Deutsche Standards wackeln Umweltbundesamt warnt vor Risiken bei Bauprodukten

Das Umweltbundesamt warnt vor möglichen Gesundheitsrisiken bei Bauprodukten. Denn die nationalen, teilweise strengeren Standards sind nach neuen EU-Vorgaben nicht mehr erlaubt.

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Hintergrund der Forderung des Umweltbundesamtes ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das es den Mitgliedstaaten nicht mehr erlaubt, an Bauprodukte strengere nationale Anforderungen zum Schutz der Gesundheit zu stellen. Quelle: dpa

Berlin Raus an die frische Luft: Das nehmen sich viele Menschen vor, aber die allermeiste Zeit verbringen Menschen in Industriegesellschaften in geschlossenen Räumen. Nicht zuletzt deswegen fordert das Umweltbundesamt (UBA) in seinem jetzt veröffentlichten Jahresbericht, dass die in Deutschland üblichen hohen Anforderungen an Bauprodukte unbedingt erhalten bleiben müssten – denn ein neues EU-Urteil könnte diese aufheben.

„Ob Parkett im Wohnzimmer oder Parkett im Kinderzimmer: Die EU darf bei Bauprodukten keine Abstriche bei der Gesundheit und beim Umweltschutz machen“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Es müsse weiterhin erkennbar bleiben, ob Bauprodukte der Gesundheit schadeten oder nicht. Schadstoffe in Bauprodukten sind beispielsweise Konservierungsstoffe in Lacken und Farben oder Weichmacher in Fußbodenbelägen.

Hintergrund der Forderung des Umweltbundesamtes ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das es den Mitgliedstaaten nicht mehr erlaubt, an Bauprodukte strengere nationale Anforderungen zum Schutz der Gesundheit zu stellen. Damit sollen Markthemmnisse abgebaut werden.

Bis Herbst 2016 verlangte das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) für innenraumluftrelevante Bauprodukte anspruchsvolle Tests, heißt es im Jahresbericht des Umweltbundesamts. Das vergebene nationale „Ü“-Zeichen (Ü für Übereinstimmung) sei nach dem Urteil des EuGH jedoch nicht mehr erlaubt. Die europäischen Bauproduktnormen hält das UBA, aber auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), für unzureichend. Die Verbände kritisieren bereits seit längerer Zeit, dass die europäischen Normen unter deutschen Anforderungen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes zurückbleiben. Die Bundesregierung hatte deswegen im Frühjahr 2017 Klage gegen die EU-Kommission eingereicht.

Das Bundesbauministerium teile die Auffassung des Umweltbundesamtes, heißt es auf Nachfrage im Ministerium: „Bei der Kennzeichnung von Bauprodukten müssen nach wie vor Umwelt- und Gesundheitseigenschaften ausgewiesen werden können.“ Dazu würden momentan Gespräche mit der EU-Kommission geführt, sagte ein Sprecher. Ansätze für kurz- und mittelfristige Lösungen sollen bis zum Herbst vorliegen.

Bislang blieb die Suche nach einer Lösung ohne großen Erfolg. Die EU-Kommission, so Krautzberger am Montag, habe zwar einen Vorschlag für eine Ergänzung der EU-weiten und einheitlichen so genannten CE-Kennzeichnung von Bauprodukten um gesundheitliche Aspekte vorgelegt. Dieser Vorschlag gehe jedoch nicht weit genug, weil er Ausdünstungen aus Lösemitteln und anderen chemischen Hilfsstoffen zulasse, ohne dies zu kennzeichnen.

Prüfzeichen wie der Blaue Engel des Umweltbundesamtes sind vom Urteil des EuGH nicht betroffen. Im Baubereich wird der Blaue Engel nach den Kriterien des Ausschusses für die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten (AgBB) vergeben und soll eine Gewähr für emissionsarme Produkte ohne bedenkliche Schadstoffe bieten.

Dagegen ist das CE-Kennzeichnen kein Gütesiegel, sagt Wolfgang Plehn, Fachgebietsleiter am Umweltbundesamt. Es sage lediglich aus, dass ein Produkt nach europäisch harmonisierten Normen produziert und gewisse technische Eigenschaften deklariert seien. „Für den Gesundheits- und Umweltschutz habe das Zeichen keine Aussagekraft – hier besteht eine Lücke.“

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