
Der desertierte US-Soldat André Shepherd ist mit seinem Asylantrag vor dem Verwaltungsgericht München gescheitert. Das Gericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fahnenflucht des Klägers nicht das letzte Mittel gewesen sei, um nicht an der Begehung von Kriegsverbrechen beteiligt zu werden, teilte Sprecher Florian Huber am Donnerstag mit. Shepherd habe sich trotz seiner moralischen Zweifel nicht mit der Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung beschäftigt und auch sonst keine Versuche unternommen, eine Versetzung oder eine Entlassung zu bewirken.
Shepherd war im April 2007 von seinem US-Stützpunkt in Bayern geflohen, um einem weiteren Einsatz im Irak-Krieg zu entgehen. Der heute 39-Jährige beantragte Asyl in Deutschland, die Behörden lehnten den Antrag jedoch ab. Mit der Zuversicht, „zu 100 Prozent im Recht zu sein“, zog Shepherd vor das Verwaltungsgericht München.
Das Gericht hatte das Verfahren im Jahr 2013 ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung von Vorschriften im EU-Flüchtlingsrecht vorgelegt. Nach dem EuGH-Urteil aus dem Februar 2015 gab es nur noch wenig Hoffnung für Shepherd: Eine drohende Freiheitsstrafe oder die Entlassung aus der Armee könnten nicht als Asylgründe im Sinne des europäischen Rechts gelten.
Asylanträge nach Bundesländern 2017
Nirgendwo sonst wurden so vielen Asylanträge gestellt wie in Nordrhein-Westfalen. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es bisher 32.122 Menschen.
Hinweis: Alle Daten beziehen sich auf Erst- und Folgeanträge in den Monaten Januar bis Juni 2017.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Statista
Stand: August 2017
12.921 Menschen haben in der ersten Hälfte des Jahres 2017 in Bayern einen Asylantrag gestellt.
In Baden-Württemberg wurden 2017 bisher 11.290 Asylanträge gestellt.
In Niedersachsen stellten 10.003 Menschen im Januar bis Juni 2017 einen Antrag auf Asyl.
In Rheinland-Pfalz beantragten 2017 bislang 7.610 Menschen Asyl.
In Hessen stellten in den ersten sechs Monaten 2017 7.508 Bewerber einen Asylantrag.
In Berlin wurden von Januar bis Juni 2017 5.535 Anträge auf Asyl gestellt.
Bis Mitte 2017 stellten 4.205 Menschen einen Asylantrag in Sachsen.
3.346 Asylanträge verzeichnet Schleswig-Holstein für die ersten sechs Monate 2017.
Einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt stellten bis Juni 2017 3.304 Menschen.
Asyl in Brandenburg beantragten in der ersten Jahreshälfte 3.162 Menschen.
In Thüringen wurden in den Monaten Januar bis Juni 2017 3.049 Asylanträge gestellt.
In Hamburg stellten bis Ende Juni 2017 2.633 Menschen einen Antrag auf Asyl.
In Mecklenburg-Vorpommern stellten 2.104 Menschen einen Asylantrag (Januar bis juni 2017).
Bis Juni 2017 stellten im Saarland 1.538 Menschen einen Asylantrag.
In Bremen beantragten bis Ende Juni 1.192 Menschen Asyl.
Bei 94 Asylanträgen bis Mitte 2017 ist das Bundesland, in dem der Antrag gestellt wurde, anscheinend unbekannt.
Bei der Fortsetzung des Prozesses am Mittwoch musste Shepherd in einer fünfstündigen Verhandlung seine Gedanken und Motivationen erläutern. Die Kammer befragte ihn detailliert zu seinen Erlebnissen vom Eintritt in die Armee bis zu seiner Fahnenflucht. Vor allem zwei Vertragsverlängerungen während und kurz nach seinem Irak-Einsatz warfen bei den Richtern Fragen zur Glaubwürdigkeit des Soldaten auf. Shepherd hielt dagegen, dass er durch die Vertragsverlängerungen gerade eine erneute Stationierung im Irak habe vermeiden wollen - sein Rekrutierungsoffizier habe ihm damals garantiert, dass er bei einer Verlängerung nicht erneut in den Irak müsse.
Rechtsanwalt Reinhard Marx beklagte noch während des Prozesses, dass es über Stunden nur um die Glaubwürdigkeit seines Mandanten statt um den Kern der Debatte gegangen sei. „War er in der Gefahr, an Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen? Um diese Frage geht es eigentlich“, sagte Marx gegen Ende der Verhandlung. Das Gericht konterte im Urteil: Shepherd habe nicht plausibel klar gemacht, dass seine Einheit in Kriegsverbrechen verwickelt worden wäre.
Das Asylpaket II
Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien haben mit ihrer Einigung am Donnerstag den Weg für das Asylpaket II freigemacht. Die Inhalte des Gesetzesvorhabens im Überblick (Quelle: Reuters).
Aufnahmezentren: Kern des Pakets sind spezielle Aufnahmezentren, von denen bundesweit drei bis fünf entstehen sollen. Auf diese hatten sich die Parteichefs bereits im November als Kompromiss im Streit um die von der Union geforderten Transitzonen verständigt.
In den Zentren sollen bestimmte Gruppen von Asylbewerbern Schnellverfahren durchlaufen. Dazu gehören Menschen aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperren oder Folgeanträgen. Aber auch Asylsuchende, die keine Bereitschaft zur Mitwirkung zeigen, falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht oder Dokumente mutwillig vernichtet haben, sollen darunter fallen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll über ihre Anträge vor Ort innerhalb von einer Woche entscheiden. Inklusive eines möglichen Widerspruchs vor dem Verwaltungsgericht soll das Verfahren innerhalb von drei Wochen beendet sein. Abgelehnte Asylbewerber sollen möglichst direkt aus den Einrichtungen zurückgebracht werden.
Für die Dauer des Verfahrens und gegebenenfalls bis zur Ausreise sind die Personen verpflichtet, sich nur im Bezirk der jeweiligen Ausländerbehörde aufzuhalten. Bei Verstößen riskiert der Asylbewerber, dass sein Verfahren eingestellt wird.
Für Flüchtlinge mit dem geringsten subsidiären Schutz soll der Nachzug von Familienmitgliedern für zwei Jahre ausgesetzt werden. Dabei handelt es sich um Personen, die nicht unmittelbar persönlich verfolgt sind und deshalb weder Schutz als Flüchtling noch nach dem Asylrecht erhalten. Wenn ihnen dennoch im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, wird ihnen der subsidiäre Schutz zuerkannt.
Die Einschränkung des Familiennachzugs für diesen Personenkreis war zum Schluss der Hauptknackpunkt. Die SPD hatte eigentlich erreichen wollen, dass Syrer von der Regelung ausgenommen werden, was die CSU aber nicht mitmachte. Der Kompromiss sieht nun vor, dass innerhalb künftiger Kontingente von Flüchtlingen, die der Türkei, dem Libanon oder Jordanien abgenommen werden, "der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt" werden soll.
Erst zum 1. August vergangenen Jahres waren subsidiär Schutzbedürftige beim Familiennachzug anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt worden, wodurch sie in der Regel Ehepartner und Kinder nachholen dürfen. Nach Ablauf der zwei Jahre soll diese Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten.
Flüchtlinge müssen sich künftig an den Kosten von Sprach- und Integrationskursen mit zehn Euro im Monat beteiligen. Der Betrag wird ihnen von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz abgezogen.
Generell sollen Abschiebungen erleichtert werden. Die Bundesregierung will dazu die Rahmenbedingungen für ärztliche Atteste präzisieren, mit denen Flüchtlinge ihre Abschiebung verhindern können. Einem Gesetzentwurf von Mitte Januar zufolge sollen grundsätzlich nur lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Rückführung verhindern können. Eine ärztliche Bescheinigung muss künftig bestimmten Kriterien entsprechen, um die Erkrankung glaubhaft zu machen.
In einem weiteren Gesetz soll mehr Rechtssicherheit für Flüchtlinge, die eine Lehre in Deutschland machen und ihre Ausbildungsbetriebe geschaffen werden. Laut Vizekanzler Sigmar Gabriel soll ein Migrant nach der Ausbildung unabhängig von seinem Status zwei Jahre in Deutschland arbeiten können. Das Alter, bis zu dem Flüchtlinge eine Lehre aufnehmen dürfen, werde von 21 auf 25 heraufgesetzt.
Marokko, Tunesien und Algerien sollen per Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Die Asylverfahren für Personen aus diesen Ländern werden dadurch beschleunigt. Die Regelung soll aber nicht ins Asylpaket aufgenommen werden, weil es sonst die Zustimmung des Bundesrats benötigen würde, wo Union und SPD keine eigene Mehrheit haben.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl erklärte kurz nach der Urteilsverkündung, dass sie Shepherd auch weiterhin unterstützen werde. Das Gericht sei „vorfestgelegt“ gewesen und habe die Aussagen Shepherds nicht angemessen in den Kontext des Irakkriegs eingebettet. „Ich habe seit langem nicht mehr so ein einseitiges Spiel in einem deutschen Verwaltungsgericht erlebt“, sagte Pro-Asyl-Vertreter Bernd Mesovic. Gemeinsam mit Anwalt Marx werde eine Berufungsklage vorbereitet.