
Ein ehemaliger Wirtschaftsprofessor beherrscht die Schlagzeilen: Bundesbank-Präsident Axel Weber steht vor seinem Rücktritt. Bereits gestern machten Spekulationen die Runde, der 53jährige Notenbanker wolle nicht mehr EZB-Chef werden und lieber in die Privatwirtschaft wechseln. Bisher schweigt Weber eisern. Heute sagte er in Wien lediglich, er habe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen und ihr zugesagt, dass er sich dazu zunächst nicht äußern werde. „Wir werden alle Entscheidungen, die notwendig sind, in enger Abstimmung treffen“, sagte er bei einer Tagung.
Doch die Hinweise verdichten sich, wonach es Weber zur Deutschen Bank zieht. Das Timing stimmt. Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Clemens Börsig fahndet schon lange nach einem passenden Kandidaten, der Vorstandschef Josef Ackermann beerben soll. Der Vertrag des Schweizers läuft noch bis zur Hauptversammlung im Jahr 2013. Doch Ackermann will früher gehen. „Er will spätestens zur Hauptversammlung im kommenden Jahr seinen Hut nehmen“, berichten gleich mehrere Mitarbeiter in seinem Umfeld. Ursprünglich wollte Ackermann bereits im Jahr 2009 die Bank verlassen. Weil Chefaufseher Börsig ihm nachfolgten wollte und einflussreiche Mitglieder des Aufsichtsrates dies aber nicht wollten, machte Ackermann weiter.
Anstandspause wäre angebracht
Wenn Weber demnächst zurückträte wäre eine zumindest kurze Anstandspause bis zu einem Antritt bei der Deutschen Bank gewahrt. Eine Übergangszeit von einem Jahr sei ein absolutes Minimum, heißt es in Berlin. Kein Wunder: Weil die Bundesbank sich auch an der Bankenaufsicht und Bankenrettungen beteiligt, gilt Weber als Insider, der tiefe Einblicke in die Stärken und Schwächen der heimischen Finanzinstitute hat.
„Wenn er Wissen über die Konkurrenz hat, kann uns das nur nützen“, sagt ein hochrangiger Deutsch-Banker. Dass Weber das Zeug hat, die Deutsche Bank zu führen, daran zweifelt in Frankfurt kaum jemand. Das Format hat er. Immerhin kennt er sich aus in der Finanzbranche. Und schließlich hat er auch die Bundesbank geführt.
Ein Manko aber bleibt. Als Deutsche-Bank-Chef müsste Weber auch gute Kontakte zum politischen Berlin pflegen. Die scheinen derzeit zumindest arg strapaziert. Denn damit, dass er als Bundesbanker aufhört und deshalb auch nicht für die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet zur Verfügung steht, hat er die Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel zutiefst blamiert. Ein Vorfall, den man in Berlin nicht so schnell vergessen wird.
Klar ist: Weber war derjenige, der seinen Abgang lancierte. In einer vertraulichen Runde hatte er darüber orakelt, dass er nicht unbedingt eine zweite Amtszeit als Notenbanker anstreben wolle. Weber ist Vollprofi – auch bei Gesprächen. „Er kann stundenlang reden, ohne etwas zu sagen“, weiß einer, der ihn gut kennt. Ein bloßer Versprecher, das ist sicher, können seine Anmerkungen also nicht gewesen sein. Auch, wenn sich der womöglich nächste Deutsche-Bank-Chef derzeit mit Äußerungen zurückhält. Die Gerüchteküche brodelt weiter. Weber hat sich noch nicht erklärt – heute Mittag will er sich vor dem Deutsch-Österreichischen Finanzforum in Wien zu den Gerüchten äußern.