
Recep Tayyip Erdogan, 60, weiß wie man so ein Stadion bespielt. Schließlich war der türkische Premierminister in seiner früheren Karriere ein, wenn auch mäßig erfolgreicher, Profi-Fußballer. Die Atmosphäre während seiner Rede in der Lanxess-Arena hat auch etwas von einem Fußballspiel. Ein Länderspiel, bei dem nur die Türkei antritt: 15.000 Menschen haben die komplett gefüllte Lanxess-Arena mit rot-weißen Halbmond-Flaggen ausgehängt.
„Rot“ schreit die eine Kurve, „weiß“, brüllt die andere zurück. Ein Heimspiel für Erdogan, in gewisser Weise. Dabei haben außerhalb der Halle in den vergangenen Tagen alle an ihm rumgenörgelt, vom Hallenbetreiber bis zum Kölner Bürgermeister rieten sie ihm, doch zu hause zu bleiben.
Überrascht kann das Erdogan kaum haben. Schließlich, das Thema zieht sich durch seine anderthalbstündige Rede, hätten sich doch so einige gegen ihn verschworen. Da sind zum einen die „Kreise“ in der Türkei. Die Kreise, das scheinen Oppositionspolitiker zu sein und Demonstranten im Gezi-Park, Journalisten. So genau sagt Erdogan das nicht, nur soviel: „Diese Kreise sitzen am Bosporus und betrinken sich“.
All die Missverständnisse der vergangenen Wochen, Tote bei Demonstrationen in Istanbul, Kritik an der Erdogan-Regierung nach dem Grubenunglück von Soma, das waren die Kreise.
Die Kreise haben einen mächtigen Partner, den zweiten Verschwörer: Die Medien. Die werden oft von arroganten Eliten angeleitet, sagt Erdogan. Wenn er in Deutschland Überschriften wie „Erdogan zum Teufel“ sehe – „Das ist ungezogen, das ist eine Hasspredigt.“ In Köln kann Erdogan an diesem Tag auf mehr Verständnis hoffen. Die Leute buhen an den richtigen Stellen (bei „Medien“, bei „Merkel“) und jubeln, wenn es drauf ankommt: „Kreise wollen die Trauer um Soma ausnutzen. Dieses Spiel wird niemals erfolgreich sein“.
An diesem Tag haben die Kreise mehrere Gegendemonstrationen angemeldet. Allein die alevitische Gemeinde hatte mehr als 10.000 Demonstranten unter dem Motto „Gegen den Erdowahn“ angekündigt. Der Chef der Polizeigewerkschaft sprach am Vortag von einer „gewaltigen Herausforderung“. Tatsächlich protestierten 30.000 Demonstranten gegen den Regierungschef aus Ankara. Drinnen in der Lanxess-Arena ist die Stimmung dagegen locker. Für viele ist der Ausflug eine Art Ein-Tages-Urlaub in der Türkei. Man spricht Türkisch, sieht seine türkischen Verwandten, hört dem türkischen Premierminister zu.