Dehoga-Geschäftsführerin Hartges „Wir erleben eine starke verbale Radikalisierung in der Debatte mit Impfgegnern“

Berliner Kneipe mit 2G-Regel: Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene Quelle: imago images

Deutschlandweit gilt im Gastgewerbe die 3G-Regel, einige Länder justieren mit der Option auf 2G nach. Dehoga-Geschäftsführerin Ingrid Hartges fordert auf Kundenseite mehr Verständnis für die Entscheidung der Betreiber, von der Politik endlich eine einheitliche Linie.

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WirtschaftsWoche: Frau Hartges, die Coronalage entspannt sich, ein weiterer Lockdown scheint Stand jetzt in weiter Ferne. Wie geht es Ihrer Branche?
Ingrid Hartges: Seit Juli steigt die Zufriedenheit in weiten Teilen der Branche. Das gilt insbesondere dort, wo es eine gute touristische Nachfrage gibt und dort, wo Stammgäste und Anwohner die Restaurants Cafés und Biergärten aufsuchen. Trotzdem sind wir vom Vorkrisenniveau noch weit entfernt. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hatten wir einen Umsatzverlust von 62 Prozent gegenüber 2019. Große Probleme gibt es nach wie vor im Tagungs- und Kongressgeschäft, bei Veranstaltern wie auch in Clubs und Bars.

Immer mehr Länder führen nun optional 2G ein. Gäste müssen dann also beim Besuch genesen oder geimpft sein, getestet reicht nicht mehr. Entscheiden darf das der Veranstalter oder Betreiber. Ein positiver Schritt in die richtige Richtung?
Bundesweit gilt nach wie vor die 3G-Regel. Gäste müssen entweder geimpft, genesen oder getestet sein, um Zugang zu erhalten. Nach der optionalen 2G-Regelung können die Unternehmer entscheiden, ob sie diese anwenden mit dem Vorteil, dass für die Betriebe und die Gäste nahezu alle Corona Maßnahmen entfallen. Dies ist nur konsequent. Bei 2G können wir quasi wieder Gastgeber sein wie vor der Pandemie. Gleichwohl ist diese optionale 2G-Regelung nicht unumstritten – nicht nur in der Bevölkerung, auch bei uns in der Branche.

Dehoga-Geschäftsführerin Ingrid Hartges. Quelle: imago images

Warum ist 2G umstritten, das entspricht doch genau der viel beschworenen Rückkehr zur Normalität?
Das hängt zunächst sehr stark vom Betriebstyp und von den Gästen ab, ob der Unternehmer 3G weiterhin anwendet oder sich für 2G entscheidet. So haben Clubs und Diskotheken mancherorts mit 2G überhaupt erst die Möglichkeit, endlich wieder öffnen zu können. Kleine Restaurants entscheiden sich für 2G, weil damit Abstandsregeln und Kapazitätsbegrenzungen entfallen. Für andere lohnt es sich wiederum nicht, weil sie Angst haben, Teile ihrer treuen Gäste ausschließen müssten. Wir sind doch die Branche der Gastfreundschaft, es liegt einfach nicht in unserer DNA, Leute abzuweisen. In Teilen entsteht hier der Eindruck, dass die Debatte auf dem Rücken unserer Betriebe ausgetragen wird.

Also fällt den Betreibern die Entscheidung nicht leicht.
Richtig, weshalb sich im Moment daher auch noch nicht viele Unternehmer für 2G entschieden haben. Die eine befürchten Gäste zu verlieren. Andere wollen keine kontroversen Diskussionen vor dem Restaurant-Eingang mit den Gästen, die nicht geimpft sind und kein Verständnis zeigen für die Entscheidung des Unternehmers. Das ist im Moment extrem schwierig. Wir erleben leider eine starke verbale Radikalisierung in der Debatte mit Impfgegnern, die 2G und in manchen Fällen sogar 3G nicht akzeptieren wollen. Das ist absolut kontraproduktiv und inakzeptabel. Es kann nicht sein, dass Gastronomen in dem Zusammenhang Anfeindungen ausgesetzt sind. Wir brauchen Empathie, Verständnis und Solidarität.

Oft herrscht unter den Gästen aber auch Verwirrung, schließlich gelten in den Bundesländern unterschiedliche Regeln...
Das ist auch für die Unternehmen eine Herausforderung. Wir haben in Deutschland eine föderalistische Struktur, die Zuständigkeiten für die Coronaregeln liegen bei den Ländern. Das stellt für bundesweit agierende Unternehmen eine größere Herausforderung dar. Mit Blick auf unsere mobilen Gäste wäre die Akzeptanz der Regelungen definitiv größer, wenn mehr bundesweite Einheitlichkeit da wäre.

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Was fordern Sie konkret?
Es müssen weiterhin alle Anstrengungen unternommen werden, eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen. Je mehr Mitbürger geimpft sind, desto eher wird sich die Stimmung in der Gesellschaft wie auch in der Branche aufhellen. Von der Politik erwarte ich, dass sie die dauerhafte Öffnung der Branche sicherstellt und einen erneuten Lockdown verhindert. Die Gäste bitte ich um Verständnis für die Kontrollen der Zugangsregelungen wie auch für die Entscheidung eines Unternehmers, die 2G-Regelung im Rahmen seines Hausrechts umzusetzen. Unternehmen, die seit Pandemie-Beginn neun Monate im Lockdown waren und um ihre Existenz gekämpft haben, haben den Respekt und die Wertschätzung aller verdient.

Mehr zum Thema: Ab 1. November zahlt der Staat für die meisten Ungeimpften keine Verdienstausfälle mehr, wenn sie nicht arbeiten können. Dürfen Unternehmen Impfgegnern, die wegen Corona in Quarantäne sind, den Lohn verweigern? Antworten gibt Arbeitsrechtler Bernd Weller von der Kanzlei Heuking Kühn.

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