehmen auf Langfristigkeit setzen, auch in schwierigen Zeiten. Dies spiegele sich auch bei der Kernkundschaft, der Forstwirtschaft, wieder. „Der der jetzt Bäume pflanzt, pflanzt sie für nachfolgende Generationen.“

Deutschland sei nach wie vor ein exzellenter Standort, betont Kandziora, auch wenn sich die Faktorkosten nicht verändern ließen. Von der neuen Bundesregierung wünscht sich der Stihl-Chef, dass sie die deutsche Wirtschaft nicht behindere, weniger Bürokratie, dafür schnellere Genehmigungsverfahren. „Viel zu oft folgen einem Schritt vorwärts zwei Schritte zurück.“

Auch Cramer sieht eine „Überverwaltung“ in Deutschland. „Es kann nicht sein, dass wir Leute einstellen müssen, die nur damit beschäftigt sind, Formulare auszufüllen. So sei etwa Warsteiner als Arbeitgeber angehalten, Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass sie beim Treppensteigen den Handlauf benutzen sollen. „Da denke ich mir, das ist doch eigentlich selbstverständlich.“ Und in Pandemiezeiten müsse nun darauf hingewiesen werden, den Handlauf nicht zu nutzen oder ihn eben ständig zu desinfizieren. Zudem hapere es am Tempo bei der Digitalisierung. „Nicht nur bei Unternehmen, auch in den Schulen“, erklärt Cramer. Zudem fordert Cramer, dass die deutschen Unternehmen künftig nicht mit einer Erhöhung der Erbschaftssteuer belastet werden. „Ich fürchte, viele Unternehmen würden das nicht durchhalten und sehen sich gezwungen, ihr Unternehmen zu verkaufen.“

Mehr zum Thema: Kaum ein anderer Ökonom hat sich so tief mit dem langfristigen Erfolg von Unternehmen befasst wie Warwick-Professor Christian Stadler. Konsequent aus Fehlern zu lernen ist ein Teil des Rezepts für dauerhaften Erfolg.

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