Dehoga-Hauptgeschäftsführerin „70 Prozent unserer Mitglieder haben akute Existenzangst“

Ingrid Hartges ist Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Quelle: imago images

Der Lockdown trifft Hotels, Restaurants und Kneipen besonders hart. Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges fordert höhere Abschläge für die Novemberhilfen. Gegen das Infektionsschutzgesetz will sie Verfassungsbeschwerde einlegen.

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Das Interview mit der Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverband Dehoga wurde geführt, bevor die Bundesregierung entschied, die Abschlagszahlungen für die Novemberhilfen zu erhöhen.

Frau Hartges, der Teil-Lockdown wurde gerade verlängert bis zum 10. Januar, das Weihnachtsgeschäft fällt quasi aus. Wie geht es Ihrer Branche?
Es geht schon beim Begriff Teil-Lockdown los: Wir sind im vollen Lockdown. Punkt. Wir sind es, die ein Sonderopfer für die Gesellschaft erbringen. Verzweiflung und Existenzängste wachsen.

Aber reagiert die Bundesregierung nicht doch mit sehr großzügigen, eigens aufgesetzten November- und Dezemberhilfen? In dieser Woche wird über den Bundeshaushalt 2021 beraten, der allein mehr als 200 Milliarden Euro Neuverschuldung vorsieht.
Derzeit sieht es aber leider so aus, als würden die Hilfen erst im Januar fließen. Wenn das tatsächlich so bliebe, müssen die Abschlagszahlungen vorab unbedingt großzügiger ausfallen. Die bisherige Deckelung bei 10.000 Euro reicht für kleinere Betriebe aus, keine Frage. Aber sie hilft einem großen Hotel, das allein 200.000 Euro Pacht im Monat zu bezahlen hat, trotzdem in keiner Weise weiter. Für die sind die geltenden Begrenzungen eine Katastrophe.

Was würden denn aus Sicht Ihrer Branche helfen?
Die Abschlagszahlungen müssten, je nach Betriebsgröße, auf bis zu 500.000 Euro erhöht werden. Ansonsten sind Insolvenzen programmiert. Unsere jüngste Umfrage ergab, dass 17 Prozent unserer Mitglieder die Zahlungsunfähigkeit droht, ganze 70 Prozent haben akute Existenzangst.

Es soll aber auch Fälle geben, bei denen beispielsweise Gastronomen mit der Umsatzerstattung mehr Profit machen als bei regulärem Betrieb.
Das sind, wenn überhaupt, Einzelfälle, bei denen die variablen Kosten wie Wareneinkauf sehr hoch sind und nun wegen der Schließung wegfallen. Relevant ist, dass die Mehrzahl der Betriebe Ende Dezember viereinhalb Monate geschlossen sind und bis zu 39 Milliarden Euro Umsatzverluste zu verzeichnen sind. Die Fixkosten liegen bei 50 bis 75 Prozent. Wie die Minister Olaf Scholz und Peter Altmaier zugesagt haben, sollen mit den Hilfen die finanziellen Ausfälle entschädigt werden.

Nun könnte es ja sogar sein, dass der Lockdown noch über den 10. Januar hinaus verlängert wird.
Wenn die Pandemie uns eines gelehrt hat, dann dass wir gar nichts planen können – und erst recht nichts ausschließen. Wir brauchen aber dringend eine Perspektive von der Politik.


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Geht der Dehoga denn noch juristisch gegen den Lockdown vor?
Einzelne Unternehmer haben dies bereits getan, allerdings zuletzt mit keinem Erfolg. Was wir als Verband jedoch nun anstrengen werden, ist eine Verfassungsbeschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz. Dort ist keinerlei Entschädigung verankert, wenn Maßnahmen, wie zum Beispiel Betriebsschließungen, aufgrund des neuen § 28a ergriffen werden. Das halten wir für nicht rechtmäßig.

Mehr zum Thema: Für Restaurants und Bars heißt die Verlängerung des Lockdowns: drei weitere Wochen kein Betrieb – mindestens. Ein Gastro-Verband skizziert, wann und wie Restaurantbesuche 2021 möglich sein sollen.

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