Deutscher Bundestag Abgeordnete verschleppen Veröffentlichung von Nebeneinkünften

Unter der Kuppel des Bundestags: Mit der Umsetzung der neuen Transparenzregeln haben es die Parlamentarier offenbar nicht eilig. Quelle: dpa

Noch keiner der 736 Bundestagsabgeordneten hat Nebenjobs oder Extraverdienste veröffentlicht – dabei wollten sie nach Maskendeals und zu spät gemeldeten Boni ihre wirtschaftlichen Verhältnisse längst offenlegen.

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Der Bundestag nimmt es mit der eigenen Transparenz nicht so genau. Nach der Affäre um lukrative Maskendeals in der Coronakrise hatte das Parlament Besserung gelobt und gesetzliche Regeln gegen Korruption und für mehr Transparenz verabschiedet. Doch noch ist nicht einmal das umgesetzt, was das Gesetz verlangt.

Seit der Bundestagswahl am 26. September 2021 gilt für die Abgeordneten, dass Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen genauer angegeben werden müssen. Das Bündnis für die Gesetzesänderung war breit: Union, SPD sowie Grünen und Linksfraktion hatten zugestimmt.

Doch mit der Umsetzung haben es die Parlamentarier nun nicht eilig. Im Gegenteil. Nun gilt zwar, dass wirtschaftliche Interessen detaillierter sichtbar gemacht werden müssen: Einkünfte von Abgeordneten sind anzuzeigen, wenn sie im Monat 1000 Euro oder im ganzen Jahr 3000 Euro übersteigen. Bisher galt eine Grenze von jährlich 10.000 Euro. Festgelegt ist zudem, dass der Betrag „auf Euro und Cent“ genau veröffentlicht wird. Direkte oder indirekte Beteiligungen sowohl an Kapital- wie auch Personengesellschaften werden bereits ab fünf Prozent veröffentlicht. Früher galt das erst ab 25 Prozent.

Aber auch nach Ablauf der Meldefrist herrscht gähnende Leere bei diesen verpflichtenden Angaben auf den Netzseiten des Bundestages. Das neue Parlament trat erstmals am 26. Oktober 2021 zusammen, also hätten - entsprechend der gesetzlichen Frist von drei Monaten nach der ersten Sitzung des Bundestages -  am 26. Januar 2022 zusammen sein müssen.

Doch das Feld der „veröffentlichungspflichtigen Angaben“ der Abgeordneten ist überall blank. Die Veröffentlichung werde sich „noch einige Zeit verzögern, da der Umfang einzelner Anzeige- und Veröffentlichungspflichten“ nicht geklärt sei, heißt es nur auf den Bundestagsseiten im Netz.  

Eigentlich sind die Regeln klar. Ein Einblick in die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Mandatsträger und Mandatsträgerinnen wäre zudem wichtig, um Transparenz herzustellen und Vertrauen wiederzuerlangen. Das gilt zum Beispiel nach den umstrittenen und heute strafbaren Deals zur Beschaffung von Coronaschutzmasken. Mehrere Abgeordnete von CDU und CSU hatten in der letzten Legislatur teils sechsstellige Beträge erhalten, weil sie Angebote zur Lieferung von Schutzmasken an Regierungsstellen weiterleiteten. Weiteren CDU-Abgeordneten wurde zudem vorgeworfen, bezahlte Lobbyjobs für Aserbaidschan betrieben zu haben.

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Der Umgang mit Nebeneinkünften insgesamt wurde hinterfragt, als die fragwürdige Gewährung von Corona-Boni des Grünen-Bundesvorstands auch an die Beteiligten selbst bekannt wurde. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte diese erst nachträglich beim Bundestag gemeldet.  

Beim Bundestag wird auf formelle Verzögerungen verwiesen, ohne diese näher auszuführen. Es fehlten derzeit „noch Ausführungsbestimmungen zu den … neu gefassten Verhaltensregeln“. Deshalb sei „ein Zeitpunkt der Veröffentlichung von Angaben derzeit noch nicht absehbar“, lässt ein Sprecher der Bundestagsverwaltung wissen. Zuständig sei der Ältestenrat. Dieses Gremium tagt allerdings nichtöffentlich und mehrere Mitglieder verwiesen auf Anfrage der WirtschaftsWoche darauf, dass Verschwiegenheit für Belange des Ältestenrates gelte.

Doch mehr Transparenz ist gesetzlich vorgegeben. So gilt nun auch, dass zum Beispiel Abgeordnetenbestechung ein Verbrechen ist – für beide Seiten, also jene, die Vorteile versprechen, und jene, die sie annehmen. Verboten wird außerdem die bezahlte Lobbyarbeit von Mitgliedern des Bundestags gegenüber der Bundesregierung oder dem Parlament selbst. Erlaubt bleibt ehrenamtliche Arbeit, etwa in Vereinen. Zudem dürfen Abgeordnete künftig keine Honorare mehr für Vorträge annehmen, die im Zusammenhang mit ihrer Bundestagsarbeit stehen.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Irene Mihalic, deutet an, dass es noch dauern könnte mit der gebotenen Offenheit. „Die Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltens- und Transparenzregeln im Abgeordnetengesetz müssen nach der umfassenden Reform im vergangenen Jahr angepasst werden“, erklärt sie. Die Rechtsstellungskommission des Parlaments komme in der Woche ab 14. März erneut zusammen und wolle darüber beraten.

Das wäre dann bereits knapp fünf Monate nach der ersten Sitzung des Bundestages.

Mehr zum Thema: Transparency-International-Chef Hartmut Bäumer kritisiert die Maskenaffäre als dreist und demokratiegefährdend, fordert eine Reform des Lobbyregisters und erhebt schwere Vorwürfe gegen die CDU.

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