Debatte über Frühverrentung CDU-Wirtschaftsrat erfreut über Renten-Datenlücke

Bei der Rente ab 63 ohne Abschläge gibt es unerwartet Probleme – zur Freude des CDU-Wirtschaftsrats, der das Projekt generell ablehnt. Die SPD will daran aber nicht rütteln - wohl auch, weil eine Lösung in Sicht ist.

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Eine Seniorin auf einer Parkbank: „Die Rente mit 63 ist falsch und ungerecht“, sagt der CDU-Wirtschaftsrat. Quelle: dpa

Berlin Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, hat sich erfreut über die überraschend aufgetauchten Daten-Probleme bei der Umsetzung der abschlagfreien Rente mit 63 gezeigt. „Würden verwaltungstechnische Gründe nun die Anrechnung der Arbeitslosenzeiten verhindern, wäre dies dem Wirtschaftsrat durchaus willkommen“, sagte Steiger Handelsblatt Online. „Die Rente mit 63 ist falsch und ungerecht.“ Zumal der demographische Wandel, Fachkräftemangel und Generationengerechtigkeit der Politik nahe legten, für längere und nicht für kürzere Lebensarbeitszeiten zu werben.

Wenn Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nun dennoch dieses „fatale Signal“ setze, dürften „in keinem Fall“ auch noch Zeiten der Arbeitslosigkeit mit angerechnet werden - unabhängig davon ob es sich um Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosenhilfe beziehungsweise Hartz IV handelt, sagte Steiger weiter. „Diese Rentenbeiträge sind nicht erwirtschaftet, sondern ohnehin schon auf Kosten der Beitrags- (im Falle des Arbeitslosengeldes I) und Steuerzahler (im Fall von Arbeitslosenhilfe beziehungsweise Hartz IV) erworben worden“, sagte der CDU-Politiker.

Hintergrund sind Medienberichte, nach denen die Deutsche Rentenversicherung im Zeitraum zwischen Juli 1978 und Januar 2001 maschinell nicht zwischen kurz- und langfristiger Arbeitslosigkeit unterscheiden kann. Wichtig ist die Differenzierung deshalb, weil nach dem Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums in die erforderlichen 45 Beitragsjahre auch Zeiten kurzer Arbeitslosigkeit eingerechnet werden sollen.

In einer Stellungnahme der Rentenversicherung an den Bund heißt es dazu, die Ermittlung der Zeiten kurzer Arbeitslosigkeit werde „im Einzelfall (...) geraume Zeit in Anspruch nehmen“. Auch die Bundesagentur für Arbeit kann dabei nicht helfen: „Wir löschen alle elektronisch gespeicherten Angaben über Zeiten der Arbeitslosigkeit nach fünf Jahren, weil wir sie für unsere Arbeit nicht brauchen“, sagte eine Sprecherin. Aus Sicht der Rentenversicherung ist zweifelhaft, ob die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten der Arbeitslosigkeit „sachlich zu rechtfertigen ist“. Die Bundesregierung will die Probleme rasch lösen. Das Thema steht auch auf der Tagesordnung der Regierungsklausur in Meseberg. Ende Januar soll der Gesetzentwurf zur Rente ins Kabinett.


IW-Chef Hüther schlägt Lösung für Daten-Lücke vor

Der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, bekräftigte, dass die abschlagfreie Rente für langjährig Versicherte trotz der Probleme ein „wichtiger Eckpunkt“ in der Rentenpolitik der Großen Koalition bleibe. Es müsse nun geklärt werden, ob die Anrechnung aller Zeiten der Arbeitslosigkeit „dramatische“ Finanzierungsprobleme aufwerfe. „Es kann am Ende nicht sein, dass die kaum mit Beiträgen behelligte Manager-Gattin anstandslos die Erhöhung der Mütterrente bekommt, während eine in Hartz IV abgerutschte frühere Schlecker-Verkäuferin, die jahrzehntelang Beiträge gezahlt hat, bis 67 arbeiten muss oder auch noch Rentenabschläge hinnehmen soll“, sagte Barthel Handelsblatt Online. „Zudem habe ich von Anfang an darauf hingewiesen, dass es nicht nur rechtlich problematisch, sondern auch politisch schwer begründbar ist, Zeiten von Arbeitslosigkeit unterschiedlich zu behandeln.“

Aus Barthels Sicht erweist sich angesichts der Probleme als richtig, dass die SPD im Regierungsprogramm stets auf Versicherungs- und nicht auf Beitragszeiten abgehoben habe, wenn es um die Anrechnung von Anspruchszeiten geht, weil in der Vergangenheit Zeiten von Arbeitslosigkeit rentenrechtlich unterschiedlich behandelt wurden. „Dies darf jetzt nicht zulasten der Anspruchsberechtigten gehen“, betonte der SPD-Politiker.

Dem widerspricht der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. „Die Hinweise der Rentenversicherungsträger auf Umsetzungsprobleme zeigen nur, wie fragwürdig das Ziel einer abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren auch aus dieser Perspektive ist“, sagte Hüther Handelsblatt Online. Allerdings glaube er nicht, dass die Antwort der Regierung nicht in dem Verzicht auf diese Projekt bestehen werde, da dann auch der „CDU-Beitrag zur rentenpolitischen Rolle rückwärts“, die Mütterrente, fallen müsste.

Aus Hüthers Sicht kann eine Lösung des Problems nur darin bestehen, dass die Betroffenen selbst ihre Anspruchsvoraussetzungen nachweisen. „Da die Ministerin kein Interesse daran haben kann, die Neuregelung zum Scheunentor für eine neue Welle der Frühverrentung werden zu lassen, wird man andere Bezugsgrößen nutzen müssen, möglicherweise die Dokumentationspflicht des Arbeitslosengeld I-Bezugs in die Hände der Versicherten zu legen, die dann mit 63 aussteigen wollen“, sagte der IW-Chef. „Wer den Nutzen haben will, der sollte auch bereit sein, entsprechend einen Beitrag zu leisten.“ Keinesfalls dürfe es dazu kommen, „dass Zeiten der Arbeitslosigkeit beliebig angerechnet werden können, nur Beitragszahlungen legitimieren dies“.

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