Debatte um Überwachung von Partei Verfassungsschutz hat die AfD genau im Blick

Verfassungsschützer sehen die Entwicklung der AfD mit Sorge. Sie erwägen, die Partei verstärkt unter Beobachtung zu nehmen.

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Die CDU-Generalsekretärin fordert von den Autokonzernen, Umrüstungen schnell umzusetzen und die Kosten zu übernehmen. Quelle: dpa

Berlin Seit langem kommen von verschiedenen Seiten Forderungen, der Verfassungsschutz müsse die AfD wegen rechtsextremistischer Tendenzen unter Beobachtung stellen. Jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Man habe die Partei genau im Blick. „Die neue Dynamik aufgrund von Äußerungen nehmen wir auch wahr“, erklärte am Mittwoch eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums.

Der neue Ton in der Debatte um eine Überwachung kommt nicht ganz überraschend. Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag rückte die Partei ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Entsprechend laut trommeln die Akteure im Plenum nun für ihre Positionen. Und entsprechend laut ist auch das Echo der etablierten Parteien darauf.

Auch außerparlamentarisch verschafft sich die AfD neue Spielräume. Der Parteikonvent beschloss kürzlich, dass AfD-Mitglieder in Zukunft bei Kundgebungen des Pegida-Bündnisses auftreten dürfen. Damit wurde das 2016 vom Bundesvorstand der Partei verabschiedete Kooperationsverbot aufgehoben. Der sachsen-anhaltische AfD-Vorsitzende André Poggenburg feierte das Votum als „Meilenstein“. Ausgerechnet Poggenburg. Der war kurz vor der Pegida-Entscheidung vom Bundesvorstand wegen türkenfeindlicher Äußerungen abgemahnt worden.

„Es gibt in dieser Partei keine Barriere, kein Sperrrad mehr gegen die Radikalisierung“, urteilt der Berliner Politologe Hajo Funke. So hätten die Schiedsgerichte der AfD bisher alle Versuche zunichte gemacht, die Radikalen in der Partei zu bremsen. Selbst Wolfgang Gedeon, der nach Antisemitismus-Vorwürfen aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion geworfen worden war, könne „weiter sein bitterböses Spiel spielen“. Der wegen gewaltverherrlichender Internet-Einträge in die Kritik geratene frühere AfD-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern, Holger Arppe, wurde beim Landesparteitag im vergangenen November mit Applaus begrüßt und sogar als Kandidat vorgeschlagen. Er kandidierte dann aber nicht.

Solche Vorgänge werden von den Verfassungsschutzbehörden aufmerksam registriert – und könnten womöglich in eine Überwachung der Partei münden. Jedenfalls erwägen die Verfassungsschützer in Bund und Ländern, als vorbereitenden Schritt eine Materialsammlung zu der Partei zu erstellen. Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern dazu laufe aktuell, erklärte das Bundesinnenministerium. Es gehe darum, möglicherweise Sachverhalte zusammenzustellen, auf deren Grundlage über eine Beobachtung der AfD bundesweit entschieden werden könnte.

„So eine Entscheidung muss gut vorbereitet sein“, betonte die Ministeriumssprecherin. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stimme sich in der Frage eng mit den Landesämtern ab, die regional näher dran seien.

„Für eine weitere Bewertung bedarf es einer Betrachtung, die sich nicht nur auf einzelne Aussagen von Mitgliedern bezieht, sondern diese in einen Gesamtkontext der bundesweit agierenden Partei stellt“, sagte der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, mit Blick auf eine mögliche Beobachtung der AfD dem Handelsblatt.

Bei der Prüfung sei daher zu berücksichtigen, dass sich die Partei weiterhin in einem „dynamischen Entwicklungsprozess“ befinde. „Die rechtsradikalistischen Äußerungen einzelner Mitglieder nehmen derzeit in der Partei besorgniserregend weiter zu“, so Kramer. „Ob diese extremistischen Positionen einzelner Mitglieder für die Gesamtpartei prägend werden, bleibt dabei aber dennoch weiter abzuwarten.“

Zu beobachten sei indes, dass einzelne Mitglieder der AfD zunehmend auf einen „rechtsextremistischen Sprachgebrauch“ zurückgreifen. „Mit Sorge betrachten Verfassungsschützer den Einfluss der Patriotischen Plattform auf die Partei und die mögliche Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung und Teilen der Gida-Bewegung“, erklärte Kramer.


Vermehrt offen rechtsextremistische Positionen

Vertreter und Protagonisten der Patriotischen Plattform, der Identitären Bewegung und beispielsweise der Thügida-Bewegung verträten vermehrt offen rechtsextremistische insbesondere ethnopluralistische Positionen. „Der Rassismus der Identitären Bewegung und damit der sogenannten Neuen Rechten mit ihrer Apartheitsideologie findet zunehmend einen Resonanzboden auch in der AfD“, sagte Kramer.

Die Patriotische Plattform ist derzeit kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Die Identitäre Bewegung und die Thügida-Bewegung sind indessen Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes in Thüringen und teilweise des Bundes. „Einzelne Kenn- und Treffverhältnisse von Rechtsextremisten und Mitgliedern der AfD sind bekannt“, sagte Kramer. Entscheidend sei jedoch die Frage, ob die AfD von solchen Rechtsextremisten möglicherweise unterwandert und dann maßgeblich gesteuert werde. Hierfür seien derzeit in Thüringen keine Anhaltspunkte erkennbar.

Laut Kramer versucht die AfD zudem seit einiger Zeit, durch sogenannte Unvereinbarkeitsbeschlüsse eine Distanzierung zwischen der Partei und rechtsextremistischen Gruppierungen herzustellen. Gleichwohl schlössen offenbar „einige, auch regionale Führungspersonen der AfD“, eine Zusammenarbeit mit der vom Bundesverfassungsschutz unter Beobachtung gestellten Identitären Bewegung und Teilen der „Gida-Bewegung“ nicht aus.

Es bleibe daher weiter zu prüfen, „ob die Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit den faktischen Realitäten noch in Einklang stehen.“ Derzeit, so Kramer, seien bei der AfD „noch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar, die eine Beobachtung durch den Thüringer Verfassungsschutz auf der gesetzlichen Grundlage begründen“.

Dass die Unvereinbarkeitsliste nicht in Stein gemeißelt zu sein scheint, zeigt das Beispiel des Parlamentarischen Geschäftsführers der AfD-Fraktion im Schweriner Landtag, Ralph Weber. Im vergangenen Jahr hatte sich Weber für eine „Richtungskorrektur“ seiner Partei nach rechts ausgesprochen und in diesem Zusammenhang „die Mitkämpfer aus der Identitären Bewegung“ als „in der AfD willkommen“ bezeichnet.

Weber störte es offenbar auch nicht, dass die „Identitären“ vom Bundesverfassungsschutz beobachtet werden und überdies von der Partei auf einer „Unvereinbarkeitsliste“ geführt werden – was so viel bedeutet, dass deren Aktivisten von der AfD gar nicht aufgenommen werden können.

Auf seiner Facebook-Seite forderte Weber seinerzeit „ein Ende mit der generellen Unvereinbarkeitsliste zugunsten von Einzelfallentscheidungen der Landesvorstände“. „Es muss ein Ende damit haben, dass unsere Gegner (die Feinde unseres Vaterlandes), Einfluss darauf haben, wen wir als Verbündete akzeptieren“, schrieb Weber. Konkret nannte er neben den „Identitären“ die „Pegida-Freunde, die Kameraden aus den Burschenschaften, (…) und die Freunde der soeben selbstaufgelösten Bewegung ProDeutschland“. Diese seien „in der AfD willkommen und ich werde meine Kraft im Konvent für diese Richtungskorrektur verwenden“, so Weber.

Für Politiker der etablierten Parteien steht außer Frage, dass die Inlandsgeheimdienste gegen die AfD aktiv werden müssen. Er glaube, dass es allen Grund gebe, die Frage einer Beobachtung durch die zuständigen Behörden genau zu prüfen, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Nicht bei der gesamten AfD, aber bei einzelnen Mitgliedern solle durchaus einmal genauer hingeschaut werden.

So sieht das auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). „Zumindest einige Gruppen der AfD scheinen es offenbar darauf abgesehen zu haben, zur neuen politischen Heimat auch für Neonazis zu werden. Teile der AfD sind längst auf dem Weg, ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden“, sagte Maas dem „Spiegel“.

Grünen-Chef Robert Habeck rief die Bundesregierung auf, genau zu prüfen, ob die AfD nicht überwacht werden müsste. Die Grenzen, „an denen die Grundfeste des Staates in Frage gestellt wird, ist an vielen Stellen überschritten“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Überzeugte Rassisten oder stramme Rechtsextreme“ seien „nicht mehr erreichbar für den demokratischen Konsens“. Jetzt gehe es darum, den rechtsextremen Rand nicht größer werden zu lassen.

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