Debatte um Übergewinnsteuer Regierung rechnet mit erheblichem Profit in der Energiewirtschaft

Goldgräberstimmung im Energiesektor. Tagebau in Lützerath und RWE-Kraftwerk Niederaußem. Quelle: imago images

Die Bundesregierung geht von „deutlich gestiegene Gewinnmargen“ in der Energiewirtschaft aus, auch im Bereich der Erneuerbaren Energien. Das dürfte den Koalitionsstreit um die Übergewinnsteuer befeuern. 

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Die Bundesregierung rechnet mit erheblichen Mehreinnahmen bei Unternehmen in der Energiewirtschaft, insbesondere auch im Bereich der Erneuerbaren Energien sowie bei Energieversorgern. „Bei einer Reihe von Unternehmen in der Energiewirtschaft sind deutlich gestiegene Gewinnmargen zu erwarten“, erklärte Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, auf eine Anfrage der Linksfraktion, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt.

„Die Großhandelspreise für Strom und Brennstoffe sind bereits vor und nochmals verstärkt seit dem russischen Angriff auf die Ukraine stark gestiegen“, erklärte Graichen. Zwar seien in vielen Fällen auch die Kosten für den Brennstoffeinsatz höher, im „umfassenden Maße“ beispielsweise bei Gas- oder Kohlekraftwerken zur Strom- oder Wärmeerzeugung. Aber aufgrund der gestiegenen Handelspreise würden deutlich höheren Gewinne erwartet. „Letzteres dürfte beispielsweise für die Stromerzeugung aus Wind, Photovoltaik und Kernkraft gelten“, erklärte Graichen, „in geringerem Maße, aufgrund der gestiegenen Kosten für Kohle und CO2, auch für Stromerzeugung aus Kohle“.

Höhere Gewinne auch bei Energieversorgern

Noch im Frühjahr hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) erklärt, „keine amtliche Erkenntnis“ zu solchen sogenannten Übergewinnen zu haben. Graichen geht nun von wachsenden Margen auch bei Energieversorgern aus: „Je länger der Hochpreiszustand andauert, desto mehr wird es auch bei den Energieversorgern zu deutlich erhöhten Gewinnen kommen, da die aktuellen Börsenstrompreise bei allen neu abgeschlossenen Verträgen als Maßstab angelegt werden“, teilte Graichen in der Antwort mit, die der WirtschaftsWoche vorliegt.

Ähnliches würde für Erdgas sowie Rohöl gelten. Auch hier dürften „angesichts weitgehend unveränderter Förderkosten in den Produzentenländern steigende Gewinne zu erwarten sein“, erklärte Graichen. Es sei jedoch mit Blick auf die gängigen Absicherungs- und Termingeschäfte „zunächst unklar, inwieweit diese steigenden Gewinne und Renten bei den Produzenten, das heißt in aller Regel im Ausland, oder weiter hinten in der Wertschöpfungskette anfallen“. Konkrete Zahlen zu den einzelnen Sektoren nannte Graichen nicht.  

Linksfraktion will „Krisenprofiteure“ zur Kasse bitten

Christian Görke, Finanzexperte der Linksfraktion, sieht jedoch dringenden Handlungsbedarf: „Dass es fette Übergewinne gibt, ist mittlerweile mehr als offensichtlich“, sagte Görke der WirtschaftsWoche. Das sei an den Halbjahreszahlen von Energieunternehmen wie RWE und Wintershall Dea zu sehen, aber auch an einer Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit, das von bis zu 100 Milliarden Euro Übergewinn in Deutschland ausgehe.

Jetzt sei die Frage, „ob die Regierung die Übergewinne der Krisenprofiteure bewusst ignoriert und stattdessen die Bevölkerung mit der Gasumlage plus Mehrwertsteuer gleich doppelt bestraft?“, sagte Görke. Der linke Finanzexperte fordert: „Krisenprofiteure statt Verbraucher zur Kasse bitten!“
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SPD und Grüne sympathisieren mit Übergewinnsteuer

In der Koalition gibt es Streit über den Umgang mit den sogenannten Übergewinnen. Die SPD sieht darin einen Weg, um die Kosten der Krise „fair“ zu verteilen. „Ein geeignetes Instrument dafür ist eine zielgerichtete Übergewinnsteuer für jene Energieunternehmen, die von dieser Krise massiv profitieren“, heißt es in einem Papier der SPD-Fraktionsführung. Auch in Kreisen der Grünen wird erwogen, mithilfe einer Übergewinnsteuer die Beihilfen zurückzuholen, die von Unternehmen trotz hoher Gewinner über die umstrittene Gasumlage beansprucht werden.   

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Allerdings dürfte eine solche Übergewinnsteuer juristisch schwer durchzusetzen sein. Allein der Begriff „Übergewinn“ ist schon schwer abzugrenzen. Nicht nur deshalb wehrt sich die FDP bisher vehement gegen eine solche Steuer. „Die Übergewinnsteuer wird von mancher Seite als eine Rettung dargestellt, die sie nicht sein kann“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr kürzlich im Interview mit der WirtschaftsWoche. Vielmehr würde Bürgerinnen und Bürger am Ende sogar draufzahlen. „Denn eine solche Steuer kann dann nicht nur für die eine Branche wie Energiekonzerne gelten, für andere wie etwa Impfstoffhersteller wie Biontech aber nicht“, erklärte Dürr: „Wer eine Übergewinnsteuer einführt, treibt innovative Firmen aus dem Land, das kostet Wohlstand und Arbeitsplätze.“
Die Ampel-Koalition trifft sich am Dienstag zu einer zweitägigen Klausurtagung in Meseberg, die Debatte über neue Entlastungspakete wird das zentrale Thema sein.    

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