Demografischer Wandel Boomende Metropolen, sterbende Dörfer

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Leere Häuser und verwaiste Geschäfte

Bundesweite Statistiken verdecken den Umbruch, statt ihn zu zeigen. Wohnungsnot? Im Schnitt hat jeder 45 Quadratmeter Wohnraum. 1998 lag die Fläche bei nur 39 Quadratmeter. Alte Frauen leben sogar auf mehr als 60 Quadratmeter, oft allein. Wenig Platz haben nach den Zahlen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung Frauen zwischen 27 und 37 Jahren, die oft alleinerziehend sind und sich nur eine kleine Buden leisten können.

Der Platz ist extrem ungleich verteilt, die Preise fallen auseinander (siehe unten). Die Inflation herausgerechnet, hat sich die Miete in den letzten 20 Jahren verbilligt, erklärt der Immobilienverband IVD. Schaut man auf die vergangenen fünf Jahre und Zentren wie München, Hamburg, Berlin oder Köln, zogen die Preise kräftig an. Hier ist ein Eigenheim für viele unerschwinglich geworden. Anderswo, im Westerwald oder in Cuxhaven, werden Besitzer ihr Häuschen nicht mehr los.

Hunsrück - Die leere Provinz

Irma Löh meint, es wäre längst an der Zeit, aufzuhören. Doch seit fünf Jahren klappt der Verkauf des Burgkellers nicht. 149.000 Euro hätte sie gern für das große Haus samt Gästezimmern und Grundstück. „Ich würde gerne mal die Türe zuschließen und bei schönem Wetter spazieren gehen“, wünscht sich die Wirtin. Und macht weiter. Sie ahnt, dass der Verkauf immer schwerer wird. „Vor zehn Jahren wäre es einfacher gewesen. Aber das weiß man hinterher.“

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Im Hunsrück zeigt sich die Landflucht an leeren Häusern und verwaisten Geschäften. Manche Dörfer werben noch um Neubürger und weisen Baugebiete am Rand aus, während im Ortskern die Häuser bröckeln. Ältere prägen das Bild. Die Kinder und Enkel aus Frankfurt oder Trier kommen noch zu Besuch, aber ziehen nicht zurück. Schwund plagt auch Dörfer in Niederbayern, Nordhessen, Vorpommern, im Sauerland und Harz.

Das Landleben mit weiten Wegen schreckt ab, sagt Annette Spellerberg, Professorin an der TU Kaiserslautern. „Die meisten Paare brauchen zwei qualifizierte Jobs und eine erreichbare Betreuung für die Kinder. Das gibt’s so nicht in ländlichen Regionen“, so die Siedlungsexpertin. Übrig blieben perforierte Dörfer. Erst verfallen die Häuser, dann der Zusammenhalt. Gebäude in Ortskernen an der Durchgangsstraße sind kaum noch verkäuflich. Täglich donnern Tausende Autos und Lkws vorbei. „Umgehungsstraßen baut hier keiner mehr.“

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Keinen Marktwert

Die Plattenbauten einer Wohnungsbaugesellschaft sind leichter zu sanieren als aneinanderhängende Dorfgrundstücke mit unterschiedlichen Eigentümern. „Man muss den Erben klar sagen, dass Häuser in manchen Flecken keinen Marktwert mehr haben“, verlangt Regionalplanerin Spellerberg.

Ein Bodenfonds könnte helfen, Flächen aufzukaufen und Dorfkerne als Ganzes wieder aufzupäppeln. Rheinland-Pfalz schickt Leerstandslotsen los, die mit Besitzern und Bürgermeistern Pläne gegen den Verfall schmieden.

Leerstandsbörsen im Internet sollen helfen, Häuser sichtbar zu vermarkten. Erfolgreich ist das idyllische Wanfried in Hessen. Dessen Bürgergruppe wirbt um Zuzügler, meist solvente Städter, die Fachwerkhäuser wieder in Schuss bringen.

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