Debatte um Fremdfeindlichkeit Maas warnt vor Generalverdacht gegen Ostdeutsche

Zwei Tage vor der Einheitsfeier in Dresden diskutiert die Politik über Fremdenfeindlichkeit in den ostdeutschen Bundesländern. Justizminister Maas warnt davor, einseitig den Ostdeutschen eine solche Neigung vorzuwerfen.

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„Klar ist aber: Hetze und Hass kommen jetzt viel stärker zum Ausdruck.“ Quelle: dpa

Berlin Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat die Ostdeutschen gegen den Vorwurf der Fremdfeindlichkeit in Schutz genommen. „Ich glaube nicht, dass Deutschland ein gespaltenes Land ist. Wir sollten auch nicht ganz Ostdeutschland unter den Generalverdacht der Fremdenfeindlichkeit stellen“, sagte Maas dem Handelsblatt. „Ich bin mir absolut sicher, dass die Mehrheit der Menschen, die in Ostdeutschland lebt, sehr froh ist über die Errungenschaften der Deutschen Einheit.“

Im Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit hatte die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), jüngst den zunehmenden Fremdenhass als negativen Standortfaktor für Ostdeutschland und eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden bezeichnet. Der Bericht hatte Kontroversen ausgelöst.

Die Debatte dazu am gestrigen Freitag im Bundestag wurde überschattet von den mutmaßlich fremdenfeindlichen Attacken im Vorfeld der Einheitsfeierlichkeiten in zwei Tagen in Dresden.  Am Montag waren in Dresden vor einer Moschee und einem Kongresszentrum zwei selbstgebaute Sprengsätze explodiert. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Am Donnerstagnachmittag wurde zudem an einer Brücke in Dresden eine Sprengstoffattrappe entdeckt. Der Hintergrund ist unklar.

Maas glaubt, dass Fremdenfeindlichkeit in Teilen Deutschlands schon immer latent vorhanden gewesen sei. „Klar ist aber: Hetze und Hass kommen jetzt viel stärker zum Ausdruck.“ Das habe auch mit den sozialen Netzwerken zu tun, betonte der Minister. Dort äußerten sich Leute mit fremdenfeindlichen Parolen. „Andere, die ähnlich denken, so aber bislang nie geredet haben, fühlen sich dadurch ermutigt und stimmen ein. Dadurch fühlen sich die Hetzer wiederum bestätigt und ihre Tiraden verbreiten sich noch stärker“, sagte der SPD-Politiker. „Dieser Verbalradikalismus hat dramatische Folgen“, fügte Maas hinzu. „Denn: Die Hetze endet nicht im Netz, sie ist oft eine Vorstufe zu körperlicher Gewalt.“


Im Osten „deutlichere Strukturen im rechtsextremen Milieu“

Insbesondere in Ostdeutschland seien „deutlichere Strukturen im rechtsextremen Milieu“ festzustellen. „Wir sehen das anhand der Gewalttaten, die wir in zunehmendem Maße registrieren.“ Das seien „beschämende Zahlen“, sagte Maas. „Und wir sehen das auch bei Versuchen, Andersdenkende einschüchtern zu wollen“, fügte der Justizminister hinzu.

Maas betonte aber auch, dass es das alles auch im Westen gebe und daher kein Hinweis darauf sei, dass die ostdeutsche Bevölkerung insgesamt besonders fremdenfeindlich eingestellt sei. „Aber: Wir dürfen nicht zulassen, dass es Rechtsextremen gelingt, ein gesellschaftliches Klima der Angst zu erzeugen – weder im Osten noch im Westen“, unterstrich der Minister. Das sei eine große Herausforderung für die Sicherheitsbehörden. „Dass der Generalbundesanwalt, wie im sächsischen Freital geschehen, Verfahren an sich zieht, um Personen mit der GSG 9 festnehmen zu lassen, zeigt, dass wir das Thema sehr ernst nehmen.“

Natürlich sei in ganz Deutschland ein Erstarken von Rechtsextremismus und Fremdenhass zu beobachten. Aber es gebe nichts daran zu beschönigen, dass die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten - bezogen auf eine Million Einwohner - in jedem ostdeutschen Bundesland deutlich über dem Durchschnitt der westdeutschen Länder liegt, sagte die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Gleicke. „Sollen wir vielleicht so tun, als gäbe es diesen Befund nicht?“

Der CDU-Abgeordnete Eckhardt Rehberg aus Mecklenburg-Vorpommern warf Gleicke Stigmatisierung vor. Die Opposition attackierte die Bundesregierung und sprach von Versäumnissen, da es immer noch nicht gelungen sei, gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland herzustellen. Die Linken-Politikerin Susanna Karawanskij sprach von einer Bankrotterklärung und beklagte fehlende Zukunftsperspektiven.

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