Denkfabrik Warum sich ein Hochschulstudium fast immer lohnt

Zuletzt attackierte der Bonner Arbeitsmarktökonom Hilmar Schneider den "Akademisierungswahn" in Deutschland. Der Ökonom Karl Heinz Hausner sieht das völlig anders – eine kritische Replik.

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Quelle: dpa

Der von Hilmar Schneider in der WirtschaftsWoche postulierte „Akademisierungswahn“ und die daraus folgende Akademikerschwemme lassen sich nicht mit empirischen Fakten untermauern. Hochschulbildung lohnt sich ökonomisch nach wie vor – für die Beschäftigten und für den Staat.

Dies zeigen unter anderem die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten. So war die Arbeitslosenquote von Akademikern 2014 mit 2,6 Prozent um etwa die Hälfte geringer als die von Personen mit berufsqualifizierenden Abschlüssen (4,9 Prozent). Personen ohne Berufsabschluss oder Studium waren mit einer Arbeitslosenquote von 19,9 Prozent sogar achtmal häufiger arbeitslos als Hochschulabsolventen.

Das zeigt: Der Bildungsstand und die Beschäftigungschancen hängen nach wie vor eng zusammen. Die Niveaus der qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten sind seit Jahren stabil und unterstreichen die Bedeutung von Bildungsinvestitionen.

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In Deutschland von einem Akademisierungswahn zu sprechen ist aber auch aus internationaler Perspektive erstaunlich. Im Durchschnitt der OECD-Staaten hatte 2014 ein Drittel der 25- bis 34-Jährigen einen Hochschulabschluss auf Bachelor- oder Masterniveau, in Deutschland nur 27 Prozent.

Betrachtet man Länder mit deutlich höheren Akademikerquoten in dieser Altersklasse – etwa Finnland (40 Prozent), Norwegen (35 Prozent) oder die Schweiz (43 Prozent) –, lässt sich dieses Argument auch klar widerlegen. Diese Länder sind nicht dafür bekannt, Heerscharen arbeitsloser Akademiker zu produzieren.

Große Unterschiede gibt es auch beim Geld: Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liegt der durchschnittliche Lebensverdienst bei Personen mit berufsqualifizierendem Abschluss bei rund 1,32 Millionen Euro. Fachhochschulabsolventen verdienen 50 Prozent mehr, Universitätsabsolventen liegen sogar 75 Prozent darüber. Dies sind natürlich Ex-post-Betrachtungen, und man kann nicht ausschließen, dass sich die Schere beim Lebenseinkommen zwischen beruflicher Ausbildung und Hochschulbildung verringert. Dass sich die Unterschiede aber umkehren, ist höchst unwahrscheinlich. Tendenziell ist zu erwarten, dass Produktivitätsfortschritte und demografischer Wandel die Abstände eher weiter erhöhen.

Die Mischung ist entscheidend

Diese Erkenntnisse widerlegen die landläufige Meinung, dass hoch Qualifizierte oft so speziell ausgebildet werden, dass sie unvermeidlich arbeitslos werden. Es mag sein, dass sich nicht alle der am Bildungsmarkt angebotenen Bachelorstudiengänge auf dem Arbeitsmarkt als Karrieretreiber erweisen. Aber das spricht nicht grundsätzlich gegen die Bologna-Reform, die einen europäischen Hochschulraum schaffen und die Durchlässigkeit der Studiengänge in Europa sichern soll.

Und was ist grundsätzlich gegen den von Hilmar Schneider aufgeführten „exotischen“ Bachelorstudiengang Angewandte Kindheitswissenschaften einzuwenden? Die Erzieherausbildung in Deutschland erfolgt nach wie vor auf einer Fachschule und damit nicht (wie in fast allen OECD-Ländern) auf Hochschulniveau. Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder Westeuropas, in denen keine nennenswerte Präsenz von Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung mit einer grundlegenden Hochschulausbildung zu verzeichnen ist.

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Mehr noch: Mit dem irreführenden Begriff „Akademisierungswahn“ werden womöglich junge Menschen vom Studium abgehalten – gerade wenn sie aus bildungsfernen Familien stammen, deren Eltern nicht studiert haben. Die soziale Selektivität beim Zugang zum deutschen Hochschulsystem ist weiterhin stabil. Von 100 Akademikerkindern studieren 77; von 100 Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund schaffen nur 23 den Sprung an eine Hochschule. Wir können uns in einer Wissensgesellschaft den Verzicht auf diese Ressourcen schlicht nicht leisten.

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Die sehr gute duale berufliche Ausbildung in Deutschland sollte nicht gegen das akademische Studium ausgespielt werden. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, und wie so oft ist die Mischung entscheidend. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels brauchen wir künftig beidess.

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