Debatte um Impfpflicht Sogar eine Impfprämie von 500 Euro könnte sich für den Staat rechnen

Nürnberg: Arzt Dieter Rührig impft einen Fan vom 1. FC Nürnberg vor dem Spiel gegen Erzgebirge Aue. Geimpft wurde in einem Impfbus vor dem Stadion. Quelle: dpa

Die wachsende Impfmüdigkeit in Deutschland nährt die Debatte um Privilegien und Pflichten. Ökonominnen plädieren noch für einen anderen Weg: Prämien.

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Rund 730.000 Impfungen – mehr waren am vergangenen Mittwoch nicht drin. Mittwochs werden seit Monaten traditionell die meisten Impfungen der Woche verabreicht. Das ist auch weiterhin so, aber der Trend zeigt nach unten. Den Rekord hält Mittwoch, der 9. Juni: Damals wurden an einem Tag ganze 1,4 Millionen Dosen verabreicht.

Allein an dieser Differenz sieht man schon: Das Impftempo in Deutschland nimmt ab. Zuletzt wurden im Tagesschnitt noch rund 470.000 Spritzen gesetzt, vor wenigen Wochen waren es rund 100.000 mehr. Rund 12 Prozent der ausgelieferten Vakzine sind mittlerweile eingelagert und warten auf den Einsatz – Tendenz steigend.

Nicht besonders überraschend also, dass in der Politik die Debatte über Privilegien für Geimpfte und auch über eine mögliche Impfpflicht neu entfacht. Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, will jedenfalls eine Pflicht nicht mehr ausschließen – umgehend gab es Contra sowohl von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet als auch von SPD-Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. 



Gleichzeitig brachte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) Privilegien für Geimpfte ins Spiel: Sie sollten mehr dürfen als Menschen, die nur über einen negativen Test verfügen. Das wiederum brachte die FDP auf die Barrikaden.

Einig sind sich alle, dass mehr geimpft werden muss. Hürden sollen sinken, die Angebote möglichst unkompliziert zu den Menschen gebracht werden, die bisher vielleicht nur zu bequem oder überfordert waren. Der Piks kann mittlerweile in Fußballstadien, vor Hörsälen oder in Einkaufszentren abgeholt werden; in einigen Impfzentren, zum Beispiel in Hamburg, ist kein Termin mehr nötig, in Berlin werden die Berufsschulen angefahren.

Im Gegensatz zu anderen Ländern wird ein Mittel gegen die Impfmüdigkeit in Deutschland bisher aber gar nicht genutzt: die Geldprämie. Aus Sicht von Ökonominnen wäre es aber ein wirkungsvolles Instrument. Nora Szech vom Karlsruhe Institute of Technology, plädiert dafür, Impfungen finanziell zu belohnen: „Ab etwa 100 Euro steigern Kompensationen die Impfbereitschaft. Bei 100 Euro kommen wir auf 80 Prozent, bei 500 Euro geht es Richtung 90 Prozent“, sagt sie. Ein gutes Geschäft wäre das für den Staat aus ihrer Sicht weiterhin, denn der gesellschaftliche Gegenwert einer Impfung (etwa aufgrund sinkender Krankenstände und geringerer Lockdown-Risiken) beträgt Studien zufolge rund 1500 Euro.

Eine solche Prämie sollte jedoch erst nach der zweiten Dosis gezahlt werden, meint Szech. Eine Kombination aus vielen dezentralen mobilen Impfteams und Geld wäre aus Szechs Sicht „eine ideale Kombination“, um dem Ziel der Herdenimmunität näher zu kommen. Nun gehe es darum, „die Impfbereiten abzuholen, denen der Aufwand bislang zu groß war“. Und um keine Zusatzdebatte um Ungleichbehandlung auszulösen, sollte die Prämie „natürlich an alle gegeben werden, die sich haben impfen lassen“, sagt sie. Auch nachträglich.

Mehr zum Thema: Während Frankreich bereits manche Arbeitnehmer zur Impfung verpflichtet, gerät die deutsche Kampagne ins Stocken. Deshalb überlegen Unternehmen derzeit, wie sie ihre Belegschaft vom Segen der Spritze überzeugen können. Doch wirken solche Anreize wirklich?

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